Entscheidungsstichwort (Thema)

Anfechtung durch Insolvenzverwalter. Zustimmung als vorläufiger Insolvenzverwalter. widersprüchliches Verhalten

 

Leitsatz (amtlich)

Der Insolvenzverwalter kann auch solche Zahlungen zurückfordern, deren Auszahlung er als vorläufiger Insolvenzverwalter zugestimmt hat.

Die Ausübung des Anfechtungsrechts durch den Insolvenzverwalter ist i.d.R. nicht treuwidrig, denn das Vertrauen von Arbeitnehmern darauf, dass sie erhaltene Vergütung behalten dürfen, ist insbesondere wegen der mit der Auszahlung verbundenen Benachteiligung anderer Gläubiger nicht schutzwürdig.

 

Normenkette

InsO § 130 I Nr. 2; BGB § 242

 

Verfahrensgang

ArbG Rosenheim (Urteil vom 11.06.2003; Aktenzeichen 3 Ca 662/03)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 27.10.2004; Aktenzeichen 10 AZR 123/04)

 

Tenor

1. Die Berufung des Beklagten gegen dasEndurteil desArbeitsgerichts Rosenheim vom11.06.2003 – 3 Ca 662/03 – wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.

2. Die Revision für den Beklagten wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Rückzahlung eines Teils des Märzgehaltes 2002 des Beklagten, dessen Auszahlung der Kläger angefochten hat.

Der Kläger ist der Insolvenzverwalter über das Vermögen der Firma X. (Schuldnerin) bei der der Beklagte bis 30.06.2002 beschäftigt war.

Am 17.04.2002 beantragte das Finanzamt die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin. Am 24.06.2002 wurde der Kläger zum vorläufigen Insolvenzverwalter ohne Verfügungsbefugnis (sog. schwacher vorläufiger Insolvenzverwalter) ernannt. Am 28.06.2002 fand eine Belegschaftsversammlung statt, an der auch der Beklagte teilnahm. Dabei wurde der Kläger den Mitarbeitern als vorläufiger Insolvenzverwalter vorgestellt und er sprach auch über die Auszahlung des noch nicht bezahlten Märzgehalts 2002. Die Einzelheiten hierzu sind zwischen den Parteien streitig.

Zum 30.06.2002 wurde das Arbeitsverhältnis zwischen der Schuldnerin und dem Beklagten beendet und der Beklagte war ab 01.07.2002 bei der Firma X. GmbH beschäftigt, an der die Schuldnerin zu 50 % beteiligt war. Dieses Arbeitsverhältnis des Beklagten bestand bis zum 31.12.2002.

Am 17.07.2002 wurde das Märzgehalt in Höhe von EUR 1.059,99 netto an den Beklagten ausbezahlt. Auch weitere Mitarbeiter, jedoch nicht alle erhielten das Märzgehalt.

Am 01.08.2002 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt. Am 14.02.2003 erklärte er gegenüber dem Beklagten die Anfechtung der Auszahlung des Märzgehalts 2002 und verlangte die Rückzahlung.

Der Kläger hat in erster Instanz vorgetragen, die Anfechtung sei gerechtfertigt, weil durch die Auszahlung des Märzgehalts eine Benachteiligung der übrigen Insolvenzgläubiger erfolgt sei. Bei der Belegschaftsversammlung seien die Mitarbeiter auf die wirtschaftliche Situation der Schuldnerin hingewiesen worden, außerdem darauf, dass die Auszahlung des Märzgehalts ggf. angefochten werden müsse. Nur zwölf von 40 Mitarbeitern hätten das Märzgehalt erhalten. Die übrigen Mitarbeiter hätten keine Zahlung erhalten, weil Kundenzahlungen ausgeblieben seien.

Dagegen hat der Beklagte in erster Instanz vorgetragen, es liege keine Gläubigerbenachteiligung vor, da er ohne die Zahlung des Märzgehalts seine Tätigkeit eingestellt hätte. Durch seine fortgesetzte Tätigkeit seien der Insolvenzmasse ca. EUR 15.000,– zugeführt worden. Auf der Belegschaftsversammlung hätten der Vorstandsvorsitzende der Schuldnerin und der Kläger die Auszahlung der Märzgehälter als sicher dargestellt. Ein Hinweis auf eine mögliche Anfechtung sei nicht erfolgt. Auch bei der Auszahlung sei kein Vorbehalt erklärt worden.

Mit Endurteil vom 11.06.2002 hat das Arbeitsgericht der Klage stattgegeben und den Beklagten verurteilt, an den Kläger EUR 1.059,99 nebst Zinsen zu bezahlen. Es hat angenommen, der Kläger habe die Auszahlung des Märzgehalts 2002 zu Recht gemäß §§ 129, 130 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 InsO angefochten und deshalb müsse gemäß § 143 Abs. 1 InsO das Empfangene zurückgewährt werden. Durch die Auszahlung des Gehalts seien die übrigen Insolvenzgläubiger benachteiligt worden. Die Voraussetzungen des § 130 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 InsO lägen vor, denn der Beklagte habe jedenfalls von dem Insolvenzeröffnungsantrag gewusst. Der Anfechtungsbefugnis des Klägers stehe ein schutzwürdiger Vertrauenstatbestand des Beklagten nicht entgegen. Die Rechtsprechung nehme einen solchen Vertrauenstatbestand bei einem schwachen Insolvenzverwalter nicht an. Außerdem habe der Kläger die Auszahlung des Märzgehalts nicht ganz ohne Einschränkungen zugesichert. Wegen weiterer Einzelheiten der Begründung des Arbeitsgerichts sowie des Sachvortrags der Parteien in erster Instanz wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.

Gegen dieses dem Beklagten am 18.06.2003 zugestellte Urteil richtet sich seine Berufung vom 18.07.2003, die am 15.09.2003 begründet worden ist, nachdem die Berufungsbegründungsfrist bis zu diesem Tag verlängert worden war.

Unter Wiederholung und in Ergänzung seines erstinstanzlichen Vorb...

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