Entscheidungsstichwort (Thema)
Geltungsbereich eines Sozialplans bei Rückkehr aus dem Erziehungsurlaub. Auslegung einer tariflichen Ausschlußfrist
Leitsatz (amtlich)
1) Wird in einem Betrieb wegen eines Personalabbaus ein Sozialplan abgeschlossen und kündigt der Arbeitgeber einer zu diesem Zeitpunkt aus dem Erziehungsurlaub zurückkehrenden Arbeitnehmerin aus betriebsbedingten Gründen, kann sich der Arbeitgeber nicht darauf berufen, die Arbeitnehmerin werde vom Geltungsbereich des Sozialplans nicht erfaßt, weil die von der Arbeitnehmerin vor ihrem Erziehungsurlaub ausgeübte Tätigkeit bereits während des Erziehungsurlaubs wegen Stillegung einer Betriebsabteilung entfallen sei.
2) § 12 Abs. 5 des Manteltarifvertrages für die kaufmännischen und technischen Angestellten der Südbayerischen Textilindustrie verlangt nicht, daß der Arbeitnehmer Ansprüche innerhalb der in § 12 Abs. 2–4 des Manteltarifvertrages bestimmten Fristen sowohl schriftlich als auch gerichtlich geltend macht.
Normenkette
BErzGG § 4 Abs. 1, § 15 Abs. 1, § 18. Abs. 1; BetrVG §§ 77, 111, 112 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Kempten (Entscheidung vom 26.05.1998; Aktenzeichen 4 Ca 420/98) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Endurteil des Arbeitsgerichts Kempten vom 26.5.1998 (4 Ca 420/98) abgeändert:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin DM 15.300,– nebst 4 % Zinsen hieraus seit 6.1.1998 zu bezahlen.
2. Im übrigen wird die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.
3. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
4. Die Revision wird für die Beklagte zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Parteien besteht Streit über die Bezahlung einer Abfindung, die die Klägerin aus einem zwischen der Beklagten und deren Betriebsrat abgeschlossenen Sozialplan geltend macht.
Die Klägerin war seit 25.7.1988 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin als Fremdsprachenkorrespondentin für die Abteilung … beschäftigt. Zu ihren Aufgaben gehörte dabei insbesondere die Entgegennahme und Bearbeitung von fremdsprachlichen Aufträgen. Im Arbeitsvertrag der Parteien ist die Geltung der jeweiligen Vorschriften der Tarifverträge für die kaufmännischen und technischen Angestellten in der südbayerischen Textilindustrie vereinbart.
Ab 10.6.1992 trat die Klägerin in Erziehungsurlaub. Im August 1995 wurde bei der Beklagten die Abteilung aufgelöst. Ein Sozialplan wurde damals nicht abgeschlossen.
Am 27.8.1997 kam zwischen der Beklagten und dem bei ihr errichteten Betriebsrat ein Interessenausgleich sowie ein Sozialplan zustande. Im Interessenausgleich (Bl. 6 d.A.) heißt es dabei im wesentlichen wie folgt:
1. Bei … in … ist geplant, einen Großteil der Funktionen sukzessive bis Juni 1998 zur Muttergesellschaft in … zu verlagern. Neben anderen sind insbesondere die Funktionen Musterfertigung, Lager/Logistik/Versand und die Verwaltung im weiteren Sinne (u. a. Rechnungswesen, Beschaffung, usw.) betroffen. In … verbleibende Funktionen wie etwa Verkauf, Marketing und Design werden entsprechend den betrieblichen Erfordernissen angepaßt. Aufgrund der vorgenannten Maßnahmen sollen sie Arbeitsverhältnisse von ca. 101 Arbeitnehmerinnen betriebsbedingt gekündigt werden.
2. ….
3. Es besteht zwischen den Parteien Einigkeit, daß gegenüber den aus der Anlage zu diesem Interessenausgleich ersichtlichen Arbeitnehmerinnen betriebsbedingte Kündigungen entsprechend der zeitlichen Abfolge der Maßnahmen zu den sich daraus ergebenden Kündigungsterminen ausgesprochen werden. Die als Anlage beigefügte Liste ist integraler Bestandteil dieses Interessenausgleichs. Sie wird unter Beachtung der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates entsprechend den Erfordernissen bzw. der weiteren Konkretisierung der Maßnahmen angepaßt; dies betrifft insbesondere die Personalplanung für den Verkaufsinnendienst.
In der Namensliste zum Interessenausgleich (Bl. 94–97 d.A.) ist die Klägerin nicht aufgeführt.
Der Sozialplan vom 27.8.1997 (Bl. 4–5 d.A.) enthält u. a. folgende Regelungen:
§ 1 Geltungsbereich
1. Dieser Sozialplan gilt für alle Arbeitnehmer der … in …, die am 31.8.1997 in einem ungekündigten und unaufgehobenen Arbeitsverhältnis mit der … stehen und aufgrund ordentlicher betriebsbedingter Arbeitgeberkündigung fristgemäß ausscheiden.
2. Der Sozialplan gilt nicht für Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis berechtigt verhaltensbedingt oder personenbedingt bzw. fristlos gekündigt wird.
§ 2 Abfindungen
1. Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis im Sinne von § 1 Ziffer 1 endet und nicht bei einem Unternehmen innerhalb der … einvernehmlich fortgesetzt wird, erhalten zum Ausgleich der mit dem Wegfall des Arbeitsplatzes verbundenen Nachteile eine Abfindung.
2. Die Abfindung beträgt DM 1.700,– je Beschäftigungsjahr (in Worten: DM eintausendsiebenhundert).
§ 5 Schlußbestimmungen
1. Der Sozialplan tritt mit Unterzeichnung in Kraft.
2. Dieser Sozialplan gilt für die von den im Interessenausgleich vom 27. August 1997 festgelegten Maßnahmen betroffenen Arbeitnehmerinnen.
Der Erziehungsurlaub der Klägerin endete am 14.9.1997. Mit Schreiben vom 18.9.1997 k...