Entscheidungsstichwort (Thema)

Fehlende Eignung

 

Leitsatz (amtlich)

Einzelfallentscheidung; Kündigung eines Programmierers wird nach mehr als 7 Jahren Betriebszugehörigkeit mit der (unstreitig) fehlenden Fähigkeit, zu programmieren, begründet.

 

Normenkette

KSchG § 1 Abs. 2 S. 1

 

Verfahrensgang

ArbG München (Urteil vom 19.06.2009; Aktenzeichen 37 Ca 3981/08)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 19.04.2012; Aktenzeichen 2 AZR 233/11)

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers und die Anschlussberufung der Beklagten gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 19.6.2009 – 37 Ca 3981/08 – werden zurückgewiesen.

2. Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger 79 % und die Beklagte 21 %.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Rechtswirksamkeit mehrerer außerordentlicher und ordentlicher Kündigungen, die von der Beklagten erklärte Anfechtung des Arbeitsvertrages, einen von der Beklagten vorsorglich ausgestellten Auflösungsantrag sowie die Verpflichtung der Beklagten zur Rücknahme von Abmahnungen und deren Entfernung aus der Personalakte des Klägers.

Die Beklagte ist ein international tätiges IT-Beratungs- und Systemintegrationsunternehmen mit ca. 2000 Mitarbeitern in Deutschland.

Der Kläger ist Jurist und hat die Prüfung zum Fachanwalt für Arbeitsrecht absolviert. Von Dezember 1999 bis November 2000 nahm er erfolgreich an einem Qualifikationsprogramm „Applikationsentwickler Client-Server” teil. Wenige Wochen vor dem Ende dieses Kurses besuchte ein Bereichsleiter der Beklagten den Kurs und forderte die Teilnehmer auf, sich bei der Beklagten zu bewerben. Dies tat der Kläger und wurde zum 1.12.2000 von der Beklagten als Organisationsprogrammierer eingestellt. Wegen des vereinbarten Aufgabengebiets wird auf § 1 des Arbeitsvertrages vom 30.11.2000 Bezug genommen (Bl. 123 ff d.A.). Der Kläger wurde zunächst beim Kunden F. eingesetzt und arbeitete dort im Rahmen verschiedener Projekte.

Im Mai 2007 initiierte er zusammen mit Kollegen eine Betriebsversammlung zur erstmaligen Wahl eines Betriebsrats.

Am 20.6.2007 wurde der Kläger außerordentlich wegen Arbeitsverweigerung gekündigt. Am 10.10.2007, einen Tag vor der Betriebsratswahl am 11.10.2007, schickte der Kläger eine E-Mail an 20 Mitarbeiter der Beklagten (Anlage B 34, Bl. 261 d.A.). Darin heißt es u.a.:

„Wie Ihr vielleicht wisst, wurde ich am 20.6. fristlos gekündigt, es wurden zwar kein Gründe angegeben, aber es liegt natürlich auf der Hand, dass man mit dieser Maßnahme den Betriebsrat verhindern wollte.”

Der Kläger war Wahlbewerber und wurde erstes Ersatzmitglied seiner Liste. Wegen dieser E-Mail erklärte die Beklagte am 23.10.2007 eine weitere außerordentliche Kündigung. Mit Endurteil vom 13.12.2007 stellte das Arbeitsgericht München im Verfahren 30 Ca 8496/07 die Unwirksamkeit der Kündigungen vom 20.6. und 23.7.2007 fest und verurteilte die Beklagte, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens als Organisationsprogrammierer weiter zu beschäftigen.

Ab 21.1.2008 wurde der Kläger wieder beschäftigt.

Am 31.1.2008 wurde der Kläger mit der Begründung abgemahnt, er habe gegenüber einem Mitarbeiter erklärt, man müsse die Beklagte in allen Belangen hart anfassen (Anlage B 5, Bl. 140 f d.A.). Mit Schreiben vom 5.2.2008 (Anlage B 4, Bl. 132 ff d.A.) wurde der Kläger mit dem Vorwurf abgemahnt, er habe sich nicht wie angewiesen acht Stunden täglich auf einen Arbeitseinsatz vorbereitet.

Mit Schreiben vom 19.2.2008 (Anlage B 17, Bl. 160 ff d.A.) wurde der Kläger wegen beharrlicher Arbeitsverweigerung bzw. Schlechtleistung abgemahnt. Eine weitere Abmahnung folgte am 26.2.2008 (Anlage B 29, Bl. 222 ff. d. A.).

Am 4.3.2008 erstellte der IT-Sachverständige Prof. Dr. G. im Auftrag der Beklagten ein Gutachten über den Qualifikations- und Kenntnisstand des Klägers im Bereich der Softwareentwicklung (Anlage B 32, Bl. 228 ff d.A.). Der Sachverständige hatte zwei Gespräche mit dem Kläger in Chemnitz geführt. Das Gutachten kommt zu dem Ergebnis, der Kläger verfüge nicht über die erforderliche fachliche Qualifikation, um eine Tätigkeit als Organisationsprogrammierer zu erbringen.

Am 6.3.2008 hörte die Beklagte den bei ihr bestehenden Betriebsrat zur außerordentlichen fristlosen, hilfsweise zu einer außerordentlichen Kündigung mit einer Auslauffrist an (Anlage B 25 a, Bl. 181 ff d.A.). Am 10.3.2008 teilte der Betriebsrat der Beklagten mit, dass der Personalausschuss den beabsichtigten Kündigungen zustimme (Anlage B 25 b, Bl. 216 d.A.). Am selben Tag kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis außerordentlich und fristlos, hilfsweise außerordentlich mit einer Auslauffrist zum 30.6.2008 und erteilte dem Kläger ein Hausverbot (Anlage K 2, Bl. 30 d.A.).

Am 15.4.2008 lief der nachwirkende Kündigungsschutz des Klägers als Wahlbewerber zur Betriebsratswahl aus. Daraufhin hörte die Beklagte den Betriebsrat mit Schreiben vom 16.4.2008 zu einer beabsichtigten ordentlichen Kündigung an (Anlage Bl. 199 ff d.A.). Darin heißt es, die Kündigung vom 10.3....

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