Entscheidungsstichwort (Thema)

Streit um eine Prämie. Verstoß gegen § 4a EFZG

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Gemäß § 4a EFZG ist die Vereinbarung über die Kürzung von Leistungen, die der Arbeitgeber zusätzlich zum laufenden Arbeitsentgelt erbringt (Sondervergütungen) auch für Zeiten der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit zulässig. Die Kürzung darf für jeden Tag der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit ein Viertel des Arbeitsentgelts, das im Jahresdurchschnitt auf einen Arbeitstag entfällt, nicht überschreiten.

2. Der Begriff Sondervergütung i.S.v. § 4a EFZG ist umfassend. Er bezieht sich nicht nur auf eine Anwesenheitsprämie. Er erfasst alle Leistungen, die der Arbeitgeber über das laufende Arbeitsentgelt hinaus, das zeitabschnittsweise für die Arbeitsleistung bezahlt wird, gewährt

 

Verfahrensgang

ArbG München (Urteil vom 24.01.2008; Aktenzeichen 13 Ca 11339/07)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des Arbeitsgerichtes München vom 24.1.2008 – 13 Ca 11339/07 – unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert:

  1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 450,– (in Worten: vierhundertfünfzig Euro) brutto zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 5 % Punkten über dem Basiszinssatz seit 29.8.2007 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
  2. Von den Kosten des Rechtsstreites hat der Kläger 40 %, die Beklagte 60 % zu tragen.
  3. Der Streitwert wird auf EUR 750,– festgesetzt.

II. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Zahlung einer Sondervergütung für das Jahr 2006.

Der Kläger ist seit 1.9.1994 bei der Beklagten als Busfahrer beschäftigt. Im Jahr 2006 war er ausweislich der von ihm selbst vorgelegten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen an 68 Tagen arbeitsunfähig krank, davon im Zeitraum 15.5. bis 5.7.2006 (Zeitraum der Fußballweltmeisterschaft) mehr als zehn Tage. Mit Schreiben vom 13.7.2007 unterrichtete die Beklagte den Kläger per Rundschreiben über die Ausschüttung einer Erfolgsbeteiligung für das Geschäftsjahr 2006 an ihre Beschäftigten und wies den Kläger darauf hin, dass dieser keine Bonuszahlung erhalten werde (zum Inhalt des Schreibens siehe Bl. 3 d. A.). Ihm wurde dabei mitgeteilt, dass er gewisse Grenzwerte im Hinblick auf Unfallhäufigkeit und Anzahl der Krankentage im Jahr 2006 überschritten habe, so dass er im Rahmen des vom Arbeitgeber entwickelten variablen Modells (zum Inhalt siehe Bl. 31 – 35 d. A.) keinen Anspruch auf die freiwillige Leistung habe.

Der Kläger ist der Auffassung, die Ausschlusskriterien lägen nicht vor. Insbesondere werde er wegen seiner Krankheit benachteiligt und aufgrund seines Alters diskriminiert. Einen Unfall habe er im Jahr 2006 nicht gehabt. Bei der Erfolgsbeteiligung für das Geschäftsjahr 2006 handele es sich im Grunde um eine verkappte Anwesenheitsprämie.

Der Kläger beantragte im ersten Rechtszug,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger den Betrag von EUR 750,– brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit Klageerhebung zu zahlen.

Die Beklagte beantragte dagegen

die Klageabweisung

und trug vor, der Kläger habe auf die Sonderzahlung keinen Anspruch. Es handele sich um eine rein freiwillige Leistung, die an bestimmte, betriebsintern festgelegte Rahmenbedingungen gebunden gewesen sei. Unter Berücksichtigung von Krankenstand 2006, Beurteilung durch den Betriebsleiter und Anzahl der selbstverschuldeten Unfälle sei an Mitarbeiter eine Prämie von maximal EUR 750,– ausgeschüttet worden. Dieses Modell habe die Geschäftsleitung beschlossen; gegen dieses Modell habe der Betriebsrat keine Einwände gehabt. Der Kläger habe keinen Prämienanspruch, weil er zu viele Krankheitstage im Jahre 2006, insbesondere während des WM-Zeitraumes aufgewiesen habe. Nur diejenigen Mitarbeiter sollten belohnt werden, die auch tatsächlich in hohem Maße zum Erreichen des guten Betriebsergebnisses beigetragen hätten.

Das Arbeitsgericht München hat durch Endurteil vom 24.1.2008 der Klage stattgegeben und zur Begründung ausgeführt, der Anspruch auf die Prämie ergebe sich aus der Zusage der Beklagten in Verbindung mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz. Die Beklagte habe die Prämienzahlung nicht unter Hinweis auf die Krankheitstage des Klägers verringern können, da insoweit ein Verstoß gegen § 4a EFZG vorliege. Danach könnten Sonderzahlungen wegen krankheitsbedingter Fehlzeiten nur bei Vorliegen einer entsprechenden Vereinbarung gekürzt werden. Eine entsprechende Vereinbarung liege aber nicht vor. Auch der Umstand, dass die Beklagte ausdrücklich darauf hingewiesen habe, dass die Prämienzahlung freiwillig und ohne Rechtsanspruch erfolge, begründe kein Recht der Beklagten, die Sonderzahlung wegen Zeiten der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit ohne Beachtung der in § 4a EFZG aufgestellten Rahmenbedingungen zu kürzen. Dem Zweck des Gesetzes widerspräche es, wenn durch Formulierung einer Anspruchsvoraussetzung dieselbe Rechtsfolge erreicht werde, die bei einer Formulierung als Kürzungsmöglichkeit gesetzlich v...

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