Entscheidungsstichwort (Thema)

Teilzeitverlangen

 

Leitsatz (amtlich)

Der Anspruch auf Neuverteilung der Arbeitszeit ist nicht auf die Arbeitszeit beschränkt, um welche die bisherige Arbeitszeit verringert wird. Vorbehaltlich entgegenstehender betrieblicher Gründe kann er auch zu einer längeren Arbeitszeit an einzelnen Tagen führen (z.B. Wunsch nach 4-Tage- statt 5-Tage-Woche).

 

Normenkette

TzBfG § 8

 

Verfahrensgang

ArbG München (Urteil vom 30.10.2007; Aktenzeichen 20 Ca 4743/07)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 18.08.2009; Aktenzeichen 9 AZR 517/08)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 30.10.2007 – 20 Ca 4743/07 – wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger Anspruch auf eine Reduzierung seiner Arbeitszeit von 40 auf 36 Stunden bei einer Verteilung von Montag bis Donnerstag je neun Stunden hat.

Die Beklagte ist eine Anbieterin von Software für technisch-naturwissenschaftliche Berechnungen und modellbasierende Konstruktion und beschäftigt in ihrem M. Betrieb etwa 70 Mitarbeiter. Der Kläger ist als kaufmännischer Angestellter in der Auftragssachbearbeitung beschäftigt und hat nach seinem Arbeitsvertrag eine wöchentliche Arbeitszeit von 40 Stunden. In einem Mitarbeiterhandbuch ist von einem Acht-Stunden-Tag die Rede. Die Mitarbeiter arbeiten jedoch nicht an jedem Tag genau acht Stunden. Vielmehr soll die Arbeitszeit im Durchschnitt mindestens 40 Wochen-stunden betragen. Im Betrieb gibt es keine Zeiterfassung, sondern es gilt eine Vertrauensarbeitszeit. Im Team des Klägers gibt es mehrere Teilzeitkräfte, von denen zwei gerne ihre Arbeitszeit aufstocken würden.

Mit Schreiben vom 25.1.2007 beantragte der Kläger die Verringerung seiner wöchentlichen Arbeitszeit um vier Stunden ab dem 1.5.2007. Er teilte mit, die verbleibende Arbeitszeit wolle er auf viermal neun Stunden von Montag bis Donnerstag verteilen. Am 28.3.2007 teilte die Beklagte dem Kläger mit, sie stimme dem Antrag auf Verkürzung der Arbeitszeit zu, seinem Wunsch, die Arbeitszeit auf vier Arbeitstage zu verteilen, könne sie jedoch nicht zustimmen. Seither arbeitet der Kläger unverändert 40 Stunden pro Woche.

Der Kläger ist der Auffassung, weder der von ihm begehrten Verringerung der Arbeitszeit noch der begehrten Verteilung würden betriebliche Gründe entgegenstehen.

Dagegen ist die Beklagte der Auffassung, der Verteilungswunsch des Klägers verstoße gegen den Grundsatz des Acht-Stunden-Tages und das Organisationskonzept der Vertrauensarbeitszeit. Schon in erster Instanz hat sie vorgetragen, es würde zu einer zusätzlichen Kostenbelastung führen, wenn für den Kläger ein Zeiterfassungssystem eingeführt werden müsse. Die Anwesenheit des Klägers an Freitagen sei erforderlich, denn künftig würden regelmäßig Besprechungen an diesen Tagen notwendig. In den Jahren 2007 und 2008 würden viele letzte oder vorletzte Buchungstage eines Monats auf einen Freitag fallen. An diesen Tagen bestehe ein erhöhter Arbeitsanfall. Außerdem würde der Kläger bei einem regelmäßigen Neun-Stunden-Tag nicht in gleichem Umfang für Überstunden zur Verfügung stehen wie andere Mitarbeiter, da er bereits bei einer Überstunde täglich die gesetzliche Grenze von zehn Stunden erreiche.

Mit Endurteil vom 30. Oktober 2007 hat das Arbeitsgericht der Klage stattgegeben und wie folgt erkannt:

Die Beklagte wird verurteilt, der Verringerung und Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit wie folgt zuzustimmen:

Die wöchentliche Arbeitszeit beträgt 36 Stunden die Woche von Montag mit Donnerstag von neun Stunden je Arbeitstag.

Das Arbeitsgericht hat angenommen, der Anspruch des Klägers ergebe sich aus § 8 Abs. 1 und 4 Satz 1 TzBfG. Die Beklagte habe den Antrag des Klägers insgesamt abgelehnt, eine teilweise Annahme nur bezüglich der Verringerung sei nicht möglich. Dem Begehren des Klägers würden betriebliche Gründe nicht entgegenstehen. Insbesondere trage die Beklagte kein Organisationskonzept vor, das der vom Kläger begehrten Arbeitszeit entgegenstehe. Vertrauensarbeitszeit sei kein Organisationskonzept, sondern regle nur die Erfassung der Arbeitszeit. Es sei nicht nachzuvollziehen, warum Vertrauensarbeitszeit bei einem Neu-Stunden-Tag nicht praktiziert werden könne. Das Vertrauen in die Einhaltung der Arbeitszeit sei unabhängig von der Dauer der täglichen Arbeitszeit. Im Betrieb seien zwischen 7.15 Uhr und 19.15 Uhr regelmäßig Arbeitnehmer anwesend. Ein erhöhter Besprechungsbedarf an Freitagen sei nicht zu erkennen. Der Vortrag zu einem erhöhten Arbeitsanfall an Freitagen sei unsubstantiiert und vom Kläger bestritten worden. Es sei auch nicht zu erkennen, warum für Buchungen die Anwesenheit des Klägers erforderlich sei. Schließlich stehe dem Teilzeitwunsch des Klägers nicht entgegen, dass damit weniger Zeit für Überstunden zur Verfügung stehe. Für die Aufgabenerledigung sei es ohne Belang, ob die neunte oder die zehnte Stunde eine Überstunde sei.

Gegen dieses den Beklagtenvertretern am 13...

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