Entscheidungsstichwort (Thema)
Alternative Begründung einer Befristung mit verschiedenen Sachgründen i.S.d. § 14 Abs. 1 TzBfG. Sozialer Überbrückungszweck als Sachgrund für eine zweite Befristung. Sachgrund in der Person des Beschäftigten. Kein Zitiergebot des Sachgrundes aus § 14 Abs. 1 TzBfG
Leitsatz (amtlich)
1. Die Angabe eines Sachgrundes in einem befristeten Arbeitsvertrag schließt es in aller Regel nicht aus, dass der Arbeitgeber die Befristung auf einen anderen Sachgrund stützt.
2. Es ist sachlich gerechtfertigt, wenn mit einer Lehrkraft, die zunächst befristet bis zum Beginn der Sommerferien beschäftigt war, ein bis zum Ende der Sommerferien befristeter Arbeitsvertrag geschlossen wird, um eine Vergütung der Lehrkraft während der Sommerferien sicherzustellen.
Leitsatz (redaktionell)
1. Hat die Befristung eines Arbeitsvertrags einen sozialen und finanziellen Überbrückungszweck, ist sie wegen eines in der Person des Beschäftigten liegenden Grundes gerechtfertigt.
2. Eine rechtswirksame Zeitbefristung setzt nicht voraus, dass der Befristungsgrund im Vertrag angegeben ist. § 14 TzBfG enthält kein Zitiergebot; die Wirksamkeit einer Befristung setzt in aller Regel nur voraus, dass objektiv ein Sachgrund für die Befristung vorliegt.
Normenkette
TzBfG § 14 Abs. 1; ArbGG § 67; TzBfG § 14 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG München (Entscheidung vom 09.09.2020; Aktenzeichen 8 Ca 10000/18) |
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 09.09.2020 - 8 Ca 10000/18 - wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer Befristung des Arbeitsverhältnisses.
Die am ... geborene Klägerin war zunächst für den Zeitraum 11.09.2017 bis 23.02.2018 aufgrund Arbeitsvertrages vom 19.10.2017 beim E. als teilzeitbeschäftigte Lehrkraft beschäftigt (Bl. 5 ff. d.A.). Mit Arbeitsvertrag vom 27.02.2018 war die Klägerin ab 28.02.2018 als Tarifbeschäftigte im Lehrdienst in Teilzeit mit 20/24 Wochenstunden befristet bis 29.07.2018 bei der Beklagten beschäftigt (Bl. 8 ff. d.A.). Mit Arbeitsvertrag vom 15./22.03.2018 wurde die Klägerin von der Beklagten befristet zur Überbrückung der Sommerferien für den Zeitraum 30.07.2018 bis 10.09.2018 eingestellt (Bl. 11 ff. d.A.). Dazu war die Beklagte bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen verpflichtet (Einzelheiten dazu siehe Anlagen B 5 - B 8, Bl. 37 ff. d. A.) Im Arbeitsvertrag vom 27.02.2018 heißt es hinsichtlich des Sachgrundes:
"§ 1
... Die Befristung erfolgt gemäß § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und Nr. 6 des Teilzeit- und Befristungsgesetzes (TzBfG) in der jeweiligen Fassung i.V.m. § 30 TVöD.
Befristungsgrund: Zeitlich befristeter Bedarf; die unbefristete schulaufsichtliche Genehmigung liegt nicht vor."
Die entsprechende Passage im Arbeitsvertrag vom 15./22.03.2018 ist zunächst wortgleich.
Der letzte Halbsatz lautet abweichend.
"die schulaufsichtliche Genehmigung liegt nur befristet bis zum Schuljahresende 2017/2018 vor."
Die Klägerin ist keine voll ausgebildete Lehrkraft (Hochschulabschluss der Klägerin: Magister Artium Deutsch als Fremdsprache, Psychologie und Sonderpädagogik) im schulrechtlichen Sinne. Deshalb war eine Beschäftigung der Klägerin im Lehrdienst nur mit einer entsprechenden schulrechtlichen Genehmigung der Regierung von Oberbayern möglich. Die Regierung von Oberbayern erteilte mit Schreiben vom 05.03.2018 die schulaufsichtliche Genehmigung bis zum Ende des Schuljahres 2017/2018 mit der Einschränkung des Einsatzes auf Berufsintegrationsklassen (Anlage B3, Bl. 34 d.A.).
Die Beklagte richtete kurzfristig im zweiten Halbjahr des Schuljahres 2017/2018 an der städtischen Berufsschule für Großhandel- und Automobilkaufleute eine zusätzliche Berufsintegrationsklasse ein.
Mit ihrer am 01.10.2018 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat die Klägerin einen Antrag auf Feststellung angekündigt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis als unbefristetes Arbeitsverhältnis fortbesteht.
Die Klägerin hat schon in erster Instanz geltend gemacht, dass bei der Beklagten nicht nur ein zeitlich befristeter Bedarf für die Beschäftigung der Klägerin bestanden habe und die Klägerin nicht ausschließlich für eine zusätzliche Berufsintegrationsklasse im zweiten Halbjahr des Schuljahres 2017/2018 an der städtischen Berufsschule für Großhandel- und Automobilkaufleute beschäftigt worden sei. Die schulaufsichtliche Genehmigung hätte auf Antrag der Beklagten jederzeit verlängert werden können. Des Weiteren sei der Klägerin eine Weiterbeschäftigung über das Ende des Schuljahres 2017/2018 hinaus in Aussicht gestellt worden. Die Beklagte habe gegen Art. 1 AGG und Art. 18 AEUV sowie Art. 14 der Europäischen Menschenrechtskonvention und Art. 17 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verstoßen, da die Klägerin wegen ihrer Staatsangehörigkeit bzw. ethnischen Herkunft diskriminiert werde. Zudem liege in der ...