Entscheidungsstichwort (Thema)
Außerordentliche Kündigung
Leitsatz (amtlich)
Die Entscheidung befasst sich mit der Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung bei grob beleidigendem Verhalten einer in der Nachtwache tätigen Altenpflegerin gegenüber den ihr anvertrauten Menschen.
Normenkette
BGB §§ 626, 125
Verfahrensgang
ArbG Rosenheim (Urteil vom 24.01.2006; Aktenzeichen 1 Ca 1230/04) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Rosenheim vom 24. Januar 2006, Az.: 1 Ca 1230/04, wird das bezeichnete Endurteil dahin gehend abgeändert, dass die Klage insgesamt abgewiesen wird.
2. Die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil vom 24. Januar 2006 wird zurückgewiesen.
3. Die Kosten des Rechtsstreits in erster und zweiter Instanz werden der Klägerin auferlegt.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Rechtswirksamkeit einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Arbeitgeberkündigung vom 14.6.2004 sowie einen Auflösungsantrag der Klägerin.
Der Auseinandersetzung liegt im Wesentlichen folgender Sachverhalt zu Grunde:
Die am …1961 geborene Klägerin ist seit 1. November 1993 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin zunächst als Stationsleitung, seit 1.11.2003 auf Teilzeitbasis im Nachtdienst mit einem monatlichen Bruttogehalt von 1.787,90 EUR beschäftigt.
Die Beklagte beschäftigt im Beschäftigungsbetrieb circa 80 Arbeitnehmer. Es besteht ein Betriebsrat.
Der von den Parteien am 1.11.1993 unterzeichnete Arbeitsvertrag enthält unter § 14 „Beendigung des Arbeitsverhältnisses” in Ziff. 3. Satz 2 folgende Regelung:
„Die außerordentliche Kündigung hat die wesentlichen Kündigungsgründe zu enthalten.”
Mit Schreiben vom 14.6.2004, das der Klägerin am 15.6.2004 zugegangen ist, hat die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin fristlos, hilfsweise ordentlich zum 31.10.2004 gekündigt. Mit Schreiben vom 9.6.2004 hatte die Beklagte zuvor den Betriebsrat zu der beabsichtigten Kündigung angehört.
Mit ihrer am 2.7.2004 beim Arbeitsgericht Rosenheim eingegangenen Klage vom 28.6.2004 hat die Klägerin die gerichtliche Feststellung begehrt, dass die Kündigung vom 14.6.2004 rechtsunwirksam ist und das Arbeitsverhältnis weder fristlos noch zum 31.10.2004 beendet hat. Ferner hat sie – klageerweiternd – die gerichtliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses und die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung einer Abfindung begehrt.
Zur Begründung hat sie in erster Instanz vorgetragen, die fristlose Kündigung sei bereits formell unwirksam, da in § 14 des Arbeitsvertrages vom 1.11.1993 vereinbart sei, dass die außerordentliche Kündigung die wesentlichen Kündigungsgründe zu enthalten haben. Dies sei jedoch nicht geschehen. Die Kündigung sei im Übrigen aber auch deshalb unwirksam, weil ein wichtiger Grund nicht vorliege und sie auch als ordentliche Kündigung sozial ungerechtfertigt und damit rechtsunwirksam sei. Außerdem sei der bei der Beklagten bestehende Betriebsrat weder im Hinblick auf die außerordentliche noch die ordentliche Kündigung ordnungsgemäß angehört worden.
Die Klägerin hat in erster Instanz beantragt:
- Es wird festgestellt, dass die Kündigung der Beklagten vom 14.6.2004 rechtsunwirksam ist und das Arbeitsverhältnis weder fristlos noch zum 31.10.2004 beendet hat.
- Das Arbeitsverhältnis wird aufgelöst und die Beklagte zur Zahlung einer angemessenen Abfindung verurteilt, die in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, aber 5.500 EUR nicht unterschreiten sollte.
Die Beklagte hat beantragt,
den Klageantrag Ziffer 1. abzuweisen.
Hilfsweise, für den Fall, dass die Kündigung der Beklagten vom 14.6.2004 auch zum 31.10.2004 nicht wirksam sein sollte, hat sie beantragt,
das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin gegen Zahlung einer Abfindung aufzulösen, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, die aber 1787,90 EUR nicht überschreiten sollte.
Zur Begründung hat sie ausgeführt, die Klägerin habe mehrfach gegenüber pflegebedürftigen und hilflosen Personen ein nicht hinnehmbares menschenunwürdiges beleidigendes und gewalttätiges Verhalten gezeigt, das eine Weiterbeschäftigung unmöglich mache. Eine Abmahnung sei in Anbetracht des Gewichts der Vertragsverletzungen nicht erforderlich gewesen. Der Betriebsrat sei am 9. Juni 2004 mündlich über die beabsichtigte Kündigung informiert worden. Außerdem sei eine schriftliche Information durch Schreiben vom 9.6.2004 erfolgt.
Die Klägerin hat erstinstanzlich erwidert, der von der Beklagten benannte Bewohner S. sei aufgrund seiner Hirnschädigung strafrechtlich nicht beleidigungsfähig. Auch die weitere benannte Bewohnerin H. sei aufgrund ihrer geistigen Verfassung nicht beleidigungsfähig. Unabhängig davon hat die Klägerin die ihr zur Last gelegten Äußerungen bestritten.
Wegen des weiteren erstinstanzlichen Sach- und Rechtsvortrags wird auf die von den Parteien gewechselten Schriftsätze (‚Bl. 1 ff; 19 ff; 54 ff; 60 ff; 63 ff.) sowie die Sitzungsniederschriften vom 24.8.2004 (Bl. 33 f.); 25.1.2005 (Bl. 68 ff); 5.10.2005 (Bl. 88 ff) und 19...