Entscheidungsstichwort (Thema)
Wirksame Differenzierungsklausel zugunsten von Gewerkschaftsmitgliedern in Transfer- und Sozialtarifvertrag. Unbegründete Zahlungsklage des nichtorganisierten Arbeitnehmers auf erhöhte Abfindungszahlung
Leitsatz (amtlich)
1. Weist ein Ergänzungstransfer- und Sozialtarifvertrag zu einem (allgemeinen) Transfer- und Sozialtarifvertrag, der allein auf Arbeitnehmer anwendbar ist, die zum Zeitpunkt dessen Abschlusses bereits seit 12 Kalendertagen Mitglieder der tarifschließenden Gewerkschaft sind, den vom Tarifvertrag erfassten Arbeitnehmern höhere Ansprüche auf Abfindung und auf BeE-Entgelt zu, so haben Arbeitnehmer, die nicht unter den persönlichen Geltungsbereich dieses Tarifvertrages fallen, keine Ansprüche auf diese erhöhte Vergütung/Abfindung.
2. Es kann dahinstehen, ob diese tarifliche Differenzierungsklausel wirksam vereinbart wurde. Ist sie unwirksam, so steht den nicht unter den Tarifvertrag fallenden Beschäftigten bereits wegen der Unwirksamkeit der Klausel oder ggf. des gesamten Tarifvertrags kein dahingehender Anspruch zu.
3. Nicht unter den persönlichen Geltungsbereich des Tarifvertrages fallende Arbeitnehmer können im Falle der Unwirksamkeit dieser einfachen Differenzierungsklausel keine "Anpassung nach oben" verlangen.
4. Daneben haben die nicht unter den persönlichen Geltungsbereich des Tarifvertrags fallenden Arbeitnehmer keinen Anspruch auf die begehrte Differenzvergütung/-abfindung aus dem Gesichtspunkt des allgemeinen arbeitsrechtlichen oder des betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz des § 75 BetrVG.
Normenkette
BetrVG § 75 Abs. 1; TVG § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1, 3; ZPO § 256; BGB §§ 242, 611 Abs. 1; GG Art. 3 Abs. 1; ZPO § 256 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG München (Entscheidung vom 11.04.2013; Aktenzeichen 30 Ca 12695/12) |
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 11.04.2013 - 30 Ca 12695/12 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2. Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über Ansprüche des Klägers als ehemaligem Arbeitnehmer der Beklagten zu 1 und jetzigen Arbeitnehmers der Beklagten zu 2 als Transfergesellschaft auf Zahlung einer höheren Abfindung und höheres Transferentgelt sowie auch dessen nähere Berechnung im Zusammenhang mit den Regelungen von Sozialtarifverträgen.
Der Kläger war ab 1. Okt. 1982 bei der Beklagten zu 1, bzw. der Rechtsvorgängerinnen, als außertariflicher Mitarbeiter in A-Stadt bei einer Vergütung von zuletzt € 9.800,42 brutto beschäftigt.
Der Kläger hatte im Dezember 2009 auf den von ihm bis dahin genutzten Firmenwagen verzichtet. Im Gegenzug erhielt er einen jährlichen Betrag von € 9.000.- als "Car-Allowance", welche in der Abrechnung jedoch nicht als solche ausgewiesen, sondern dem Bruttogehalt wie folgt aufgeschlagen worden war: € 1.800.- wurde zur variablen Vergütung gerechnet, € 7.200.- wurden dem jährlichen Fixgehalt aufgeschlagen.
Im Januar 2012 beschloss die Beklagte zu 1 die Schließung ihres Betriebes in der ... Straße in A-Stadt. Im Zusammenhang mit einer grundlegenden betrieblichen bzw. Unternehmensumstrukturierung schlossen die Beklagte zu 1 und die IG Metall, Bezirksleitung ... unter dem Datum des 4. Apr. 2012 einen "Transfer- und Sozialtarifvertrag" (nachfolgend TS-TV; Anlage K 4, Bl. 32 ff. d. A.), durch den u.a. der Wechsel von der Entlassung bedrohten Beschäftigten der Beklagten zu 1 in die "Transfergesellschaft der ... AG" bzw. die hiesige Beklagte zu 2 - als betriebsorganisatorisch eigenständige Einheit (beE) gemäß § 216b SGB III - geregelt werden sollte. Im TS-TV sind u.a. Ansprüche der auf der Grundlage dreiseitiger Verträge in die Transfergesellschaft (Beklagte zu 2) wechselnden Arbeitnehmer auf Zahlung eines beE-Entgelts von 70 % ihres bisherigen Bruttomonatseinkommens - berechnet als 13,5-faches des bisherigen individuellen Bruttomonatsgehaltes dividiert durch 12, unter Anrechnung von Zahlungen der Agentur für Arbeit - und einer Abfindung von zwei bis zwölf Monatsgehältern (Letzteres für bereits vor dem 1. Apr. 2007 bei der Beklagten zu 1 bzw. deren Rechtsvorgängerin beschäftigte Arbeitnehmer), mit einem Abfindungshöchstbetrag von € 110.000.- (bzw. einer weiteren Einschränkung für Beschäftigte ab dem 63. Lebensjahr), vorgesehen.
Unter dem Datum 4. Apr. 2012 schlossen die Beklagte zu 1 und die IG Metall, Bezirksleitung Bayern, einen "Ergänzungstransfer- und Sozialtarifvertrag" (nachfolgend ETS-TV; Anlage K 5, Bl. 40 ff. d. A.), der "für alle Beschäftigten (gilt), die bis einschließlich 23.03.2012, 12:00 Uhr Mitglied der IG Metall geworden sind ...". Diesem Tarifvertrag zufolge ist in "Ergänzung zu den Mindestbedingungen der Transferarbeitsverhältnisse" vorgesehen, dass die hierunter fallenden Arbeitnehmer - Gewerkschaftsmitglieder - "ein BeEMonatsentgelt von monatlich 80 % ihres Bruttoeinkommens" erhalten sollten sowie "als weiteren Bestandteil der Abfindung nach § 7 des Transfer- und Soz...