Entscheidungsstichwort (Thema)
Differenzierungsklausel zugunsten von Gewerkschaftsmitgliedern in Transfer- und Sozialtarifvertrag. Unbegründete Zahlungsklage eines nichtorganisierten Arbeitnehmers auf erhöhte Entgelt- und Abfindungszahlungen
Leitsatz (amtlich)
1. Weist ein Ergänzungstransfer- und Sozialtarifvertrag zu einem (allgemeinen) Transfer- und Sozialtarifvertrag, der allein auf Arbeitnehmer anwendbar ist, die zum Zeitpunkt dessen Abschlusses bereits seit 12 Kalendertagen Mitglieder der tarifschließenden Gewerkschaft sind, den vom Tarifvertrag erfassten Arbeitnehmern höhere Ansprüche auf Abfindung und auf BeE-Entgelt zu, so haben Arbeitnehmer, die nicht unter den persönlichen Geltungsbereich dieses Tarifvertrages fallen, keine Ansprüche auf diese erhöhte Vergütung/Abfindung.
2. Es kann dahinstehen, ob diese tarifliche Differenzierungsklausel wirksam vereinbart wurde. Ist sie unwirksam, so steht den nicht unter den Tarifvertrag fallenden Beschäftigten bereits wegen der Unwirksamkeit der Klausel oder ggf. des gesamten Tarifvertrags kein dahingehender Anspruch zu.
3. Nicht unter den persönlichen Geltungsbereich des Tarifvertrages fallende Arbeitnehmer können im Falle der Unwirksamkeit dieser einfachen Differenzierungsklausel keine "Anpassung nach oben" verlangen.
4. Daneben haben die nicht unter den persönlichen Geltungsbereich des Tarifvertrags fallenden Arbeitnehmer keinen Anspruch auf die begehrte Differenzvergütung/-abfindung aus dem Gesichtspunkt des allgemeinen arbeitsrechtlichen oder des betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz des § 75 BetrVG.
Normenkette
BetrVG § 75 Abs. 1, §§ 111-112; TVG § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1, 3; ZPO § 256; GG Art. 3 Abs. 1; BGB §§ 242, 611 Abs. 1; ZPO § 256 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG München (Entscheidung vom 22.03.2013; Aktenzeichen 33 Ca 5277/12) |
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 22.03.2013 - 33 Ca 5277/12 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
II. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über Ansprüche des Klägers als ehemaligem Arbeitnehmer der Beklagten zu 1 und jetziger Arbeitnehmerin der Beklagten zu 2 als Transfergesellschaft auf Zahlung einer höheren Abfindung und höheres Transferentgelt - auch dessen nähere Berechnung - im Zusammenhang mit den Regelungen von Sozialtarifverträgen.
Der Kläger war seit mehr als 25 Jahren bei der Beklagten zu 1, bzw. der Rechtsvorgängerinnen, als außertariflicher Mitarbeiter im B-Stadt bei einer Vergütung von zuletzt € 6.962.- brutto beschäftigt.
Im Januar 2012 beschloss die Beklagte zu 1. die Schließung ihres Betriebes in der ...- Straße in B-Stadt. Im Zusammenhang mit einer grundlegenden betrieblichen bzw. Unternehmensumstrukturierung schlossen die Beklagte zu 1 und die IG Metall, Bezirksleitung ..., unter dem Datum des 4. Apr. 2012 einen "Transfer- und Sozialtarifvertrag" (nachfolgend TS-TV; Anlage K 2, Bl. 15 ff. d. A.), durch den u.a. der Wechsel von der Entlassung bedrohten Beschäftigten der Beklagten zu 1 in die "Transfergesellschaft der ... AG" bzw. die hiesige Beklagte zu 2 - als betriebsorganisatorisch eigenständige Einheit (beE) gemäß § 216b SGB III geregelt werden sollte. Im Transfer- und Sozialtarifvertrag vom 4. Apr. 2012 sind u.a. Ansprüche der auf der Grundlage dreiseitiger Verträge in die Transfergesellschaft (Beklagte zu 2) wechselnden Arbeitnehmer auf Zahlung eines beEEntgelts von 70 % ihres bisherigen Bruttomonatseinkommens - berechnet als 13,5-faches des bisherigen individuellen Bruttomonatsgehaltes dividiert durch 12, unter Anrechnung von Zahlungen der Agentur für Arbeit - und einer Abfindung von zwei bis zwölf Monatsgehältern (letzteres für bereits vor dem 1. Apr. 2007 bei der Beklagten zu 1 bzw. deren Rechtsvorgängerin beschäftigte Arbeitnehmer), mit einem Abfindungshöchstbetrag von 110.000,-- € (bzw. einer weiteren Einschränkung für Beschäftigte ab dem 63. Lebensjahr), vorgesehen.
Unter dem Datum 4. Apr. 2012 schlossen die Beklagte zu 1 und die IG Metall, Bezirksleitung ... einen zusätzlichen "Ergänzungstransfer- und Sozialtarifvertrag" (nachfolgend ETS-TV; Anlage K 3, Bl. 23 ff. d. A.), der "für alle Beschäftigten (gilt), die bis einschließlich 23.03.2012, 12:00 Uhr Mitglied der IG Metall geworden sind ...". Diesem Tarifvertrag zufolge ist in "Ergänzung zu den Mindestbedingungen der Transferarbeitsverhältnisse" vorgesehen, dass die hierunter fallenden Arbeitnehmer - Gewerkschaftsmitglieder - "ein BeE-Monatsentgelt von monatlich 80 % ihres Bruttoeinkommens" erhalten sollten sowie "als weiteren Bestandteil der Abfindung nach § 7 des Transfer- und Sozialtarifvertrages € 10.000,-- unabhängig vom Zeitpunkt ihres Unternehmenseintritts. Für diese Beschäftigten gilt ein Höchstbetrag von € 120.000,--".
Schließlich vereinbarte die Beklagte zu 1 mit dem Betriebsrat des Betriebes ...-Straße in B-Stadt unter dem 4. Apr. 2012 einen Interessenausgleich (vorgelegt in einem Parallelve...