Entscheidungsstichwort (Thema)
Wirksamkeit einer Differenzierungsklausel in einem Ergänzungstransfer- und Sozialtarifvertrag zu einem (allgemeinen) Transfer- und Sozialtarifvertrag
Leitsatz (amtlich)
1. Weist ein Ergänzungstransfer- und Sozialtarifvertrag zu einem (allgemeinen) Transfer- und Sozialtarifvertrag, der allein auf Arbeitnehmer anwendbar ist, die zum Zeitpunkt dessen Abschlusses bereits seit 12 Kalendertagen Mitglieder der tarifschließenden Gewerkschaft sind, den vom Tarifvertrag erfassten Arbeitnehmern höhere Ansprüche auf Abfindung und auf BeE-Entgelt zu, so haben Arbeitnehmer, die nicht unter den persönlichen Geltungsbereich dieses Tarifvertrages fallen, keine Ansprüche auf diese erhöhte Vergütung/Abfindung.
2. Es kann dahinstehen, ob diese tarifliche Differenzierungsklausel wirksam vereinbart wurde. Ist sie unwirksam, so steht den nicht unter den Tarifvertrag fallenden Beschäftigten bereits wegen der Unwirksamkeit der Klausel oder ggf. des gesamten Tarifvertrags kein dahingehender Anspruch zu.
3. Nicht unter den persönlichen Geltungsbereich des Tarifvertrages fallende Arbeitnehmer können im Falle der Unwirksamkeit dieser einfachen Differenzierungsklausel keine "Anpassung nach oben" verlangen.
4. Daneben haben die nicht unter den persönlichen Geltungsbereich des Tarifvertrags fallenden Arbeitnehmer keinen Anspruch auf die begehrte Differenzvergütung/-abfindung aus dem Gesichtspunkt des allgemeinen arbeitsrechtlichen oder des betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz des § 75 BetrVG.
Normenkette
BetrVG § 75 Abs. 1; TVG § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1, 3; TVG ZPO § 256
Verfahrensgang
ArbG München (Entscheidung vom 30.01.2014; Aktenzeichen 26 Ca 11113/12) |
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Arbeitsgericht München vom 30. Jan. 2014 - 26 Ca 11113/12 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
II. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über Ansprüche des Klägers als ehemaliger Arbeitnehmerin der Beklagten zu 2 und nachfolgenden Arbeitnehmers der Beklagten zu 1 als Transfergesellschaft auf Zahlung einer höheren Abfindung und höheres Transferentgelt - auch dessen nähere Berechnung - im Zusammenhang mit den Regelungen von Sozialtarifverträgen.
Der Kläger war ab 1. Mai 1999 bei der Beklagten zu 2, bzw. der Rechtsvorgängerinnen, in A-Stadt bei einer Vergütung von zuletzt € 6.962.- brutto beschäftigt. Er war bis 23. März 2012 kein Mitglied der IG-Metall, war aber nachträglich dieser Gewerkschaft beigetreten.
Im Januar 2012 beschloss die Beklagte zu 2 die Schließung ihres Betriebes in der ...Straße in A-Stadt. Im Zusammenhang mit einer grundlegenden betrieblichen bzw. Unternehmensumstrukturierung schlossen die Beklagte zu 2 und die IG Metall, Bezirksleitung ..., unter dem Datum des 4. Apr. 2012 einen "Transfer- und Sozialtarifvertrag" (nachfolgend TS-TV; Bl. 22 ff. d. A.), durch den u.a. der Wechsel von der Entlassung bedrohten Beschäftigten der Beklagten zu 1 in die "Transfergesellschaft der ... AG" bzw. die hiesige Beklagte zu 1 - als betriebsorganisatorisch eigenständige Einheit (beE) gemäß § 216b SGB III geregelt werden sollte. Im Transfer- und Sozialtarifvertrag vom 4. Apr. 2012 sind u.a. Ansprüche der auf der Grundlage dreiseitiger Verträge in die Transfergesellschaft (Beklagte zu 1) wechselnden Arbeitnehmer auf Zahlung eines beE-Entgelts von 70 % ihres bisherigen Bruttomonatseinkommens - berechnet als 13,5-faches des bisherigen individuellen Bruttomonatsgehaltes dividiert durch 12, unter Anrechnung von Zahlungen der Agentur für Arbeit - und einer Abfindung von zwei bis zwölf Monatsgehältern (letzteres für bereits vor dem 1. Apr. 2007 bei der Beklagten zu 2 bzw. deren Rechtsvorgängerin beschäftigte Arbeitnehmer), mit einem Abfindungshöchstbetrag von 110.000,-- € (bzw. einer weiteren Einschränkung für Beschäftigte ab dem 63. Lebensjahr), vorgesehen.
Unter dem Datum 4. Apr. 2012 schlossen die Beklagte zu 2 und die IG Metall, Bezirksleitung ... einen zusätzlichen "Ergänzungstransfer- und Sozialtarifvertrag" (nachfolgend ETS-TV; Bl. 30 ff. d. A.), der "für alle Beschäftigten (gilt), die bis einschließlich 23. März.2012, 12:00 Uhr Mitglied der IG Metall geworden sind ...". Diesem Tarifvertrag zufolge ist in "Ergänzung zu den Mindestbedingungen der Transferarbeitsverhältnisse" vorgesehen, dass die hierunter fallenden Arbeitnehmer - Gewerkschaftsmitglieder - "ein BeE-Monatsentgelt von monatlich 80 % ihres Bruttoeinkommens" erhalten sollten sowie "als weiteren Bestandteil der Abfindung nach § 7 des Transfer- und Sozialtarifvertrages € 10.000,-- unabhängig vom Zeitpunkt ihres Unternehmenseintritts. Für diese Beschäftigten gilt ein Höchstbetrag von € 120.000,--".
Schließlich vereinbarte die Beklagte zu 2 mit dem Betriebsrat des Betriebes ...Straße in A-Stadt unter dem 4. Apr. 2012 einen Interessenausgleich (Bl. 33 ff. d. A.), der u.a. die Gründung von vier neuen Unternehmen/Gesellschaften als Rechtsnachfolgerinn...