Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitsverhältnis einer Cutterin als nicht programmgestaltende Mitarbeiterin einer Rundfunkanstalt. Feststellungsklage zu Status und Anwartschaft auf betriebliche Altersversorgung bei technischer Mitwirkung am Programm
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Cutterin ist grundsätzlich nicht als programmgestaltende Mitarbeiterin einer Rundfunkanstalt anzusehen. Wenngleich die Tätigkeit eines Cutters auch künstlerische Elemente beinhaltet, wirken diese Personen nur technisch an der Verwirklichung eines Filmes mit.
2. Eine nicht programmgestaltende Cutterin ist - entgegen der vertraglichen Regelung - als Arbeitnehmerin anzusehen, wenn sie in fachlicher Hinsicht den Redakteuren bzw. Autoren gegenüber und auch in örtlicher Hinsicht wegen der erforderlichen Nutzung des technischen Apparats in den Räumen der Rundfunkanstalt sowie der Mitarbeit im Team weisungsgebunden ist und ihr in zeitlicher Hinsicht zwar eine gewisse Selbständigkeit daingehend zukommt, Aufträge auch ablehnen zu können, sie jedoch auf die Aufträge zur Bestreitung des Lebensunterhalts angewiesen ist und die Rundfunkanstalt von ihr auch erwartet, dass sie für angebotene Aufträge bereitsteht.
3. Scheinselbständige haben Anspruch auf betriebliche Altersversorgung nach einem im Unternehmen auf alle Arbeitnehmer angewandten Tarifvertrag für Altersversorgung . Eine darüber hinausgehende Differenzierung zwischen Arbeitnehmerin und als "Gagenempfänger" bezeichneten Scheinselbständigen, welche als Arbeitnehmer zu qualifizieren sind, ist nicht möglich.
Normenkette
BGB § 611 Abs. 1; ZPO § 256 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG München (Entscheidung vom 25.06.2012; Aktenzeichen 8 Ca 12227/11) |
Tenor
1. Die Berufung des Beklagten gegen das Teilurteil des Arbeitsgerichts München vom 25. Juni 2012 - 8 Ca 12227/11 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Qualifizierung des zwischen ihnen bestehenden Rechtsverhältnisses als Arbeitsverhältnis oder freies Mitarbeiterverhältnis und um betriebliche Altersversorgung.
Die Klägerin, geb. am 11. Nov. 1946, war zwischen September 1972 und April 1982 zuletzt als Cutterin beim Beklagten zuletzt in einem Anstellungsverhältnis beschäftigt (damaliger Arbeitsvertrag, Bl. 258 ff. d. A.). Das Arbeitsverhältnis endete durch Kündigung, da die Klägerin Mutter geworden war. Ab 12. Feb. 1985 wurde sie erneut für den Beklagten als Cutterin tätig, wobei allerdings kein schriftlicher (Arbeits)Vertrag geschlossen worden war. Die Klägerin wurde als "Gagenempfängerin" geführt.
Sie gehörte dem Produktionsbetrieb der Beklagten und darin der Postproduktion, Editing/Endfertigung an. Ihre Tätigkeit entsprach der Richtpostenbeschreibung des Beklagten für Filmcutter B und C vom 8. Juli 1976 (Anlage K 7, Bl. 305 ff. d. A.). Sie arbeitete in den Räumen des Beklagten und war auf eigenen Wunsch nicht beim Schnitt kurzer Beiträge, sondern nur solcher von 20 bis 45 Minuten Läge eingesetzt worden.
Ab 11. Nov. 2011 war die Klägerin mit Erreichen des 65. Lebensjahres in Ruhestand getreten.
Mit ihrer am 27. Okt. 2011 beim Arbeitsgericht München eingegangenen und dem Beklagten am 10. Nov. 2011 zugestellten Klage vom 27. Okt. 2011 macht die Klägerin das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses und - für den Fall ihres Obsiegens - Leistungen aus der Altersversorgung des Beklagten geltend.
Die Klägerin hat erstinstanzlich die Ansicht vertreten, sie sei tatsächlich Arbeitnehmerin.
Sie habe zumeist erst Donnerstag oder Freitag der Vorwoche erfahren, wie sie in der Folgewoche hatte arbeiten sollen. Sie sei wie die fest angestellten Cutter in den Dienstplänen des Beklagten aufgeführt worden und habe ihre Arbeitsleistung zu den vorgegebenen Zeiten erbracht. Die Dienstpläne habe der/die jeweils zuständige Personaldisponent/in einseitig vorgegeben. Sie habe von den Arbeitseinsätzen telefonisch oder durch Einsicht in den aushängenden Dienstplan Kenntnis genommen. Wegen der oft kurzfristigen Arbeitseinteilung sei eine ständige Einsatzbereitschaft von ihr erwartet worden. Im Rahmen ihrer Einsätze habe sie nicht nur Anweisung der Fachvorgesetzten, sondern auch inhaltliche Vorgaben der beim Beklagten beschäftigten Redakteure und Autoren erhalten und befolgen müssen.
Daneben hat sie die Ansicht vertreten, ihr stehe betriebliche Altersversorgung nach dem Tarifvertrag für die Altersversorgung im B. (TVA) zumindest aus dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung zu. Dieser komme gegenüber allen Arbeitnehmern, unabhängig von deren gewerkschaftlicher Organisation, zur Anwendung, weswegen auch alle Verträge entsprechende Bezugnahmeklauseln aufwiesen.
Die Klägerin hat erstinstanzlich - soweit hier von Interesse - zuletzt b e a n t r a g t,
I. festzustellen, dass zwischen den Parteien seit 12. Februar 1985001 ein Arbeitsverhältnis besteht.
II. für den Fall, dass das Arbeitsgericht das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses feststellt, Es wird festgestellt, dass die Beklagte der Klägerin bei Eintritt des Versorgungsfalles Leistungen...