Entscheidungsstichwort (Thema)
OT-Mitgliedschaft
Leitsatz (amtlich)
Ein Arbeitgeberverband kann in seiner Satzung eine Form der Mitgliedschaft vorsehen, die nicht zur Tarifbindung führt.
Auch wenn die Satzung einen Wechsel in eine OT-Mitgliedschaft ohne Einhaltung einer Frist zulässt, macht dies den Wechsel nicht unwirksam.
Normenkette
TVG § 3 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Augsburg (Urteil vom 29.08.2006; Aktenzeichen 5 Ca 609/03) |
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Augsburg vom 29. 8. 2006 – 5 Ca 609/03 – wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
2. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob dem Kläger Ansprüche aus einem ab 1.4.2002 gültigen Lohnabkommen zustehen.
Der Kläger ist seit 1.10.1978 als gewerblicher Arbeitnehmer bei der Beklagten, einem Unternehmen der Druckindustrie mit etwa 180 Arbeitnehmern, beschäftigt.
Die Beklagte war seit 1959 ordentliches Mitglied im Verband Druck und Medien Bayern e.V. (vdmb). Die Satzung dieses Verbandes enthält u.a. folgende Regelungen:
„§ 4 Erwerb der Mitgliedschaft
(1) Ordentliche Mitglieder des vdmb mit Tarifbindung sowie ordentliche Mitglieder des vdmb ohne Tarifbindung können nur natürliche und juristische Personen oder Personenvereinigungen werden, die Inhaber eines Betriebes der Druckindustrie und Medienbranche mit einer Niederlassung im Gebiet des Freistaates Bayern sind.
Der Verbandsbeitritt als ordentliches Mitglied erfolgt grundsätzlich als Mitgliedschaft mit Tarifbindung.
…
§ 5 Wechsel der Mitgliedschaftsformen
(1) Der Wechsel in eine Mitgliedschaft ohne Tarifbindung ist jederzeit auf schriftlichen Antrag durch Beschluss des Vorstandes möglich, wenn die Tarifbindung auch unter Berücksichtigung des gemeinsamen Verbandsinteresses an gleichen Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen in der Branche für das Mitglied unzumutbar ist.
…
§ 7 Allgemeine Mitgliederrechte und -pflichten
…
(2) Für Mitglieder ohne Tarifbindung gilt: Mitglieder ohne Tarifbindung verpflichten sich, bei Verhandlungen zu Haus- bzw. Firmentarifverträgen den vdmb zu informieren und hinzuziehen.
Der vdmb kann Mitglieder ohne Tarifbindung in Tarifangelegenheiten, insbesondere beim Abschluss von Firmentarifverträgen beraten, unterstützen und vertreten. Hierüber entscheidet der Vorstand durch Beschluss unter Berücksichtigung der tarifpolitischen Interessenlage des vdmb.
Ein satzungsmäßiger Auftrag zum Abschluss von Verbandstarifverträgen für Mitglieder ohne Tarifbindung besteht nicht. Die Verbandsmitgliedschaft bewirkt somit keine Tarifgebundenheit im Sinne von § 3 Absatz 1 Tarifvertragsgesetz.
…
§ 8 Verbandstreue
(1) Jedes Mitglied ist an satzungsgemäße Beschlüsse des Hauptvorstandes und des Sozialpolitischen Ausschusses des Bundesverbandes Druck und Medien e.V. sowie an Vereinbarungen gebunden, die der Bundesverband Druck und Medien e.V. im Rahmen seiner Tätigkeit nach § 3 (1) Nr. 1 seiner Satzung schließt, soweit sich aus einer Mitgliedschaft ohne Tarifbindung nichts Besonderes ergibt.
…”
Am 21.12.2001 hatte die Beklagte ihre Mitgliedschaft im vdmb gekündigt. Nach § 6 Abs. 2 der Satzung kann der Austritt nur zum Jahresschluss mit einer Kündigungsfrist von einem Jahr erklärt werden.
Am 29.5.2002 fand die abschließende Sitzung der Tarifvertragsparteien ver.di und des Bundesverbandes Druck und Medien e.V. statt, in der man sich über ein Lohnabkommen einigte. Im Protokoll über diese Sitzung heißt es:
I. „Die Tarifvertragsparteien schließen nachfolgendes Lohnabkommen ab.
Mit Wirkung vom 1. Mai 2002 wird der tarifliche Wochenlohn (Lohngruppe V 100 %) um 3,4 % erhöht. Die Ausbildungsvergütungen werden ab 1. April 2002 um denselben Prozentsatz erhöht. Für den Monat April 2002 wird für jeden vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmer eine Einmalzahlung in Höhe von 43 Euro geleistet, die mit der Juniabrechnung 2002 fällig wird. Teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer erhalten die Pauschalzahlung anteilig im Verhältnis ihrer vertraglichen zur tariflichen regelmäßigen Wochenarbeitszeit.
Dieses Lohnabkommen kann mit monatlicher Frist gekündigt werden, erstmals zum 31. März 2003.
II. Diese Vereinbarung wird wirksam, wenn sie bis Mittwoch, 19. Juni 2002 durch schriftliche Erklärung gegenüber der anderen Tarifvertragspartei angenommen wird. Sie gilt nicht für das Gebiet der Bundesländer Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg.”
Am 10.6.2002 stellte die Beklagte unter Hinweis auf ihre erheblich verschlechterte wirtschaftliche Situation einen schriftlichen Antrag beim vdmb auf Wechsel in die Mitgliedschaft ohne Tarifbindung. Mit Schreiben vom 18.6.2002 bestätigte das geschäftsführende Vorstandsmitglied des vdmb N. der Beklagten „für den Vorstand des Verbandes Druck und Medien Bayern e.V. den Wechsel der Mitgliedschaft in eine Mitgliedschaft ohne Tarifbindung mit sofortiger Wirkung.” Streitig ist, wann dieses Schreiben der Beklagten zuging. Der Kläger bestreitet die Behauptung der Beklagten, dies sei noch am 18.6.2002 geschehe...