Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitsentgelt für Betriebsratsmitglieder. Kriterien der Vergleichbarkeit anderer Arbeitnehmer mit Betriebsratsmitgliedern. Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen einer unzulässigen Benachteiligung

 

Leitsatz (amtlich)

Klage eines Betriebsratsmitglieds auf Vergütungserhöhung entsprechend der Mitarbeiter, die zum Zeitpunkt seines Amtsantritts mit ihm vergleichbar waren, nachdem er nach Amtsantritt einen Änderungsvertrag bezüglich einer geringerwertigen Tätigkeit (ohne Führungsverantwortung) unterschrieben hatte.

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Vorschrift des § 37 Abs. 4 BetrVG soll sicherstellen, dass Betriebsratsmitglieder weder in wirtschaftlicher noch in beruflicher Hinsicht gegenüber vergleichbaren Arbeitnehmern mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung Nachteile erleiden, und damit auch verhindern, dass das Arbeitseinkommen des Betriebsratsmitglieds durch die Inanspruchnahme durch das Betriebsratsamt beeinträchtigt wird.

2. Vergleichbar sind diejenigen Arbeitnehmer, die im Zeitpunkt der Amtsübernahme ähnliche, im wesentlichen gleich qualifizierte Tätigkeiten ausgeführt haben wie der Amtsträger, und die dafür in gleicher Weise wie dieser fachlich und persönlich qualifiziert waren.

3. Die Mitglieder des Betriebsrats dürfen nach § 38 Satz 2 BetrVG wegen ihrer Amtstätigkeit nicht benachteiligt oder begünstigt werden. Das Betriebsratsmitglied trägt für das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen einer unzulässigen Benachteiligung grundsätzlich die Darlegungs- und Beweislast. Sein Vortrag muss so substantiiert sein, dass das Gericht aufgrund der vorgetragenen Tatsachen zu der Überzeugung gelangen könnte, dass dem Betriebsratsmitglied ohne das Betriebsratsamt ein Vorteil, z.B. die Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit, zugute gekommen wäre.

 

Normenkette

BetrVG § 37 Abs. 4, § 78 S. 2, § 37 Abs. 1-2

 

Verfahrensgang

ArbG München (Entscheidung vom 10.12.2020; Aktenzeichen 22 Ca 10321/19)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 23.11.2022; Aktenzeichen 7 AZR 122/22)

 

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 10.12.2020, Az.: 22 Ca 10321/19, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

II. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über Entgeltansprüche des Klägers als Betriebsratsmitglied.

Der Kläger ist seit 15.06.1998 bei der Beklagten beschäftigt. Zunächst als Karosseriebauer im Betrieb E. eingestellt, wurde er mit Wirkung zum 01.01.2007 in den Betrieb der Beklagten in B-Stadt versetzt und gleichzeitig zum Teamleiter ernannt. Als solcher gehörte er der ersten Leitungsebene der betrieblichen Hierarchie an, bis die Parteien unter dem 26.10.2012 vereinbarten (in Anlage B1 zum Beklagtenschriftsatz vom 08.11.2019, Bl. 59 d.A.), dass er ab 01.11.2012 die Funktion als Teamleiter abgeben und als Techniker eingesetzt und ab diesem Zeitpunkt nach Entgeltgruppe V/1 vergütet werden sollte.

Mit Schreiben vom 12.03.2012 (in Anlage K7 zum klägerischen Schriftsatz vom 20.05.2020, Bl. 159 ff.d.A.) bewarb sich der Kläger auf eine (andere) Teamleiterstelle und mit solchen vom 13.07.2016 und 05.03.2018 (in Anlagen K8 und K9 zum klägerischen Schriftsatz vom 20.05.2020, Bl. 170 ff. bzw. 173 ff.d.A.) auf zwei Abteilungsleiterstellen.

Seit 2010 war der Kläger Mitglied des bei der Beklagten installierten Betriebsrats; seit 2014 ist er als solches freigestellt.

Auf das Arbeitsverhältnis des Klägers findet der bei der Beklagten geltende Mantel- und Entgelttarifvertrag für die Beschäftigten der IAV Ingenieurgesellschaft Auto und Verkehr (METV-IAV) - zuletzt in der Fassung vom 13.09.2018 - Anwendung. Dessen § 18 METVIAV enthält eine dreimonatige Ausschlussfrist.

In einer Unterredung und mehreren E-Mails - u.a. solchen vom 28.07.2014 und 20.08.2014 - sprach der Kläger die fehlende Einkommensentwicklung seiner Position an. Mit Schreiben vom 24.09.2014 mahnte die IG Metall eine Klärung an. Das Angebot der Beklagten vom 10.12.2014 über eine Erhöhung um € 100,00 lehnte der Kläger ab. Mit Schreiben vom 05.04.2019 machte die IG Metall schließlich gegenüber der Beklagten eine Anpassung an die durchschnittliche prozentuale Vergütungsentwicklung darin aufgeführter Vergleichspersonen von 2010 an geltend. In einem Schreiben vom 05.06.2019 wiederholte die Gewerkschaft ihre Forderung unter Fristsetzung.

Mit seiner Klage verfolgt der Kläger die Feststellung zur Anpassung seiner Vergütung und hat erstinstanzlich außerdem Zahlung ausstehender Gehälter für die Vergangenheit gefordert. Nach seiner Ansicht stehe ihm eine Vergütungserhöhung in Höhe der durchschnittlichen Vergütungsentwicklung der Teamleiter seit 2010 zu. Zum Zeitpunkt der Übernahme des Betriebsratsamtes sei er in der Teamleitung beschäftigt gewesen, sodass neun Teamleiter zum Zeitpunkt 2010 die zutreffende Vergleichsgruppe bilden würden. Insofern sei auf den Zeitpunkt der Amtsübernahme abzustellen. Im Wesentlichen seien die aufgeführten Arbeitnehmer fachlich und persönlich gleich qualifiziert, wobei es auf die berufliche ...

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