Entscheidungsstichwort (Thema)
Überraschungsklausel. Allgemeine Geschäftsbedingungen, überraschende Klausel. mehrdeutige Klausel. Übernahme eines Auszubildenden in ein Arbeitsverhältnis
Leitsatz (amtlich)
1. Es stellt eine überraschende Klausel im Sinne von § 305 c Abs.1 BGB dar, wenn in einem Arbeitsvertrag, der in die Form eines Briefs des Arbeitgebers an den Arbeitnehmer gekleidet ist und die Unterschrift beider Vertragsparteien enthält, nach einer fett gedruckten Betreffzeile mit dem Wortlaut „Ihre Übernahme in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis” im zweiten Absatz des Schreibens im dritten Satz – nach Festlegung einer Probezeit von sechs Monaten und einer Kündigungsmöglichkeit „des Probearbeitsverhältnisses” mit einer Frist von einem Monat zum Monatsende – die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Ablauf der Probezeit (vorbehaltlich einer Verlängerungsvereinbarung spätestens 14 Tage vor Fristablauf) geregelt ist, und wenn diese Klausel nicht durch Fettdruck oder sonstige drucktechnische Gestaltung hervorgehoben ist.
2. Der Überraschungseffekt kann sich auch aus dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrags ergeben (im Anschluss an BAG 27.07.2005, Az 7 AZR 443/04, BAG 23.02.2005, Az 4 AZR 139/04, BAG 06.08. 2003, Az 7 AZR 9/03).
3. Zum Erscheinungsbild des Vertrags im Sinne des Schutzes vor überraschenden Klauseln gehören bei einem in Briefform gekleideten Arbeitsvertrag nicht nur die Bestimmungen über den reinen Vertragsinhalt, d. h. die Regelung der wechselseitigen Rechte und Pflichten bzw. der Vertragsbedingungen, sondern auch die unter der Kopfzeile des Arbeitgebers und dem Adressfeld sowie über der persönlichen Anrede stehende Betreffzeile.
Normenkette
BGB §§ 305, 305c
Verfahrensgang
ArbG München (Urteil vom 20.07.2005; Aktenzeichen 9 Ga 133/05) |
Tenor
Die Berufung des Verfügungsklägers gegen dasEndurteil desArbeitsgerichts München vom20.07.2005 – 9 Ga 133/05 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Tatbestand
Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung des Verfügungsklägers ist unbegründet.
Es kann dahinstehen, ob der vom Verfügungskläger geltend gemachte Verfügungsanspruch – Anspruch auf vertragsgemäße Beschäftigung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist – besteht. Denn es fehlt jedenfalls an einem Verfügungsgrund im Sinne von § 940 ZPO für die hier vorliegende Leistungs- oder Befriedigungsverfügung (dazu z.B. Stein/Jonas/Grunsky, ZPO, 22. Aufl., Rdn. 31a vor § 935; Zöller/Vollkommer, ZPO, 25. Aufl., § 940 Rdn. 6).
Die Vereitelung der Durchsetzung des Verfügungsanspruchs – hier: Anspruch auf vertragsgemäße Beschäftigung – durch Zeitablauf reicht entgegen der Auffassung des Verfügungsklägers für die Bejahung eines Verfügungsgrundes bei der Leistungsverfügung nicht aus, zumal gerade bei der Leistungsverfügung ein besonders strenger Maßstab an die Prüfung des Verfügungsgrundes anzulegen ist. Vielmehr muss in Fällen der vorliegenden Art, in denen die Vereitelung des Verfügungsanspruchs droht, der Rechtsverlust zu wesentlichen Nachteilen im Sinne von § 940 ZPO führen. Das bloße Überwiegen des Interesses des Arbeitnehmers an einer Beschäftigung gegenüber dem Interesse des Arbeitgebers an einer Nichtbeschäftigung reicht hierfür nicht aus.
Die Kammer folgt nicht der Auffassung, dass die Anforderungen an den Verfügungsgrund bei der Beschäftigungsverfügung in einem proportionalen Verhältnis zur Offenkundigkeit der Verletzung des vertraglichen Beschäftigungsanspruchs des Arbeitnehmers zu sehen sind mit der Folge, dass allein die offensichtliche Rechtswidrigkeit der Maßnahme des Arbeitgebers den Erlass der Einstweiligen Verfügung rechtfertigen könne. Abgesehen davon, dass hier das Bestehen eines Verfügungsanspruchs alles andere als offensichtlich ist, muss zu den wesentlichen Nachteilen, die der Nichterlass der beantragten Einstweiligen Verfügung mit sich brächte, deutlich mehr vorgetragen werden als der Hinweis darauf, dass wegen Rechtswidrigkeit der Arbeitgebermaßnahme der Verfügungsanspruch besteht und dieser bei Nichterlass der Einstweiligen Verfügung vereitelt würde.
Somit reicht auch im vorliegenden Falle der geltend gemachte Rechtsverlust, der darin besteht, dass der Verfügungskläger für die Dauer der Kündigungsfrist unter Fortzahlung der Vergütung von der Arbeitspflicht freigestellt ist, für sich genommen für die Annahme eines ihm nicht zuzumutenden, wesentlichen Nachteils noch nicht aus (ebenso LAG München vom 24.04.2003 – 10 Sa 301/03 mit weiteren Rechtssprechungsnachweisen; LAG München 07.08.2003 – 3 Sa 655/03; LAG München vom 10.03.2005 – 3 Sa 1257/04).
Auch der Gesichtspunkt der Justizgewährung (vgl. LAG München, NZA 1994, 997; LAG München vom 19.09.2004 – 2 Sa 490/02) führt nicht zu einer anderen Beurteilung. Es ist ein im Rechtsleben immer wieder vorkommender Vorgang, dass bestehende Ansprüche durch Zeitablauf – z.B. bei längerer Verfahrensdauer aufgrund einer Überlastung der Gerichte oder wegen eines geschickten prozessualen Taktierens des Anspruc...