Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebliche Übung. Änderung vertraglicher Ansprüche durch betriebliche Übung

 

Leitsatz (amtlich)

Die Grundsätze der Rechtsprechung des 10. Senats des BAG zur Änderung eines durch betriebliche Übung entstandenen Anspruchs im Wege der sog. „negativen” betrieblichen Übung können auf Ansprüche, die nicht erst durch betriebliche Übung, sondern arbeitsvertraglich unmittelbar (hier: durch Verweis auf die Geltung der einschlägigen tarifvertraglichen Bestimmungen) entstanden waren, nur bei Vorliegen weitergehender Umstände übertragen werden – in diesem Fall kann bloßes, auch längerfristiges, Schweigen des Arbeitnehmers auf eine spätere Einschränkung/ Beseitigung vertraglich begründeter Ansprüche nur dann als rechtsgeschäftliches Angebot, als Einverständnis des Arbeitnehmers hiermit gewertet (§ 151 BGB) und von einem entsprechenden Vertrauensschutz des Arbeitgebers ausgegangen werden, wenn etwa auf Grund der Stellung des Arbeitnehmers oder sonstiger zusätzlicher Gegebenheiten mit einem ausdrücklichen Widerspruch bei fehlendem Einverständnis mit der Vertragsänderung gerechnet werden könnte.

Das Bundesarbeitsgericht hat mit Urteil vom 24.11.2004 – Az.: 10 AZR 202/04 – die gegen dieses Urteil eingelegte Revision zurückgewiesen.

 

Normenkette

BGB § 151

 

Verfahrensgang

ArbG Augsburg (Urteil vom 18.06.2003; Aktenzeichen 2 Ca 289/03 N)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 24.11.2004; Aktenzeichen 10 AZR 202/04)

 

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen dasEndurteil desArbeitsgerichts Augsburg vom18. Juni 2003 – 2 Ca 289/03 N – wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

II. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger macht gegenüber der beklagten Arbeitgeberin einen Anspruch auf Jahressonderzahlung für das Jahr 2002 geltend.

Der am 04.05.1968 geborene Kläger ist seit 01.10.1986 bei der Beklagten als Schreiner beschäftigt. Seine Vergütung betrug im Jahr 2002 durchschnittlich ca. 2.180,00 Euro brutto/Monat. Der Arbeitsvertrag der Parteien vom 20.10.1986 (etwa Bl. 10/11 d.A.) bestimmt u.a.:

„…

§ 2 Entlohnung

3. Die Zahlung tariflicher Sonderzahlungen sowie sonstiger gesetzlicher und freiwilliger Leistungen ist durch entsprechende Gesetze oder Betriebsvereinbarungen geregelt.

§ 6 Sonstiges

2. Im Übrigen gelten für das Arbeitsverhältnis die ergänzenden Vorschriften der einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen des jeweils gütlichen Tarifvertrages der Bayerischen Holz- und Kunststoffverarbeitenden Industrie sowie die speziellen Betriebsvereinbarungen.

3. Vertragsänderungen können nur schriftlich erfolgen.

…”.

Die Beklagte, die zum Zeitpunkt des Abschlusses des Arbeitsvertrages tarifgebunden war, trat zum 31.12.1990 aus dem Arbeitgeberverband aus. Der Kläger gehörte zu keinem Zeitpunkt einer Gewerkschaft an. Seit etwa 1999 zahlte die Beklagte die jährliche Sonderzahlung nicht mehr, wie zuvor, in Höhe von 70 % eines Bruttomonatseinkommens gemäß der einschlägigen tarifvertraglichen Bestimmungen, sondern in unterschiedlicher Höhe.

Mit der vorliegenden Klage macht der Kläger die Sonderzahlung für das Jahr 2002 nach den Regelungen des Tarifvertrages für die Bayerische Holzindustrie und Kunststoffverarbeitung in der streitgegenständlichen Höhe geltend, die er vorgerichtlich mit Schreiben vom 18.12.2002 (Bl. 8 d.A.) schriftlich angemahnt hatte, woraufhin die Beklagte mit Schreiben vom 20.01.2003 (Bl. 9 d.A.) die Zahlung unter Verweis auf ihre wirtschaftliche Lage sowie auf ihre fehlende Tarifbindung und einen in den vorangegangenen Jahren stets erfolgten Hinweis auf die Freiwilligkeit der Sonderzahlung ablehnte.

Wegen des unstreitigen Sachverhalts im Übrigen und des streitigen Vorbringens sowie der Anträge der Parteien im Ersten Rechtszug wird auf den ausführlichen Tatbestand des angefochtenen Endurteils des Arbeitsgerichtes Augsburg vom 18.06.2003 Bezug genommen (§ 69 Abs. 2 ArbGG), mit dem dieses der Klage in vollem Umfang mit der Begründung stattgegeben hat, dass die vertragliche Vereinbarung der Parteien in § 6 Ziff. 2. des Arbeitsvertrages eine sogenannte Gleichstellungsabrede im Sinne der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes darstelle, deren Folge es sei, dass der Arbeitnehmer unabhängig von seiner Tarifgebundenheit an der Tarifentwicklung des in Bezug genommenen Tarifvertrages teilnehme, als wenn er tarifgebunden wäre. Da der Tarifvertrag über die Jahressonderzahlung nicht gekündigt worden sei, gelte dieser nach § 3 Abs. 3 TVG weiter. Dieser Tarifvertrag habe weder durch zwischenzeitliche Änderungen des, im Tarifvertrag über die Jahressonderzahlungen in Bezug genommenen, Manteltarifvertrages noch etwa in Folge einer abweichenden, vertragsändernden, betrieblichen Übung geendet. Die Beklagte habe, als Voraussetzung einer den bisherigen Zustand verschlechternden betrieblichen Übung, nicht darauf vertrauen können, dass die Belegschaft und damit auch der Kläger mit der Änderung hinsichtlich der Jahressonderzahlung einverstanden gewesen seien, wie sich aus den vom Kläger vorgelegten Schreiben des Betriebsrates ergebe, ...

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