Entscheidungsstichwort (Thema)
Anhörungspflichten bei der Stellenbesetzung durch eine Landtagsfraktion. Unbegründete Entschädigungsklage eines schwerbehinderten Stellenbewerbers bei unzureichenden Darlegungen zum Bestand einer Schwerbehindertenvertretung oder sonstigen Vertretung der Beschäftigten
Leitsatz (amtlich)
Eine Fraktion ist kein öffentlicher Arbeitgeber i.S.v § 71 Abs. 3 SGB IX (a.F.) und nicht verpflichtet einen schwerbehinderten Bewerber zum Vorstellungsgespräch einzuladen.
Die Pflicht zur Anhörung und Unterrichtung des Bewerbers gemäß § 81 Abs. 1 Sätze 8 und 9 SGB IX a.F. besteht nur bei Existenz von Gremien gemäß § 81 Abs. 1 Satz 4.
Normenkette
AGG § 22; SGB IX a.F. §§ 81-82, 71; AGG § 3 Abs. 1 S. 1, § 7 Abs. 1, § 15 Abs. 2; SGB IX § 71 Abs. 3, § 81 Abs. 1 Sätze 4, 8-9, § 82 S. 2
Verfahrensgang
ArbG München (Entscheidung vom 21.09.2017; Aktenzeichen 32 Ca 308/17) |
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts München vom 21.09.2017, 32 Ca 308/17, wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten der Berufung.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt eine Verurteilung der Beklagten zur Zahlung einer Entschädigung wegen zweier von ihm gesehener Verstöße gegen das Benachteiligungsverbot.
Die Beklagte ist eine Fraktion des Bayerischen Landtages.
Im November 2016 stellte sie in ein Stellenportal zwei Stellenangebote ein. Mit dem einen (Anlage K1, Bl. 18 bis 20 d. A.) suchte sie eine/n wissenschaftliche/n Mitarbeiter/in für die Fachgebiete: kommunale Fragen, innere Sicherheit und Baurecht. Mit der anderen (Anlage K26, Bl. 76 bis 78 d. A.) suchte sie eine/n wissenschaftliche/n Mitarbeiter (m/w) für die Fachgebiete: schulische und berufliche Bildung sowie Sport. Die Beklagte erfüllt die durch § 71 Abs. 1 SBG IX vorgegebene Quote nicht, sondern leistet Ausgleichszahlung gemäß § 77 SGB IX.
Der Kläger bewarb sich mit zwei Schreiben vom 13.11.2016 (Anlage K2, Bl. 21 d. A. und Anlage K27, Bl. 79 d. A.). Jeweils im letzten Satz des Bewerbungsschreibens führte er aus, er habe einen Grad der Behinderung von 50 und einen entsprechenden Schwerbehindertenausweis.
Mit Mail vom 28.11.2016 (Anlage K30, Bl. 82 d. A.) und weiterer Mail vom 28.11.2016 (Anlage K32, Bl. 84 d. A.) teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sie sich hinsichtlich der Stelle eines wissenschaftlichen Mitarbeiters für das Fachgebiet "kommunale Fragen..." für einen anderen Bewerber entschieden habe. Mit Mail vom 19.12.2016 (Anlage K37, Bl. 91 d. A.) teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sie sich hinsichtlich der Stelle eines wissenschaftlichen Mitarbeiters (m/w) für die Bereiche Bildung und Sport für einen anderen Bewerber entschieden habe.
Mit an die Beklagte gerichtetem Schreiben vom 20.12.2016 (Anlage K 42, Bl. 98 bis 99 d. A.) machte der Kläger "einen Schadensersatzanspruch nach § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG wegen Diskriminierung als Schwerbehinderter" geltend. Er legte ein durchschnittliches Monatsgehalt von 3.663,91 € zugrunde. Da es sich um zwei Bewerbungen handele, seien sechs Monatsgehälter zugrunde zu legen. Er fordere die Überweisung des Schadensersatzes in Höhe von 21.983,46 €.
Mit seiner am 10.01.2017 beim Arbeitsgericht München eingereichten Klage verlangte der Kläger den nämlichen Betrag als Mindestentschädigungsbetrag.
Der Kläger trug vor, er bestreite, dass die Beklagte die Schwerbehindertenvertretung und den Personalrat über die Bewerbung des Klägers unterrichtet habe, § 81 Abs. 1 Satz 4 SGB IX. Sofern eine Unterrichtung stattgefunden habe, bestreite er, dass die Schwerbehindertenvertretung und der Personalrat der Nichteinladung zu einem Vorstellungsgespräch zugestimmt hätten. Weiter habe die Beklagte den Kläger vor der Absage nicht unterrichtet und angehört. Die Gründe für die Absage habe die Beklagte zudem in ihrem Absageschreiben nicht dargelegt.
Der Kläger bestreite, dass die Beklagte die Schwerbehindertenvertretung bei der Prüfung nach § 81 Abs. 1 Sätze 1 und 6 SGB IX, ob der Arbeitsplatz für Schwerbehinderte geeignet sei, beteiligt habe und dass die Beklagte die eingehende Bewerbung des Klägers an die Schwerbehindertenvertretung weitergeleitet habe.
Der Kläger bestreite darüber hinaus, dass die Beklagte die Agentur für Arbeit nach § 81 Abs. 1 Satz 1 und § 82 Satz 1 SGB IX eingeschaltet habe.
Weiter trug der Kläger vor, alle Bundestagsfraktionen hätten eine Personalvertretung der Mitarbeiter errichtet, bei den Landtagsfraktionen des Bayerischen Landtages sei dieses dem Kläger nicht bekannt (Schriftsatz vom 31.01.2017, Seite 26, Bl. 128 d. A.). Der Kläger behauptete sodann, dass die Beklagte "eine Personalvertretung" habe (selber Schriftsatz Seite 29, Bl. 131 d. A.) bzw. bestreite, dass die Beklagte "keinen Personalrat und keinen Betriebsrat und keine Schwerbehindertenvertretung vorhält" (Schriftsatz vom 18.05.2017, Seite 3, Bl. 197 d. A.).
Dass der Kläger von der Beklagten als Schwerbehinderter trotz der Verpflichtung aus § 82 Satz...