Entscheidungsstichwort (Thema)
Vergütungsdifferenzen bei dynamischer Fortgeltung des Tarifrechts des öffentlichen Dienstes. Zahlungsklage einer Krankenschwester bei Wahlrecht im Rahmen eines drittbegünstigenden Personalüberleitungsvertrages
Leitsatz (amtlich)
1. Es wird angenommen, dass die dynamische Anwendung der Tarifverträge des öffentlichen Dienstes Inhalt des Arbeitsvertrages der Parteien geworden ist.
2. Ein zwischen dem früheren kommunalen Krankenhausträger und der Betriebserwerberin abgeschlossener Personalüberleitungsvertrag ist ein wirksamer Vertrag zu Gunsten Dritter, wenn er den Mitarbeitern ein Wahlrecht gibt, ob ein Tarifwerk angewendet wird oder nicht.
Normenkette
BGB §§ 133, 157, 328 Abs. 1; GG Art. 9 Abs. 3 S. 1; BGB §§ 138, 242, 313, 611 Abs. 1, § 613 a Abs. 1, § 624 S. 1; TVöD § 37 Abs. 1; ZPO § 256 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG München (Entscheidung vom 08.08.2012; Aktenzeichen 2 Ca 4384/11) |
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 08.08.2012 - 2 Ca 4384/11 - wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
2. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um Vergütungsdifferenzen, welche sich nur bei einer dynamischen Fortgeltung des Tarifrechts des öffentlichen Dienstes ergeben.
Die Beklagte gehört zu einem bekannten Klinikkonzern. Mit Wirkung zum 01.01.2002 übernahm sie von der Stadt B. T. das Städtische Krankenhaus, welches zuvor als kommunaler Eigenbetrieb geführt wurde.
Die am 08.10.1952 geborene Klägerin ist auf der Grundlage eines Arbeitsvertrages vom 08.12.1999 (Anlage K1 = Bl. 7 d. A.), abgeschlossen mit der Stadt B. T. als Rechtsvorgängerin der Beklagten, im vormals Städtischen Krankenhaus B. T. als Krankenschwester beschäftigt. In § 2 dieses Arbeitsvertrages ist bestimmt:
§ 2
Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich nach dem Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) vom 23.02.1961 - einschließlich der einschlägigen Sonderregelungen - sowie den den BAT ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) jeweils geltenden Fassung. Außerdem finden die im Bereich des Arbeitgebers jeweils geltenden sonstigen einschlägigen Tarifverträge Anwendung.
Im Zusammenhang mit der Übernahme des Städtischen Krankenhauses B. T. schlossen die Stadt B. T. und die Beklagte am 12.11.2001 einen Personalüberleitungsvertrag (Anlage K2 = Bl. 8-15 d. A.). In diesem ist unter anderem geregelt:
"Präambel
Allgemeine Bestimmungen/Gegenstand der Vereinbarung
2. ...
Dieser Vertrag regelt in Ergänzung und Konkretisierung des § 613 a BGB die arbeitsrechtlichen Fragen des Übergangs der Beschäftigten des Städt. Krankenhaus B. T. unter Einschluss der Berufsfachschule im Rahmen der Maßnahmen nach Satz 1.
3. Soweit dieser Vertrag Ansprüche Dritter (insbesondere der Beschäftigten, des Personalrats, des künftigen Betriebsrats) regelt, sind sich die Vertragsparteien darüber einig, dass der begünstigte Dritte hierdurch unwiderruflich selbst das Recht eingeräumt bekommt, von der jeweils ihm gegenüber verpflichteten Vertragspartei unmittelbar Erfüllung verlangen zu können.
...
Teil 1
Angestellte, Arbeiter und Auszubildende
§ 1
Übergang der Arbeitsverhältnisse
...
(3) A. sichert zu, dass sich die Arbeits- bzw. Ausbildungsverhältnisse der Arbeitnehmer weiterhin aus dem Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) vom 23. Februar 1961 - einschließlich der einschlägigen Sonderregelungen - sowie den, den BAT ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) jeweils geltenden Fassung und dem Bundesmanteltarifvertrag für Arbeiter gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe (BMT-G II) und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in ihrer jeweils geltenden Fassung ergeben, sowie den Tarifvertrag zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Schülerinnen/Schüler, die nach Maßgabe des Krankenpflegegesetzes ausgebildet werden, anzuwenden.
(4) Die Verpflichtungen enden erst, wenn ein anderes Tarifmodell entsprechend den Voraussetzungen gemäß § 1 Abs. 11 dieses Personalüberleitungsvertrages vereinbart wird.
(5) Die tarifliche Bindung aus den Absätzen 1, 2 und 3 gilt auch für die nach dem Übernahmestichtag einzustellenden Arbeitnehmer.
...
(11) Die bestehende Tarifbindung aus § 1 Abs. 3 kann frühestens ab dem 01.01.2007 und dann erst nach einer Beendigung der Mitgliedschaft im kommunalen Arbeitgeberverband Bayern (KAV) beendet werden, wenn mehr als 50 % der zum geplanten Beendigungszeitpunkt beschäftigten Angestellten und Arbeiter für die Ablösung stimmen und in Bezug auf die Einführung eines neuen Tarifs ein den dann geltenden gesetzlichen Bestimmungen entsprechendes Verfahren zur Ablösung des Tarifs eingehalten wird.
Eine Ablösung kann bereits ab dem 1.1.2005 erfolgen, wenn unter sonst gleichen Voraussetzungen des § 1 Abs. 11, 1. Unterabsatz 1, mindestens 66 % der zum geplanten Beendigungszeitpunkt beschäftigten Angestellten und Arbeiter f...