Entscheidungsstichwort (Thema)
Personalüberleitungsvertrag. dynamische Anwendung von Tarifverträge. ordentlich Kündigung. Sittenwidrigkeit eines Kündigungsausschluss. Auslegung von Bestimmungen in einem im Zusammenhang mit der Übernahme eines öffentlichen Krankenhauses durch einen Privatklinikträger von diesem mit dem alten Arbeitgeber abgeschlossenen Personalüberleitungsvertrag. normierte Pflicht des übernehmenden Arbeitgebers zur weiteren dynamischen Anwendung des Tarifrechts des öffentlichen Dienstes. Dynamische Anwendung von Tarifverträgen des öffentlichen Dienstes aufgrund konkludenter Vereinbarung in Personalüberleitungsvertrag. Feststellungsklage einer Krankenschwester nach Übernahme des Krankenhauses durch Privatunternehmen
Leitsatz (redaktionell)
1. Durch einen Vertrag, an dem die Arbeitnehmerin nicht beteiligt ist (wie etwa einem Personalüberleitungsvertrag), kann eine dynamische Anwendbarkeit eines Tarifvertrages oder eines Tarifwerks unmittelbar im Arbeitsvertrag ohne ihre Zustimmung nicht begründet werden; das gilt sowohl für den Fall der erstmaligen Vereinbarung einer Bezugnahme als auch bei der Sicherung einer bisher geltenden dynamischen Bezugnahme, da Tarifverträge neben Rechten auch Pflichten (Belastungen) der Arbeitnehmerin begründen und zu Lasten der Arbeitnehmerin geändert werden können, weshalb durch einen solchen Vertrag die Möglichkeit einer Verschlechterung der Arbeitsbedingungen eröffnet würde, die arbeitsvertraglich sonst nur im Wege einer Änderungsvereinbarung oder wirksamen Änderungskündigung erreicht werden könnte.
2. Die Arbeitnehmerin hat jedoch einen Anspruch auf die Anwendung des Tarifrechts des öffentlichen Dienstes, wenn ein Personalüberleitungsvertrag selbst mehrfach die dezidierte Zusicherung der Arbeitgeberin enthält, aufgrund der die übernommenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer einen schuldrechtlichen Anspruch zur Vereinbarung einer unbedingten zeitdynamischen, unbefristeten, Inbezugnahme (individualrechtlichen Implementierung/Geltung) des Tarifrechts des öffentlichen Dienstes (BAT sowie den diesen zum 01.10.2005 ablösenden TVöD) erwerben und dies als konkludente vertragliche Vereinbarung der Parteien auf der Grundlage eines Vertrage zugunsten Dritter zu bewerten ist.
3. Eine durch einen Personalüberleitungsvertrag schuldrechtlich begründete bloße Option (Wahlrecht) der Arbeitnehmerin zur Entscheidung über die Vereinbarung einer weiteren zeitdynamischen Tarifanwendung, begründet keine unmittelbare Verpflichtung oder Belastung der Arbeitnehmerin im Sinne des § 328 Abs. 1 BGB und ist deshalb grundsätzlich wirksam; in diesem Fall geht es nämlich unmittelbar nicht um die (erstmalige) Unterwerfung der Arbeitnehmerin unter die Bedingungen eines Tarifvertrages/Tarifwerks durch einen Vertrag, an dem sie nicht beteiligt ist, sondern um die Sicherung der bisher bereits geltenden dynamischen Anwendbarkeit der Tarifverträge trotz des Betriebsübergangs (oder auch eines etwaigen späteren Verbandsaustritts der Arbeitgeberin und damit einer Aufgabe ihrer unmittelbaren Tarifbindung), der sonst zu einer nur statischen Anwendbarkeit dieser Tarifverträge führen könnte.
4. Die ausdrücklich Bestimmung, dass, "soweit dieser Vertrag Ansprüche Dritter (insbesondere der Beschäftigten ...) regelt, ... sich die Vertragsparteien darüber einig (sind), dass der begünstigte Dritte hierdurch unwiderruflich selbst das Recht eingeräumt bekommt, von der jeweils ihm gegenüber verpflichteten Vertragspartei unmittelbar Erfüllung verlangen zu können", normiert unzweideutig, dass den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern durch diesen Personalüberleitungsvertrag ("unwiderrufliche") eigene Recht eingeräumt werden, von der Arbeitgeberin als Partei dieses Vertrages die Einhaltung dessen Bestimmungen, also der dort essentiell festgelegten zeitdynamischen Inbezugnahme der einschlägigen tarifvertraglichen Regelungen, und damit deren schuldrechtliche (arbeitsvertragliche) Vereinbarung verlangen zu können.
5. Verwenden die Parteien eines Personalüberleitungsvertrages mehrfach die "klassische" Diktion für die übliche dynamische vertragliche Tarifbezugnahme, in dem auf die genannten Tarifverträge "in ihrer jeweils geltenden Fassung" Bezug genommen wird, enthält diese Wortwahl die Gewährleistung der dynamischen Einbeziehung der in Bezug genommenen Tarifregelungen.
6. Der Ausschluss einer ordentlichen Kündigung des Personalüberleitungsvertrages ist nicht gemäß §§ 138, 242 BGB sittenwidrig, wenn weder hinreichend substantiiert vorgetragen noch irgendwie erkennbar ist, dass dadurch in unvertretbarer Weise die "wirtschaftliche Bewegungsfreiheit und Selbstständigkeit eingeschränkt" und ein "massiver Wettbewerbsnachteil" zu Lasten der Übernehmerin gegeben ist, da Krankenhäuser in öffentlicher Trägerschaft oder als formal privatisierte Einrichtungen in Trägerschaft etwa einer (g)GmbH oder auch sonstige private Kliniken, die im bayerischen Krankenhausbedarfsplan enthalten sind und die öffentliche Gesundheitsvorsorge sicherstellen, zu...