Entscheidungsstichwort (Thema)
Beschäftigungsanspruch. Inhalt
Leitsatz (amtlich)
1. Ein Vertriebsmitarbeiter, dessen Tätigkeit im Arbeitsvertrag als diejenige eines Senior Vertriebsbeauftragten beschrieben ist, hat keinen Anspruch auf Zuweisung eines bestimmten Vertriebsgebiets „territory”), bestimmter zu betreuender Kunden oder eines bestimmten zu vertreibenden Produktsegments.
2. Soweit sich eine vom Arbeitgeber im Wege der Ausübung des Direktionsrechts vorgenommene Gebietsänderung als unwirksam erweist, hat der Arbeitnehmer Anspruch auf eine den gesetzlichen Vorgaben entsprechende Ausübung des Direktionsrechts im Rahmen seines arbeitsvertraglichen Beschäftigungsanspruchs, jedoch nicht einen arbeitsvertraglichen Anspruch darauf, dass ihm sein bisheriges Gebiet bzw. seine bisherigen Aufgaben belassen werden.
3. Im Falle einer nicht den Anforderungen des § 106 GewO entsprechenden Direktionsrechtsausübung hat der Arbeitnehmer ein Zurückbehaltungsrecht in Bezug auf die Arbeitsleistung. In prozessualer Hinsicht hat er die Möglichkeit, die Unwirksamkeit der Direktionsrechtsausübung gerichtlich feststellen zu lassen.
4. Für einen Provisionsanspruch des angestellten Vermittlers genügt grundsätzlich, dass seine Vermittlungstätigkeit mitursächlich für den Vertriebserfolg geworden ist.
Normenkette
ZPO §§ 260, 263, 529, 631, 533; BGB § 611; GewO § 106; BGB § 273; HGB §§ 65, 87; BGB § 162
Verfahrensgang
ArbG München (Urteil vom 10.12.2008; Aktenzeichen 11 Ca 9387/08) |
Tenor
Auf die Berufungen der Parteien wird das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 10.12.2008 – 11 Ca 9387/08 – unter Zurückweisung der Berufung des Klägers im Übrigen geändert:
- Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 306.919,60 EUR (i. W.: dreihundertsechstausendneunhundertneunzehn 60/100 Euro) brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 11.03.2009 zu zahlen.
- Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
- Die Kosten des ersten Rechtszuges werden dem Kläger auferlegt. Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger 1/10 und die Beklagte 9/10.
- Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten im Berufungsverfahren noch über den Inhalt des Beschäftigungsanspruchs des Klägers, über – im Berufungsverfahren erstmals beziffert geltend gemachte – Ansprüche auf bereits verdiente erfolgsabhängige Vergütung, ferner um einen Anspruch auf Auskunft über zwischen der Beklagten und einem Kunden geschlossene Verträge und schließlich über Erteilung eines Buchauszugs und Zahlung der sich „aus der Abrechnung ergebenden gesamterfolgsabhängigen Vergütung”.
Der Kläger ist bei der Beklagten seit 01.01.2007 – erneut – als Senior Vertriebsbeauftragter beschäftigt auf Grundlage eines Arbeitsvertrages vom 25.01.2007, in dessen § 1 Abs. 4 bestimmt ist, dass die Vordienstzeiten anerkannt werden und als technisches Eintrittsdatum somit der 01.07.2004 gelte. Nach § 2 des Arbeitsvertrages erhält der Kläger ein Bruttojahresfixgehalt in Höhe von 90.000,00 EUR. In einem „Anhang 1 zum Anstellungsvertrag” ist in § 2 unter der Überschrift „Compensationsplan” geregelt, dass der Kläger ab 01.01.2007 einen Compensationsplan erhalte, der für jeweils maximal ein Fiskaljahr (01.06. bis 31.05.) gültig sei. Dieser Compensationsplan enthalte die für ihn persönlich geltenden Konditionen des entsprechenden Fiskaljahres. Bei einer hundertprozentigen Zielerfüllung des im Compensationsplan definierten Ziels („Targets”) könne er ein variables Einkommen in Höhe von 0,00 EUR brutto erreichen. Bei einem Compensationsplan für ein Rumpffiskaljahr gelte dies pro rata.
Dem Kläger, der einen solchen Compensationsplan für das Geschäftsjahr 2008 (01.06.2007 bis 31.05.2008) erhielt, wurde mit E-Mail seines Vorgesetzten vom 18.06.2008 mitgeteilt, da sich die Regeln im Geschäftsjahr 08 bewährt hätten, seien diese für das Geschäftsjahr 09 unverändert geblieben. Im Ergebnis blieben die „Territories”, also das – nicht räumlich zu verstehende – Vertriebsgebiet im Wesentlichen wie bisher. Die vom Kläger gewünschten Änderungen habe der Vorgesetzte bis auf zwei Accounts, also Kunden, bestätigt. Zu diesen Kunden gehörte laut beigefügter Firmenliste auch die Firma R. F. B. GmbH sowie die Firma S. AG sowie mit ihr verbundene Unternehmen (einschließlich Joint-Venture-Unternehmen 22 S.-Konzernunternehmen und Beteiligungs-Unternehmen).
Der Wiedereintritt des Klägers in die Firma der Beklagten zum 01.01.2007 war das Ergebnis eines Kündigungsrechtsstreits nach betriebsbedingter Kündigung durch die Rechtsvorgängerin der Beklagten aus dem Jahr 2005. Mit rechtskräftigem Urteil des Arbeitsgerichts München vom 10.11.2006 – 32 Ca 9074/05 – wurde festgestellt, dass die ausgesprochene Kündigung unwirksam ist, und die jetzige Beklagte als Rechtsnachfolgerin verurteilt, an den Kläger Annahmeverzugslohn sowie Provisionen zu bezahlen. Zur beabsichtigten Arbeitsaufnahme teilte die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 22.12.2006 mit, ihm werde ab 01.01.2007 wieder eine Beschäftigung im Vertrie...