Entscheidungsstichwort (Thema)
Unwirksame Vereinbarung zwischen Verleiher und Leiharbeitnehmer bei Unklarheit über den Umfang der tariflichen Ansprüche. Einhaltung der Klagefrist bei mehreren Änderungsschutzkündigungen
Leitsatz (redaktionell)
1. Ist aufgrund des Antrages nach § 4 Satz 2 KSchG, der sich gegen die Änderungskündigung und die Wirksamkeit der Änderung der Arbeitsbedingungen infolge der Kündigung richtet, erkennbar, dass der Kläger auch andere Beendigungstatbestände nicht gegen sich gelten lassen will, die eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses noch vor oder bis zu dem mit dieser Kündigung angestrebten Termin bewirken könnten, ist die Klagefrist des § 4 Satz 1 KSchG - zumindest in entsprechender Anwendung von § 6 KSchG - gewahrt. Das gilt auch im Falle mehrerer Änderungskündigungen, da auch die Änderungsschutzklage nur Erfolg haben kann, wenn im Zeitpunkt des Ablaufs der Kündigungsfrist, mit dem also dann die geänderten Arbeitsbedingungen gelten sollen, nicht bereits eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses eingetreten ist.
2. Gemäß § 9 Nr. 2 AÜG sind Vereinbarungen unwirksam, die für den Leiharbeitnehmer für die Zeit der Überlassung an einen Entleiher schlechtere als die im Betrieb des Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers geltenden wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts vorsehen. Ein Tarifvertrag kann allerdings abweichende Regelungen zulassen.
3. Im Geltungsbereich eines Tarifvertrages mit abweichenden Regelungen können nicht tarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Anwendungen der tariflichen Regelungen vereinbaren. Gemäß § 10 Abs. 4 Satz 4 AÜG hat im Falle der Unwirksamkeit der Vereinbarung zwischen Verleiher und Leiharbeitnehmer nach § 9 Nr. 2 AÜG der Verleiher dem Leiharbeitnehmer die im Betrieb des Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers geltenden wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts zu gewähren.
4. Ist in einem Zusatzvertrag zwischen Verleiherin und Leiharbeitnehmer lediglich vereinbart: “Des Weiteren gilt die Anlehnung an den Tarifvertrag zwischen BZA und dem DGB„, wird daraus nicht hinreichend deutlich, inwieweit tatsächlich Ansprüche nach dem Tarifvertrag gelten sollen und eine entsprechende tarifliche Vergütung geschuldet ist. Mit dem Begriff “Anlehnung„ bleibt unklar, ob tatsächlich die tarifvertraglichen Ansprüche voll und umfänglich zwischen den Parteien gelten sollen, ob dies nur teilweise der Fall ist, ob sich etwa zum Großteil die Vergütungsansprüche nach dem Tarifvertrag richten sollen, oder ob etwa die Höhe nahezu oder vollständig der tariflichen Vergütung entsprechen soll.
5. Ist für den Leiharbeitnehmer nicht eindeutig erkennbar und damit auch nicht hinreichend transparent, inwieweit die grundsätzliche Regelung des § 10 Abs. 4 AÜG durch eine Vertragsklausel abbedungen sein soll und welche tariflichen Ansprüche tatsächlich für ihn gelten sollen, ist eine solche in den allgemeinen Geschäftsbedingungen der Arbeitgeberin enthaltene Klausel gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB mangels hinreichender Klarheit und Verständlichkeit und Transparenz unwirksam.
Normenkette
KSchG §§ 2, 4; AÜG §§ 3, 9-10, 9 Nr. 2, § 10 Abs. 4 Sätze 1, 4; BGB § 307 Abs. 1 S. 2; KSchG § 4 Sätze 1-2, § 6
Verfahrensgang
ArbG München (Entscheidung vom 24.03.2017; Aktenzeichen 12 Ca 13884715) |
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Schlussurteil des Arbeitsgerichts München (Az.: 12 Ca 13884715) vom 24.03.2017 wird zurückgewiesen.
II. Auf die Berufung des Klägers wird das Schlussurteil des Arbeitsgerichts München (Az.: 12 Ca 13884/15) vom 24.03.2017 abgeändert und klarstellend wie folgt gefasst unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen:
1. Es wird festgestellt, dass die Änderungen der Arbeitsbedingungen im Zusammenhang mit den Änderungskündigungen vom 29.06.2016 und vom 28.07.2016 unwirksam sind.
2. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 29.07.2016 nicht beendet worden ist.
3. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger über den 31.01.2017 hinaus zu den Bedingungen des Arbeitsvertrages vom 30.04.1997 und des Änderungsvertrages vom 28.08.2010 als Kfz-Meister weiter zu beschäftigen.
4. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 4.884,00 brutto nebst Zinsen i.H.v. 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit 01.12.2015 zu bezahlen.
5. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 3.381,32 brutto nebst Zinsen i.H.v. 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit 02.07.2016 zu bezahlen.
6. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 13.235,38 brutto nebst Zinsen i.H.v. 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit 02.08.2016 zu bezahlen.
7. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
8. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
9. Der Streitwert wird auf € 51.713,20 festgesetzt.
III. Des Weiteren wird die Beklagte verurteilt, an den Kläger € 4.929,67 brutto nebst Zinsen i.H.v. 5 %-Punkten über dem Basiszinss...