Entscheidungsstichwort (Thema)
Berechnung von Urlaubsentgelt und Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Überraschungsentscheidung
Leitsatz (amtlich)
1. Weist das Arbeitsgericht eine Klage mangels Schlüssigkeit ab, stellt dies auch ohne vorherigen Hinweis des Arbeitsgerichts keine Überraschungsentscheidung dar, wenn die Beklagte im Verfahren diesen Mangel ausdrücklich gerügt hat.
2. Ein Beweisantrag, einen Gewerkschaftssekretär zur Auffassung einer tarifschließenden Gewerkschaft zu einer tariflichen Regelung zu vernehmen, ist unzulässig und unbeachtlich.
3. Freischichttage wirken sich auf den Teiler eines Jahresarbeitsverdienstes zur Berechnung eines kalendertäglichen Anspruchs auf Urlaubsentgelt und/oder Entgeltfortzahlung nach dem Manteltarifvertrag Nr. 10 für das Wach- und Sicherheitsgewerbe in Bayern nicht mindernd aus.
Normenkette
GG Art. 103; ZPO § 139 Abs. 2, § 373; Manteltarifvertrag Nr. 10 vom 01.08.2006 für die gewerblichen Arbeitnehmer des Wach- und Sicherheitsgewerbes in Bayern
Verfahrensgang
ArbG München (Urteil vom 11.12.2007; Aktenzeichen 32 Ca 12084/07) |
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen dasEndurteil des Arbeitsgerichts München vom11.12.2007 (Az.: 32 Ca 12084/07) wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
2. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Berechnung der Höhe des Anspruchs des Klägers auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall sowie Urlaubsentgelt nach auf das Arbeitsverhältnis anzuwendenden tariflichen Bestimmungen.
Der 1974 geborene Kläger ist seit 01.11.1999 bei der Beklagten, die einen Betrieb des Wach- und Sicherheitsgewerbes betreibt, als Mitarbeiter in der U-Bahn-Bewachung beschäftigt. Er erzielt dabei bei einer regelmäßigen monatlichen Arbeitszeit von 176 Stunden einen Stundenlohn von EUR 14,06 brutto.
Rechtsgrundlage des Arbeitsverhältnisses der Parteien ist ein zwischen ihnen am 29.10.1999 geschlossener Arbeitsvertrag (Bl. 42 bis 43 d. A.), in dem es u. a. wie folgt heißt:
…
5. Anerkennung von Tarifverträgen
Für das Arbeitsverhältnis gelten in ihrer jeweiligen Fassung die tariflichen Bestimmungen, die zwischen den Sozialpartnern (Bundesverband Deutscher Wach- und Sicherheitsunternehmen e.V. bzw. dessen Landesverbände und Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr) abgeschlossen sind, sowie die Betriebsordnung und die sonstigen Betriebsvereinbarungen und betrieblichen Regelungen, soweit im folgenden nicht anderes vereinbart ist.
…
8. Arbeitsunfähigkeit
…
Die Höhe der Lohnfortzahlung richtet sich nach den tariflichen Vereinbarungen.
…
9. Urlaub
Der jährliche Urlaubsanspruch richtet sich nach den gesetzlichen, tariflichen und betrieblichen Bestimmungen.
…
Der Kläger arbeitet im 3-Schicht-System regelmäßig vier Tage und hat anschließend zwei Tage frei. In einigen Monaten arbeitet der Kläger auch fünf Tage und hat anschließend zwei Tage frei.
Im Februar 2007 war der Kläger vom 13.02. bis 15.02. arbeitsunfähig krank. Für diese Tage bezahlte die Beklagte Entgeltfortzahlung i.H.v. je EUR 85,36 pro Tag. Im Mai 2007 brachte der Kläger zwei Tage Urlaub ein, für den die Beklagte jeweils EUR 87,93 Urlaubsentgelt pro Tag bezahlte. Im Juni 2007 und August 2007 war der Kläger erneut je drei Tage arbeitsunfähig krank, für die die Beklagte im Juni 2007 je EUR 88,54 Entgeltfortzahlung und im August 2007 je EUR 89,54 Entgeltfortzahlung pro Tag bezahlte. Der Kläger nahm in den Monaten August 2007 einen Tag, September 2007 sieben Tage und Oktober 2007 fünf Tage Erholungsurlaub, für die die Beklagte im Monat August 2007 EUR 89,54, September 2007 EUR 90,75 und Oktober 2007 EUR 91,10 je Urlaubstag leistete.
Der Kläger hat vorgetragen, die Beklagte habe sowohl den Entgeltfortzahlungsanspruch als auch den Urlaubsentgeltanspruch jeweils falsch berechnet. Nach den der Berechnung zugrundeliegenden Regelungen des Manteltarifvertrages Nr. 10 vom 01.08.2006 für die gewerblichen Arbeitnehmer des Wach- und Sicherheitsgewerbes in Bayern errechne sich zwar der Urlaubsentgelt- wie der Lohnfortzahlungsanspruch nach dem Bruttoverdienst der letzten 12 Monate vor Urlaubsantritt bzw. Beginn der Krankheit, den die Beklagte auch jeweils zutreffend ermittelt hat. Auch sind grundsätzlich sowohl das kalendertägliche Urlaubsentgelt wie das Krankengeld mit 1/364 des ermittelten Bruttoarbeitsverdienstes zu errechnen. Der Manteltarifvertrag bestimme jedoch sowohl für die Berechnung des Urlaubsentgelts wie für die Lohnfortzahlung, dass Abwesenheitszeiten ohne bestehenden Lohnanspruch den Divisor um die entsprechende Zahl dieser Tage verkürze. Der Kläger habe aber pro Jahr 100 Freischichttage, für die kein Lohnanspruch bestehe. Diese seien von dem Divisor in Abzug zu bringen, so dass sich das kalendertägliche Urlaubs- wie das Krankengeld nur mit einem Faktor von 1/264 errechne. Dass die Freischichten bei Ermittlung des Divisors abzuziehen seien, ergebe sich sowohl aus dem Tarifwortlaut wie Sinn und Zweck des Tarifvertrags. Für den Monat...