Leitsatz (amtlich)
Vereinbaren die Parteien in einem gerichtlichen Vergleich, daß ein Vergleichswiderruf durch Schriftsatz zum Arbeitsgericht widerrufen werden kann, so wahrt ein nicht handschriftlich unterzeichneter Widerrufsschriftsatz die Widerrufsfrist nicht.
Verfahrensgang
ArbG München (Urteil vom 09.03.1988; Aktenzeichen 26 Ca 11702/85 F) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Teil-Urteil des Arbeitsgerichts München vom 9.3.1988 – 26 Ca 11702/85 F geändert:
- Der Rechtsstreit ist durch den Vergleich vom 13.1.1988 erledigt worden.
- Die Beklagte trägt die seit dem 4.2.1988 angefallenen Kosten des Rechtsstreits.
- Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten zunächst über die Wirksamkeit des gerichtlichen Vergleichs vom 13.1.1988 und sodann darüber, ob ihr Arbeitsverhältnis durch die von der Beklagten mit Schreiben vom 12.8.1985 ausgesprochene außerordentliche Kündigung aufgelöst worden ist.
Der Kläger war bei der Beklagten als Angestellter beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien fand der erste Abschnitt des KSchG Anwendung. Die Beklagte kündigte dem Kläger mit Schreiben vom 12.8.1985 außerordentlich zum 31.8.1985. Der Kläger hat die Kündigung mit der am 2.9.1985 beim Arbeitsgericht eingereichten Klage als unwirksam angegriffen. Am. 13.1.1988 haben die Parteien durch ihre anwaltschaftlichen Prozeßbevollmächtigten vor dem Arbeitsgericht folgenden geschlossen:
Vergleich
- Es besteht Einigung, daß das Arbeitsverhältnis des Klägers aufgrund ordentlicher betriebsbedingter Arbeitgeberkündigung mit dem 31.10.1985 sein Ende gefunden hat.
- Die Beklagte verpflichtet sich, dem Kläger als sozialen Ausgleich für den Verlust seines Arbeitsplatzes eine Abfindung gemäß § 3 Ziff. 9 EStG in Höhe von DM 17.000,– abzugsfrei zu zahlen.
- Mit Zahlung der in Ziffer 2 bezeichneten Abfindung sind alle gegenseitigen finanziellen Forderungen aus dem Arbeitsverhältnis sowie aus Anlaß seiner Beendigung abgegolten.
- Dieser Vergleich wird rechtswirksam, wenn er nicht von der Beklagten mit Schriftsatz zum Arbeitsgericht München. Eingang spätestens 3.2.1988. widerrufen wird.
Am 2.2.1988 ist beim Arbeitsgericht folgender Schriftsatz der Prozeßbevollmächtigten der Beklagten vom 28.1.1988 eingegangen:
In Sachen
…
widerrufen
wir im Auftrag der Beklagten den im Termin vom 13.1.1988 geschlossenen bedingten Vergleich.
S.
Der Schriftsatz war von Rechtsanwalt S. nicht unterschrieben.
Der Kläger ist der Ansicht, die Beklagte habe den Vergleich vom 13.1.1988, da ihr Widerrufsschriftsatz als bestimmender Schriftsatz nicht unterschrieben gewesen sei, nicht wirksam widerrufen. Daher sei der Vergleich mit Ablauf der Widerrufsfrist wirksam geworden und habe den Rechtsstreit beendet. Der Kläger hat beantragt festzustellen, daß der Vergleich vom 13.1.1988 rechtswirksam ist; hilfsweise festzustellen, daß die von der Beklagten mit Schreiben vom 12.8.1985 gegenüber ihm ausgesprochene Kündigung zum 31.8.1985 sozial ungerechtfertigt, fehlerhaft und daher unwirksam ist und das Arbeitsverhältnis nicht aufgelöst wird.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie macht geltend, der Vergleichswiderruf sei rechtswirksam. Dafür sei die eigenhändige Unterschrift ihres Prozeßbevollmächtigten nicht erforderlich gewesen. Sie ist der Meinung, bestimmende Schriftsätze müßten nicht notwendig unterschrieben werden. Durch ihre außerordentliche Kündigung vom 12.8.1985 habe das Arbeitsverhältnis der Parteien mit dem 31.8.1985 sein Ende gefunden; denn für die Kündigung habe ein wichtiger Grund vorgelegen.
Das Arbeitsgericht hat mit Teilurteil vom 9.3.1988 die Klage in ihrem Hauptantrag abgewiesen, weil die Beklagte den Vergleich vom 13.1.1988 wirksam widerrufen und damit der Rechtsstreit nicht sein Ende gefunden habe.
Der Kläger hat gegen das am 29.4.1988 zugestellte Urteil am 25.5.1988 Berufung eingelegt und sein Rechtsmittel am Montag, den 27.6.1988 begründet. Er macht weiter geltend, die Beklagte habe den Vergleich vom 13.1.1988, da nicht formgerecht, nicht wirksam widerrufen. Er beantragt, das Teilurteil des Arbeitsgerichts aufzuheben und festzustellen, daß der Vergleich vom 13.1.1988 rechtswirksam ist.
Die Beklagte beantragt Zurückweisung der Berufung. Sie ist mit dem Arbeitsgericht der Ansicht, sie habe auch ohne handschriftliche Unterzeichnung ihres Prozeßbevollmächtigten den Vergleich wirksam widerrufen.
Zum näheren zweitinstanzlichen Vorbringen der Parteien, mit der sie zu der Frage, ob der Vergleichswiderruf der handschriftlichen Unterzeichnung des Prozeßbevollmächtigten der Beklagten bedurft habe, Stellung genommen haben, wird auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze und die Sitzungsniederschrift vom 15.9.1988 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist zulässig und begründet; denn der Prozeßvergleich vom 13.1.1988 ist rechtswirksam und hat den Rechtsstreit erledigt. Die Beklagte hat den Vergleich nicht wirksam widerrufen. Der Widerruf vom 28.1.1988 ist formni...