Entscheidungsstichwort (Thema)
Versetzung
Leitsatz (amtlich)
Einzelfallentscheidung zur Unwirksamkeit einer Versetzungsmaßnahme wegen unterbliebener Beteiligung des Betriebsrats auf der Grundlage der Theorie der Wirksamkeitsvoraussetzung
Normenkette
BetrVG § 99 Abs. 1 S. 1, § 95 Abs. 3
Verfahrensgang
ArbG München (Teilurteil vom 10.08.2005; Aktenzeichen 22 Ca 14755/04) |
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten vom 19.09.2005 gegen dasTeilurteil desArbeitsgerichts München vom10.8.2005, Aktenzeichen: 22 Ca 14755/04 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten – soweit Gegenstand des vorliegenden Berufungsverfahrens – über die Wirksamkeit einer mit E-Mail der Beklagten vom 14. 10. 2004 angeordneten und mit Schreiben der Beklagten von 15.11.2004 konkretisierten Aufgabenzuweisung.
Der Auseinandersetzung liegt im Wesentlichen folgender Sachverhalt zu Grunde:
Der Kläger ist bei der Beklagten, einem EDV-Unternehmen mit weit mehr als 10 vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmer, auf der Grundlage des Arbeitsvertrages vom 10.08.1994 (Bl. 7/12 d.A.) seit 01.10.1994, zuletzt als Vertriebsleiter und Senior Account Manager gegen eine durchschnittliche jährliche Vergütung von rund 205.000 bis 262.000 Euro beschäftigt.
Mit der Klage vom 15.09.2005 verlangte der Kläger von der Beklagten eine Restprovisionszahlung aus einem Geschäft mit der D. GmbH vom 25./27.02.2004 in Höhe von 57.543,88 EUR nebst gesetzlichen Zinsen.
Mit E-Mail vom 14.10.2004 (Bl. 49 d.A.), näher erläutert mit Schreiben vom 15.11.2004 (Bl. 315/316 d.A.), wies die Beklagte dem Kläger geänderte Aufgaben zu und unterstellte ihn einem anderen Vorgesetzten als bisher. Bis 31.05.2005 war der Kläger als Senior Account Manager Herrn R. unterstellt, dessen Vorgesetzter der Vice-President der Beklagten, Herr K., war. Ab 01.06.2004 wurde der Kläger zum Vertriebsleiter ernannt (vgl. Bl. 48 d.A.) und dem Vice President direkt unterstellt. Er war Vorgesetzter eines Mitarbeiters M..
Mit E-Mail vom 14.10.2004 entband die Beklagte den Kläger während der Laufzeit seiner Zielvereinbarung (Bl. 48 d.A.) von seiner bisherigen Kundenzuständigkeit, wies ihm andere Kunden zu und unterstellte ihn Herrn S., dessen Vorgesetzter Herr M. ist. Herr M. ist direkt dem Vice President K. unterstellt. Die Beklagte kündigte dem Kläger eine neue Provisionsregelung (Compensation Plan) an.
Vor Ausspruch der geänderten Aufgabenzuweisung mit E-Mail vom 14.10.2004 hat die Beklagte den bei ihr bestehenden Betriebsrat nicht beteiligt.
Mit seiner Klage hat der Kläger – soweit Gegenstand des Berufungsverfahrens – die gerichtliche Feststellung begehrt, dass die mit E-Mail der Beklagten vom 14. 2004 vorgenommene Versetzung des Klägers unwirksam ist.
Zur Begründung hat er in erster Instanz vorgetragen, die Maßnahme gemäß E-Mail vom 14. 10. 2004, konkretisiert mit Schreiben der Beklagten vom 15.11.2004, sei eine Versetzung im Sinn von § 95 Absatz 3 Satz 1 BetrVG, so dass der Betriebsrat habe zustimmen müssen. Mangels Zustimmung des Betriebsrats sei die Änderung der Aufgabenzuweisung seitens der Beklagten unwirksam.
Der Kläger hat – soweit Gegenstand des angegriffenen Teilurteils des Arbeitsgerichts München – beantragt,
- …
- festzustellen, dass die mit E-Mail der Beklagten vom 14.10.2004 vorgenommene Versetzung des Klägers unwirksam sei;
- …
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und zur Begründung ausgeführt, die mit E-Mail vom 14. 10. 2004 ausgesprochene und mit Schreiben vom 15.11.2004 konkretisierte Maßnahme erfülle nicht die Voraussetzungen des Versetzungsbegriffs des § 95 Absatz 3 Satz 1 BetrVG. Es handele sich um eine ganz normale Weisung aus dem Arbeitsverhältnis gegenüber dem Kläger, die sich im zulässigen Rahmen des Direktionsrechts des Arbeitgebers bewege.
Das Arbeitsgericht München hat mit Teilurteil vom 10.8.2005 dem Feststellungsantrag stattgegeben und zur Begründung ausgeführt, die gegenüber dem Kläger mit E-Mail vom 14.10.2004 ausgesprochene und mit Schreiben vom 15.11.2004 konkretisierte Änderung der Aufgabenzuweisung und des Unterstellungsverhältnisses sei als eine den Kläger belastende Versetzung gemäß § 95 Absatz 3 BetrVG auch gegenüber dem Kläger unwirksam, weil die Zustimmung des bei der Beklagten bestehenden Betriebsrats zu der Maßnahme aufgrund seiner von der Beklagten unterlassenen Beteiligung gemäß § 99 BetrVG fehle. Wegen der gravierenden Änderung des Unterstellungsverhältnisses um zwei Hierarchiestufen, aber auch wegen der Wegnahme des Großkunden D. GmbH und der Beseitigung der Vorgesetztenstellung bestehe kein Zweifel daran, dass die Änderungen in ihrer Gesamtheit eine erhebliche Veränderung des Gesamtbildes der Tätigkeit des Klägers bewirkten. Gerade die Einordnung eines Arbeitnehmers in die hierarchische Ordnung des Betriebs spiele für das Gesamtbild seine Tätigkeit eine herausragende Rolle.
Mit ihrer beim Landesarbeitsgericht München am 19.9.2005 eingegangenen Berufung vom selben Tag begehrt die Beklagte die Aufhebung des Teilurteils...