Entscheidungsstichwort (Thema)

Dienstordnungsangestellter. Urlaubsabgeltung. Erkrankung des Arbeitnehmers. Dienstordnungs-Angestellte

 

Leitsatz (amtlich)

Auch wenn nach einer aufgrund § 351 RVO erlassenen Dienstordnung beamtenrechtliche Rechtsgrundlagen zur Bestimmung urlaubsrechtlicher Ansprüche eines Dienstordnungsangestellten herangezogen werden, ist, wenn der Urlaub vor seinem Ausscheiden wegen Krankheit nicht mehr eingebracht werden kann, der Urlaub nach § 7 Abs. 4 BUrlG abzugelten. Auch wenn Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG nicht bereits unmittelbar zur Anwendung kommt, folgt dies jedenfalls aus einer richtlinienkonformen Auslegung der Dienstordnung als staatlichem Recht. Die Beklagte als Körperschaft des öffentlichen Rechts ist nämlich Staat im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs.

 

Normenkette

BUrlG § 7 Abs. 4

 

Verfahrensgang

ArbG Kempten (Urteil vom 22.10.2009; Aktenzeichen 5 Ca 918/09)

 

Tenor

1. Das Urteil des Arbeitsgerichts Kempten vom 22.10.2009 – Az. 5 Ca 918/09 – wird auf die Berufung des Klägers teilweise abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt an den Kläger weitere EUR 432,74 brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 07.04.2009 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Berufung des Klägers zurückgewiesen.

2. Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

3. Von den Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger 3/5, die Beklagte 2/5.

4. Die Revision wird für beide Parteien zugelassen.

 

Tatbestand

Der mit Ablauf des 30.06.2006 aus einem Arbeitsverhältnis bei der Beklagten ausgeschiedene Kläger verlangt von dieser die Abgeltung restlichen Urlaubs aus den Jahren 2005 und 2006 sowie eines Guthabens auf seinem Arbeitszeitkonto.

Die Beklagte ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts. Der Kläger wurde von der Beklagten mit Wirkung vom 26.07.1978 „nach den Vorschriften der Dienstordnung der allgemeinen OK A-Stadt dienstordnungsmäßig angestellt” (Ziffer I. des „Anstellungsvertrages” vom 25.10.1978, Bl. 5 d. A.). Im „Anstellungsvertrag” heißt es unter Ziffer IV. weiter: „Die allgemeinen und besonderen Rechtsverhältnisse richten sich nach der Dienstordnung für die Angestellten der Allgemeinen OK A-Stadt. Sie ist Bestandteil dieses Vertrages.”

Bei der Beklagten gilt eine „Dienstordnung für die DO-Angestellten der C.. Die Dienstordnung nimmt auf § 351 RVO Bezug und regelt in § 22 unter der Überschrift „Rechtsstellung”: „Der Angestellte auf Lebenszeit steht in einem Dienstverhältnis, das dem eines Landesbeamten auf Lebenszeit entspricht.” § 25 („Anpassung an beamtenrechtliche Vorschriften”) lautet: „Soweit nicht durch besondere gesetzliche Vorschriften oder in dieser Dienstordnung etwas anderes bestimmt ist, gelten für die Angestellten entsprechend die jeweiligen Vorschriften für bayerische Landesbeamte über Nichtigkeit und Rücknahme der Ernennung, Pflichten, Folgen der Nichterfüllung von Pflichten, Rechte und Eintritt und Versetzung in den Ruhestand.” In § 26 („Geld- und geldwerte Leistungen”) ist in Absatz 1 geregelt: „Neben der Besoldung (§ 13) werden Geld- und geldwerte Leistungen im Rahmen und nach den Grundsätzen der für die bayerischen Landesbeamten geltenden Bestimmungen gewährt. Soweit Vorschriften des öffentlichen Dienst-, Besoldungs- und Versorgungsrechts oder die darin enthaltenen Grundsätze nicht entgegenstehen, können daneben Leistungs- und erfolgsorientierte Zulagen gewährt werden, die tarifvertraglich für Beschäftigte der C. vereinbart sind.” (zum Inhalt der Dienstordnung im Einzelnen wird auf Bl. 52 ff. d. A. Bezug genommen).

Von November 2005 bis 30.06.2006 war der Kläger arbeitsunfähig erkrankt. Auf seinen Antrag hin versetzte ihn die Beklagte mit Schreiben vom 21.06.2006 mit Ablauf des 30.06.2006 wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand (Bl. 8 d. A.).

Im Jahr 2005 konnte der Kläger von 30 Urlaubstagen nur 17 Tage tatsächlich einbringen. Für die Zeit vom 01.01.2006 bis 30.06.2006 hatte der Kläger einen weiteren Urlaubsanspruch in Höhe von 15 Tagen, der ebenfalls wegen Arbeitsunfähigkeit als Urlaub nicht gegeben werden konnte.

Zum Zeitpunkt des Eintritts in den Ruhestand wies das Arbeitszeitkonto des Klägers ein Zeitguthaben von 23,36 Stunden aus. Bei der Beklagten besteht eine „Dienstvereinbarung zur flexiblen Arbeitszeit”. In § 9 Abs. 4 ist hier geregelt: „Scheidet ein Beschäftigter aus, ist er verpflichtet, sein persönliches Gleitzeitkonto bis zu diesem Zeitpunkt auszugleichen. Tarifvertragliche Ansprüche bleiben davon unberührt” (zu den Einzelheiten der Dienstvereinbarung wird auf Bl. 72 ff. d. A. Bezug genommen).

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, dass der ihm zustehende Resturlaub nicht verfallen sei, da er wegen Arbeitsunfähigkeit gehindert gewesen sei, den Urlaub tatsächlich zu nehmen. Er sei kein Beamter und falle deshalb unter den Anwendungsbereich der Richtlinie 2003/88/EG mit der Folge, dass sich die Beklagte in den Fällen, in denen eine Erfüllung des Urlaubsanspruches an der Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers endgültig scheitere, nicht auf ...

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