Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitsunfähigkeit, dauernde. Dienstordnungsangestellter. Urlaubsabgeltung. Versetzung in den Ruhestand. Verfall von Urlaubsabgeltungsansprüchen eines Dienstordnungsangestellten bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach lang andauernder Erkrankung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Der Urlaubsabgeltungsanspruch im Rahmen des Mindestjahresurlaubs im Sinne von Artikel 7 Abs. 1 der Richtlinie 88/2003/EG vom 04.11.2003, den der Arbeitnehmer in Folge seiner Erkrankung und einer Versetzung in den Ruhestand nicht hat in Anspruch nehmen können, steht auch einem Beamten zu, so dass diese Grundsätze erst Recht für Dienstordnungsangestellte gelten; das Alimentationsprinzip steht dem nicht entgegen.

2. Der Abgeltungsanspruch besteht nur, wenn und soweit Betroffene in dem jeweiligen Urlaubsjahr nicht 4 Wochen in Anspruch genommen haben, unabhängig davon, ob der Urlaub in Anrechnung von Urlaubsansprüchen aus dem Vorjahr oder dem aktuellen Urlaubsjahr genommen wurde; da sich der gemeinschaftsrechtliche Mindesturlaub von 4 Wochen auf das Urlaubsjahr bezieht, ist er bei unterjähriger Beendigung der Dienstzeit der Berechnung des Abgeltungsanspruchs anteilig zugrunde zu legen, wobei eine Auf- und Abrechnung von Bruchteilen eines Urlaubstages mangels einer anordnenden Bestimmung des Gemeinschaftsrechts nicht in Betracht kommt.

3. Ein über Art. 7 der Richtlinie 88/2003/EG hinausgehender Abgeltungsanspruch kann nicht aus der entsprechenden Anwendung der Vorschriften des nationalen Beamtenrechts hergeleitet werden; ein solcher Anspruch folgt auch nicht aus Artikel 7 Abs. 2 der Richtlinie 88/2003/EG.

4. Urlaubsansprüche eines Arbeitnehmers, der aus gesundheitlichen Gründen an seiner Arbeitsleistung gehindert ist, verfallen aufgrund einer unionsrechtskonformen Auslegung des § 7 Abs. 3 BUrlG jedenfalls 15 Monate nach Ablauf des Urlaubsjahres; die insoweit entwickelten Grundsätze sind auf beamtenrechtliche Vorschriften, die einen Verfall von Urlaubsansprüchen im Folgejahr vorsehen, übertragbar.

 

Normenkette

BUrlG § 7 Abs. 4; Richtlinie 2003/88/EG Art. 7 Fassung: 2003-11-04

 

Verfahrensgang

ArbG Ludwigshafen (Entscheidung vom 16.01.2013; Aktenzeichen 7 Ca 1613/11)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 16.01.2013 - 7 Ca 1631/11 - werden zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens haben der Kläger zu 62% und die Beklagte zu 38 % zu tragen.

Für beide Parteien wird die Revision zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien des vorliegenden Rechtsstreits streiten darüber, ob dem Kläger nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch ein Urlaubsabgeltungsanspruch zusteht.

Der Kläger stand bei der Beklagten vom 1995 bis zum 2011 als Dienstordnungsangestellter, zuletzt als Verwaltungsamtsinspektor, im Dienst. Seit August 2008 war der Kläger fortlaufend arbeitsunfähig erkrankt. Seit November 2009 liegt eine Anerkennung als schwerbehinderter Mensch bei einem Grad der Behinderung von 50 vor. Das Dienstverhältnis endete, nachdem der Kläger mit Schreiben der Beklagten vom 10.08.2011 wegen Dienstunfähigkeit zum 30.09.2011 in den Ruhestand versetzt wurde.

Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass dem Kläger im Falle der Arbeitsfähigkeit für die Zeit vom August 2008 bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses insgesamt 104 Urlaubstage zugestanden hätten.

Der Kläger hat vorgetragen,

die ihm für die Zeit bis zum Ausscheiden aus dem Dienstverhältnis noch zustehenden 104 Urlaubstage seien insgesamt abzugelten. Der Abgeltungsanspruch folge unmittelbar aus der Richtlinie 2003/88/EG. Diese gelte sowohl für Beamte als auch für Dienstordnungsangestellte.

Wegen der geltend gemachten Höhe des Urlaubsabgeltungsanspruchs und seiner Berechnung wird auf Seite 4 - 6 der Klageschrift (Bl. 10-12 d. A.) sowie auf den Schriftsatz vom 25.01.2012 (dort Seite 1 f. = Bl. 86 f. d. A.) Bezug genommen.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn EUR 14.076,40 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat vorgetragen,

aufgrund des auch für das Dienstverhältnis zwischen den Parteien geltenden Alimentationsprinzips seien die für Arbeitsverhältnisse entwickelten Grundsätze zur Urlaubsabgeltung vorliegend nicht anwendbar. Eine Urlaubsabgeltung sei für den Beamten gleichgestellten Dienstordnungsangestellten weder rechtlich vorgesehen, noch aufgrund des Alimentationsprinzips erforderlich und zudem auch insbesondere aus der Richtlinie 2003/88/EG nicht herzuleiten. Zumindest sei der Urlaubsanspruch aus den Jahren 2008 und 2009 verfallen. Zudem sei die Urlaubsabgeltung selbst bei - von der Beklagten abgelehnter rechtlicher Anwendung - der Richtlinie auf vier Wochen pro Urlaubsjahr beschränkt.

Das Arbeitsgericht Ludwigshafen hat darauf hin durch Urteil vom 16.01.2013 die Beklagte verurteilt, an den Kläger € 5.414,00 brutto zu zahlen und im Übrigen die Klage abgewiesen. Hinsichtlich des Inhalts von Tatbestand und Entscheidungsgründen auf Bl. 117 bis 129 d. A. Bezug geno...

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