Ausschluss der Urlaubsabgeltung durch eine arbeitsvertragliche Verfallsklausel

In dem Fall, über den das Bundesarbeitsgericht (BAG) zu befinden hatte, ging es um die Abgeltung von Urlaub aus dem Jahr 2017. Der Arbeitnehmer war seit dem 1. Dezember 2011 bei seinem Arbeitgeber beschäftigt. Sein Bruttomonatsentgelt betrug zuletzt 5.900,00 Euro. Er hatte Anspruch auf 30 Arbeitstage Urlaub im Kalenderjahr. In seinem Arbeitsvertrag war geregelt, dass Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis innerhalb von drei Monaten nach ihrer Fälligkeit schriftlich geltend gemacht und im Falle der Ablehnung durch die Gegenseite innerhalb von weiteren drei Monaten eingeklagt werden müssen. Andernfalls erlöschen sie. Für Ansprüche aus unerlaubter Handlung verbleibt es bei der gesetzlichen Regelung.
Ausschlussfrist: zu späte Geltendmachung der Urlaubsabgeltung?
Das Arbeitsverhältnis endete am 31. Oktober 2017. Erst knapp 15 Monate später, mit Schreiben vom 20. Dezember 2018, forderte der Arbeitnehmer den Arbeitgeber auf, ihm 25 Urlaubstage aus dem Jahr 2017 abzugelten, die ihm wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr gewährt werden konnten. Der Arbeitgeber wies den Abgeltungsanspruch als verfallen zurück.
Daraufhin erhob der Arbeitnehmer Klage vor dem Arbeitsgericht auf Zahlung von 6.807,69 Euro brutto. Der ihm zustehende Urlaubsabgeltungsanspruch sei nicht verfallen. Die vertragliche Ausschlussfrist sei unwirksam, weil sie Ansprüche erfasse, für die aufgrund gesetzlicher Bestimmungen Ausschlussfristen nicht vereinbart werden dürften. Dies gelte insbesondere für Haftungsansprüche wegen vorsätzlicher Vertragsverletzung. Dass nur Ansprüche aus unerlaubter Handlung von der Verfallsklausel ausgeschlossen seien, genüge den Anforderungen von § 202 Abs. 1 BGB nicht.
Bundesarbeitsgericht: Ausschlussfrist nicht generell unzulässig
Das Arbeitsgericht wies die Klage ab. Auch das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Arbeitnehmers zurückgewiesen und keinen Anspruch auf Urlaubsabgeltung erkannt. Dies sah das Bundesarbeitsgericht anders und gab dem Arbeitnehmer Recht.
Es verpflichtete den Arbeitgeber, an den Arbeitnehmer für 25 Urlaubstage aus dem Jahr 2017, die ihm wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr gewährt werden können, eine Urlaubsabgeltung in Höhe von 6.807,69 Euro brutto zu zahlen, weil die Verfallsklausel rechtswidrig war. Grundsätzlich könne der Anspruch eines Arbeitnehmers auf Urlaubsabgeltung als reiner Geldanspruch Ausschlussfristen unterliegen. Dem stehe weder der unabdingbare Schutz des gesetzlichen Mindesturlaubs nach §§ 1, 3 Abs. 1, § 13 Abs. 1 Satz 1 BUrlG noch die verbindliche Auslegung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zu Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG und Art. 31 Abs. 2 GRC entgegen. Der Arbeitgeber hätte den Zahlungsanspruch demnach durch eine vertragliche Ausschlussklausel abwehren können, wenn er denn eine korrekt formulierte Klausel gewählt hätte, die zulässig gewesen wäre.
Alleinige Herausnahme deliktischer Ansprüche genügt nicht
Im vorliegenden Fall waren alle "Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis" unter die Ausschlussfrist gefallen. Ausgenommen waren allein "Ansprüche aus unerlaubter Handlung". Eine solche Ausschlussfristenregelung ist jedoch insgesamt unwirksam, weil sie entgegen § 202 Abs. 1 BGB die Haftung wegen Vorsatzes begrenzt.
Nach § 202 Abs. 1 BGB, in der seit Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes geltenden Fassung, kann die Verjährung bei Haftung wegen Vorsatzes nicht im Voraus durch Rechtsgeschäft erleichtert werden. Dabei handelt es sich um eine Verbotsnorm im Sinne von § 134 BGB. Das Verbot des § 202 Abs. 1 BGB gilt für alle Schadensersatzansprüche aus Delikt und Vertrag. Das Gesetz bezweckt mit § 202 Abs. 1 BGB in Ergänzung von § 276 Abs. 3 BGB einen umfassenden Schutz gegen im Voraus vereinbarte Einschränkungen von Haftungsansprüchen aus vorsätzlichen Schädigungen. § 202 Abs. 1 BGB erfasst nicht nur Vereinbarungen über die Verjährung, sondern auch über Ausschlussfristen. Infolge des gesetzlichen Verbots kann eine Haftung aus vorsätzlich begangener Vertragspflichtverletzung oder unerlaubter Handlung nicht mehr durch vertragliche Ausschlussfristen ausgeschlossen werden.
Fehlende Herausnahme vorsätzlicher Vertragspflichtverletzung
Hier waren im Arbeitsvertrag bei der Ausschlussfrist jedoch nur Ansprüche aus unerlaubter Handlung ausgenommen worden, nicht jedoch Ansprüche aus vorsätzlicher Vertragspflichtverletzung. Damit war die Ausschlussklausel insgesamt unwirksam und kann deshalb auch nicht für den Anspruch auf Urlaubsabgeltung aufrechterhalten werden. An die Stelle der vertraglichen Ausschlussfrist treten deshalb die gesetzlichen Bestimmungen. Da der Abgeltungsanspruch nach den gesetzlichen Bestimmungen noch nicht verjährt war, verurteilte das BAG den Arbeitgeber zur Zahlung der Urlaubsabgeltung.
Hinweis: Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 9. März 2021, Az: 9 AZR 323/20
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