Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsübergang und Gleichstellungsabrede
Leitsatz (amtlich)
Nimmt ein (vor dem 01.01.2002 abgeschlossener) Arbeitsvertrag zwischen einem nicht-tarifgebundenen Arbeitnehmer und einem tarifgebundenen Arbeitgeber Bezug auf die Bestimmungen des einschlägigen, nicht allgemeinverbindlichen, (Vergütungs-)Tarifvertrages (kleine dynamische Bezugnahmeklausel im Sinne einer Gleichstellungsabrede), werden nach einem Betriebsübergang auch in diesem Fall die bisherigen schuldrechtlich geltenden Lohnregelungen durch die schlechteren Vergütungsregelungen eines auf das Arbeitsverhältnis mit dem Betriebserwerber kraft Allgemeinverbindlichkeit Anwendung findenden Vergütungstarifvertrages abgelöst – das Günstigkeitsprinzip des § 4 Abs. 3 TVG gilt hier nicht.
Normenkette
BGB § 613a Abs. 1; TVG § 4 Abs. 3
Verfahrensgang
ArbG München (Urteil vom 29.03.2006; Aktenzeichen 38 Ca 1648/05) |
Tenor
I.Auf die Berufung der Beklagten wird dasEndurteil desArbeitsgerichts München vom29. März 2006 – 38 Ca 1648/05 – in den Ziffern 1. und 2. abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
II.Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
III.Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin macht gegenüber den Beklagten als Betriebsübernehmern Ansprüche auf Zahlung höherer Arbeitsvergütung aufgrund der bei ihrem früheren Arbeitgeber arbeitsvertraglich Anwendung findenden tariflichen Bestimmungen geltend.
Die, ausweislich des Arbeitsvertrages, am 30.09.1962 geborene Klägerin ist seit 16.01.1995 bei der Klinik Dr. A. GmbH (bzw. GmbH & Co. KG) als Stationshilfe – mit dem Aufgabenbereich Zimmerreinigung, Einsammeln gebrauchter Wäsche u. a. – beschäftigt. Der mit der Klinik Dr. A. GmbH (& Co. KG) abgeschlossene Arbeitsvertrag der Klägerin vom 16.01.1995 (Anl. K1, Bl. 10 bis 13/Rückseite d. A.) bestimmt auszugsweise:
Ӥ 7 Lohn
(1)Der Arbeitnehmer wird in die Lohngruppe II des Lohntarifvertrages des Verbandes der Privatkrankenanstalten in Bayern e. V. eingereiht.
Zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses erhält der Arbeitnehmer folgenden Monatslohn:
Lohn nach Lohgruppe II |
DM 2.730,70 |
Allgemeine Zulage |
DM 177,00 |
Sonderzulage |
DM 170,00 |
Insgesamt |
DM 3.077,70 |
(2)Zusätzlich erhält der Arbeitnehmer das tarifvertragliche Weihnachts- und Urlaubsgeld, soweit die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind.
(3)Der Arbeitnehmer erhält folgende übertarifliche Fahrtkostenerstattung: …
…
§ 16 Tarifanwendung
Für die in diesem Arbeitsvertrag nicht angesprochenen Regelungen gelten analog die Bestimmungen des Bundesmanteltarifvertrages für Arbeitnehmer in Privatkrankenanstalten und des Vergütungs- und Lohntarifvertrages für Arbeitnehmer in Privatkrankenanstalten in Bayern e. V. in der jeweils gültigen und nachwirkenden Fassung, unabhängig von der Tarifgebundenheit mit Ausnahme einer zusätzlichen Vergütung für Wochenend- und Wochenfeiertagsarbeit. Durch die Bezugnahme auf die vorgenannten Tarifverträge finden diese nur insoweit Anwendung, als sie den Bestimmungen dieses Arbeitsvertrages nicht widersprechen.
Beide Vertragspartner sind sich einig, daß durch die analoge Anwendung obiger Verträge für im Arbeitsvertrag nicht geregelte Punkte keine generelle Geltung dieser Tarifverträge vereinbart ist.”
Gemäß Änderungsvertrag (2. Ergänzungsvertrag) vom 14.01.1998 (Anl. K3, Bl. 15 d. A.) wurde die Klägerin im Rahmen „des sogenannten Bewährungsaufstieges von der Lohngruppe II in die Lohngruppe III höhergestuft”.
Die Klägerin ist nicht Mitglied einer Gewerkschaft. Die Klinik Dr. A. GmbH (& Co. KG) als damalige Arbeitgeberin der Klägerin und Rechtsvorgängerin der Beklagten war zum Zeitpunkt des Abschlusses des Arbeitsvertrages – nach dem Vorbringen der Beklagten zuletzt: bis zu deren Austritt zum 31.12.2004 – Mitglied des tarifschließenden Arbeitgeberverbandes „Verband der Privatkrankenanstalten Bayern e. V.”. Mit Wirkung vom 01.10.2004 wurde der Bereich Reinigungs- und Pflegearbeiten der Klinik Dr. A. GmbH (& Co. KG) im Wege eines Teilbetriebsüberganges – über den die Klägerin mit Schreiben der Klinik Dr. A. GmbH (& Co. KG) vom 11.08.2004 gemäß § 613a Abs. 5 BGB informiert worden war (Anl. K4, Bl. 16/Rückseite d. A.) – auf die Beklagte zu 1. übertragen. Die Klägerin und ein weiterer in diesem Bereich beschäftigter Arbeitnehmer widersprachen dem Teilbetriebsübergang nicht, im Gegensatz zu den anderen (der insgesamt ca. 30) dort beschäftigten Arbeitnehmern. Zum 01.01.2006 ging das Arbeitsverhältnis der Klägerin durch weiteren Betriebsübergang auf die Beklagte zu 2. über, worüber die Klägerin mit Schreiben der Beklagten zu 1. vom Dezember 2005 (Anl. K24, Bl. 99 d. A.) informiert wurde. Auf die Arbeitsverhältnisse bei den Beklagten zu 1. und zu 2. finden die jeweils für allgemeinverbindlich erklärten Tarifverträge für die Gebäudereinigung Anwendung (insbesondere Lohntarifvertrag für die gewerblich Beschäftigten in der Gebäudereinigung vom 04.10.2003, gültig ab 01.04.2004, Bl. 147 bis 153 d. A.).
Mit der vorliegenden Klage macht die Klägerin die jeweilige Vergütungsdifferenz...