Entscheidungsstichwort (Thema)

Kündigungsfristen für gewerbliche Arbeitnehmer der Bekleidungsindustrie

 

Leitsatz (amtlich)

Verfassungsmäßigkeit der in § 22 MTV vom 17.5.1979 für gewerbliche Arbeitnehmer der Bekleidungsindustrie in der Bundesrepublik Deutschland geregelten verlängerten Kündigungsfristen

 

Normenkette

MTV vom 17.5.1979 für gewerbliche Arbeitnehmer der Bekleidungsindustrie in der Bundesrepublik Deutschland § 22; BGB § 622 Abs. 2; GG Art. 3 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG München (Urteil vom 20.12.1995; Aktenzeichen 10 b Ca 00477/95 I)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 06.11.1997; Aktenzeichen 2 AZR 707/96)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 20.12.1995 – Az.: 10 b Ca 00477/95 I – wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird für die Beklagte zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten nur noch darüber, welche Kündigungsfrist der Arbeitgeber bei Ausspruch einer betriebsbedingten ordentlichen Kündigung vom 17. Februar 1995 im Falle der Klägerin hätte einhalten müssen.

Die am 22. Februar 1962 geborene Klägerin war bei der Beklagten, die Bekleidung herstellt, in deren Zweigbetrieb in Greding seit dem 5. November 1979 als gewerbliche Arbeiterin beschäftigt.

Die Beklagte hat diesen Zweigbetrieb stillgelegt. Die Klägerin, die auch dem Betriebsrat angehörte, erhielt eine Kündigung vom 17. Februar 1995 zunächst zum 17. März 1995, die auf das Kündigungsdatum 31. März 1995 korrigiert worden ist.

Beide Parteien sind tarifgebunden.

Somit findet auf das Arbeitsverhältnis der (im übrigen auch für allgemeinverbindlich erklärte) Manteltarifvertrag vom 17. Mai 1979 für gewerbliche Arbeitnehmer der Bekleidungsindustrie in der Bundesrepublik Deutschland, gültig ab dem 1. Januar 1980 (im folgenden MTV gewerbliche Arbeitnehmer), Anwendung. Dieser sieht für die Lösung des Arbeitsverhältnisses in § 22 folgende Regelung vor:

  1. Die beiderseitige Kündigungsfrist beträgt zwei Wochen. Die Kündigung kann nur zum Wochenschluß erfolgen.
  2. Kündigt der Arbeitgeber, so beträgt die Kündigungsfrist:

    1. Nach Vollendung des 30. Lebensjahres und einer Betriebszugehörigkeit von 5 Jahren 1 Monat zum Monatsende,
    2. nach Vollendung des 35. Lebensjahres und einer Betriebszugehörigkeit von 10 Jahren 2 Monate zum Monatsende,
    3. nach Vollendung des 45. Lebensjahres und einer Betriebszugehörigkeit von 20 Jahren 3 Monate zum Ende eines Kalendervierteljahres.

In § 23 enthält vorgenannter MTV Regelungen über die Anrechnung früherer Betriebszugehörigkeitszeiten.

Für die Angestellten der bayerischen Bekleidungsindustrie gilt der Manteltarifvertrag vom 29. September 1994, der in § 2 (B) für die Kündigungsfristen auf die gesetzlichen Bestimmungen abstellt.

Während die Beklagte meint, sie habe zu Recht unter Einhaltung der tariflichen Kündigungsfrist das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin beenden können, ist diese demgegenüber der Ansicht, die tarifliche Regelung verstoße gegen den Gleichheitssatz und sei daher unwirksam. Die Ungleichbehandlung von Arbeitern und Angestellten insbesondere in der Bewertung der Wartezeiten bzw. Betriebszugehörigkeitszeiten sei aus sachlichen Gründen nicht mehr gerechtfertigt. Damit sei die gesetzliche Kündigungsregelung anzuwenden, so daß das Arbeitsverhältnis erst mit dem 30. April 1995 habe beendet werden können.

Die Beklagte hält dagegen, die unterschiedliche Behandlung von Angestellten und Arbeitern sei aufgrund der besonderen Verhältnisse in der Bekleidungsindustrie gerechtfertigt. Wegen der Einzelheiten im Sachvortrag der Beklagten wird auf deren Ausführungen im Schriftsatz vom 8. Juni 1995, Seite 3 mit 5 (Blatt 95/97 der Akte) Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht ist mit Endurteil vom 20. Dezember 1995 der Rechtsauffassung der Klägerin in der Frage der Bewertung der Kündigungsfrist gefolgt und hat festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis erst zum 30. April 1995 seine Beendigung gefunden habe.

Dieses Urteil wurde der Beklagten am 6. Februar 1996 zugestellt. Mit ihrer am 4. März 1996 eingelegten und am 28. März 1996 begründeten Berufung verfolgt die Beklagte ihre Rechtsauffassung zur tariflichen Kündigungsfrist unter Vertiefung ihres bisherigen Vorbringens weiter, während die Klägerin um Zurückweisung der Berufung gebeten hat.

Auf die Ausführungen der Beklagten in der Berufungsbegründung vom 27. März 1996, Seite 2 mit 5 (Blatt 78/81 der Akte) sowie auf die Ausführungen der Klägerin in der Berufungserwiderung vom 9. April 1996, Seite 2 mit 5 (Blatt 85/88 der Akte) wird im einzelnen Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

I.

Die zulässige Berufung ist nicht begründet.

Das Arbeitsgericht hat im Ergebnis zutreffend die tarifliche Regelung der Kündigungsfrist für gleichheitswidrig und damit unwirksam erachtet und statt der unwirksamen tariflichen auf die gesetzliche Kündigungsregelung des § 622 Abs. 2 Nr. 2 BGB n.F. abgestellt, so daß das Arbeitsverhältnis mit dem 30. April 1995 aufgrund ordentlicher betriebsbedingter Arbeitgeberkündigung beendet worden ist.

II.

Im einzelnen ist hierzu auszuführen:

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