Leitsatz (redaktionell)
1. Bei einem in Funktion gesetzten Arbeitsverhältnis bewirkt die Anfechtung regelmäßig nicht, dass das Arbeitsverhältnis von Anfang an als nichtig anzusehen ist. Anstelle der rückwirkenden Nichtigkeit nach § 142 Abs. 1 BGB hat die Anfechtung lediglich die kündigungsähnliche Wirkung der Auflösung des Arbeitsverhältnisses für die Zukunft (ex-nunc-Wirkung).
2. Ein Anspruch auf Rückzahlung geleisteter Arbeitsvergütung als Schadensersatzanspruch kommt nur in Betracht, soweit die geleisteten Vergütungen den Wert der geleisteten Arbeit übersteigen. Die fehlende Approbation mindert den Wert einer beanstandungsfreien Tätigkeit auf der Stelle eines Arztes nicht.
Normenkette
BGB § 142 Abs. 1, § 812 Abs. 1 S. 2
Verfahrensgang
ArbG München (Urteil vom 19.12.2002; Aktenzeichen 12 Ca 3170/01) |
Nachgehend
Tenor
1.Die Berufung des Klägers gegen dasEndurteil des Arbeitsgerichts München vom19.12.2002 – 12 Ca 3170/01 – wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
2. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Rückzahlung von Arbeitsentgelt.
Der Beklagte war beim klagenden pp. vom 01.06.1990 bis 31.05.1992 als Arzt in Weiterbildung, vom 1.6.1992 bis 2.1.1998 als Arzt in dessen Universitätsklinikum pp. in M. beschäftigt und erhielt zunächst eine Vergütung nach der Vergütungsgruppe II a BAT, seit dem 01.01.1994 nach der Vergütungsgruppe I b BAT. Der Beklagte hatte nie eine Zulassung als Arzt und hatte vor seiner Einstellung durch den Kläger eine gefälschte Approbationsurkunde vorgelegt.
Am 31.08.1999 erklärte der Kläger die Anfechtung des Arbeitsverhältnisses wegen arglistiger Täuschung.
Er macht in beiden Instanzen Ansprüche auf Rückzahlung von Arbeitsentgelt geltend, nämlich die Vergütungsdifferenz zwischen der Vergütungsgruppe I b BAT und der Vergütungsgruppe II a BAT für die Zeit vom 01.01.1994 bis 02.01.1998 sowie das Urlaubsentgelt und die geleistete Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall für die gesamte Dauer der Beschäftigung.
Mit Urteil vom 19.12.2002 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen, weil der Beklagte nach der Saldotheorie nicht bereichert sei. Der Kläger habe eine der Vergütung entsprechende Arbeitsleistung als Gegenleistung erhalten. Ein Schadensersatzanspruch bestehe nicht, da ein Schaden nicht ersichtlich sei.
Gegen dieses dem Kläger am 25.03.2003 zugestellte Endurteil richtet sich seine Berufung vom 31.03.2003, die am 07.05.2003 begründet worden ist.
Er ist der Auffassung, wegen seiner groben Täuschung könne sich der Beklagte nicht auf quasi-vertragliche Ansprüche aus einem faktischen Arbeitsverhältnis berufen. Er habe keine ärztliche Leistung des Beklagten erhalten und deshalb sei der Beklagte hinsichtlich der Vergütungsdifferenz ungerechtfertigt bereichert. Das gelte auch für das geleistete Urlaubsentgelt und die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalle, denn der Beklagte habe zu den Urlaubs- und Krankheitszeiten nicht gearbeitet.
Der Kläger stellt folgende Anträge:
I. Das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 19.12.2002 (AZ. 12 Ca 3170/01) wird aufgehoben.
II. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger
- DM 44.018,39 = EUR 22.506,25 zuzüglich 5,69 % Zinsen p. a. seit dem 18.02.2000 und
- weitere EUR 48.587,63 nebst 8 % Zinsen hieraus über dem jeweiligen gesetzlichen Basiszins ab Klagezustellung zu bezahlen.
Der Beklagte beantragt;
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die Entscheidung des Arbeitsgerichts für zutreffend und meint, die Anfechtung könne nicht rückwirken, weil das Arbeitsverhältnis vor dem 2.1.1998 nicht außer Funktion gesetzt worden sei.
Wegen der Einzelheiten des Sachvortrags der Parteien im Berufungsverfahren wird auf die Schriftsätze des Klägers vom 06.05., 12.06. und 17.07. sowie des Beklagten vom 10.06.2003 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I.
Die Berufung ist unbegründet, denn das Arbeitsgericht hat zu Recht angenommen, dass der Beklagte weder aus ungerechtfertigter Bereicherung zur Rückzahlung von Arbeitsentgelt verpflichtet ist noch ein Schadensersatzanspruch besteht.
1. Ein Rückzahlungsanspruch des Klägers nach § 812 Abs. 1 S. 2 BGB (Leistungskondiktion wegen Anfechtung des Arbeitsverhältnisses) kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil bei einem in Funktion gesetzten Arbeitsverhältnis die Anfechtung regelmäßig nicht bewirkt, dass das Arbeitsverhältnis von Anfang an als nichtig angesehen wird, sondern erst für die Zukunft wirkt. Anstelle der rückwirkenden Nichtigkeit wird der Anfechtung nur die kündigungsähnliche Wirkung der Auflösung des Arbeitsverhältnisses für die Zukunft (ex-nunc-Wirkung) zugeschrieben (BAG v. 03.12.1998 – 2 AZR 754/97 – NZA 99, 584; MünchArbR/Richardi, 2. Aufl., Rn. 65 ff. zu § 46; Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, 10. Aufl., Rn. 34 zu § 35; ErfK/Preis, 3. Aufl., Rn 170 ff zu § 611 BGB). Diese Auffassung widerspricht zwar § 142 Abs. 1 BGB. Die Kammer folgt ihr gleichwohl, insbesondere wegen der praktischen Schwierigkeiten, die bei einer Rückabwicklung eines durchgeführten Arbei...