Entscheidungsstichwort (Thema)
Angemessene Ausbildungsvergütung
Leitsatz (amtlich)
1. Unterschreitet die Ausbildungsvergütung die Empfehlungen der IHK um mehr als 20 %, so muss deren Anpassung nicht zwingend auf den vollen Betrag der Empfehlung erfolgen. Im Rahmen der Beurteilung der Angemessenheit der Ausbildungsvergütung sind auch die Umstände des Éinzelfalls zu berücksichtigen.
2. Bei Schadenersatzansprüchen wegen von Ausbildenden veranlasster Eigenkündigung des Auszubildenden ist eine Abfindung nach §§ 9, 10 KSchG zu berücksichtigen.
Normenkette
BBiG §§ 17, 23
Verfahrensgang
ArbG München (Urteil vom 12.11.2010; Aktenzeichen 31 Ca 1202/10) |
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 12. Nov. 2010 – 31 Ca 1202/10 – wird zurückgewiesen.
II. Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin und Berufungsklägerin 33/64, der Beklagte und Berufungsbeklagte 31/64.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten im Berufungsverfahren noch um Differenzvergütung und Schadenersatz wegen vorzeitiger Beendigung des zwischen ihnen bestandenen Ausbildungsverhältnisses.
Die Klägerin war beim Beklagten, der Ingenieurdienstleistungen im Bereich der Metallindustrie anbietet, als Auszubildende für den Beruf einer Kauffrau für Bürokommunikation in der Zeit vom 7. Juli 2008 bis 12. Nov. 2009 beschäftigt. Im Ausbildungsvertrag war eine Vergütung für das 1. Ausbildungsjahr von EUR 500.–, für das 2. Ausbildungsjahr von EUR 550.– und für das 3. Ausbildungsjahr von EUR 600.– festgehalten.
Auf das Ausbildungsverhältnis fand unmittelbar kein Tarifvertrag Anwendung. Die …ge gesamten Bereich … (nachfolgend: …) hatte für den Ausbildungsberuf Kauffrau für Bürokommunikation zum Stand 2007 eine Ausbildungsvergütung von EUR 669.– im 1. Ausbildungsjahr, von EUR 731.– im 2. Ausbildungsjahr und von EUR 801.– im 3. Ausbildungsjahr vorgeschlagen.
Der Beklagte zahlte ab August 2009 die Ausbildungsvergütung nicht mehr termingerecht. Am 12. Nov. 2009 kündigte die Klägerin das Ausbildungsverhältnis außerordentlich und begann am 1. Dez. 2009 ein neues Ausbildungsverhältnis, in dem sie eine Ausbildungsvergütung von EUR 519.– bezog. Sie fuhr, wie zur früheren Ausbildungsstätte, auch zur neuen, 8 km weiter von ihrer Wohnadresse entfernten Ausbildungsstätte, mit öffentlichen Verkehrsmitteln.
Mit Schreiben vom 12. Nov. 2009 hatte die Klägerin noch ausstehende Ausbildungsvergütung sowie Schadenersatzansprüche, auch wegen sexueller Belästigung, geltend gemacht. Der Beklagte hatte bis zur ersten mündlichen Verhandlung vor dem Arbeitsgericht EUR 1.591,13 netto an die Klägerin bezahlt.
Mit ihrer am 1. Feb. 2010 beim Arbeitsgericht München eingegangenen und dem Beklagten am 5. Feb. 2010 zugestellten Klage vom 1. Feb. 2010 begehrt sie nun Differenzvergütung, Mehrarbeitsvergütung, Beendigungsschadenersatz und Ersatz immaterieller Schäden.
Sie ist der Ansicht, der Beklagte habe keine angemessene Ausbildungsvergütung entrichtet. Ihr stünde vielmehr die Differenz zwischen der entrichteten und der angemessenen Ausbildungsvergütung zu. Die Angemessenheit ergebe sich, wie sie unter Hinweis auf den Überleitungstarifvertrag Niedersachsen meint, aus den Metalltarifverträgen, die eine höhere Ausbildungsvergütung vorsähen. Jedenfalls seien aber die Empfehlungen der … zugrunde zu legen. Ferner behauptet sie, Mehrarbeit geleistet zu haben. Weiterhin ist sie der Ansicht, der Beklagte habe ihre Eigenkündigung veranlasst, weswegen er Schadenersatz schulde. Dieser setze sich, wie sie meint, aus dem Gehalt während der einzuhaltenden regelmäßigen Kündigungsfrist von vier Wochen, einer Abfindung analog §§ 9, 10 KSchG und einer Kilometerpauschale wegen der weiteren Entfernung der neuen Ausbildungsstätte vom Wohnort zusammen.
Nach Ansicht des Beklagten stellten die Empfehlungen der … keinen Maßstab für sein Unternehmen dar. Bei diesen handle es sich um durchschnittliche Vergütungen, zusammengestellt aus verschiedenen Tarifverträgen in der Industrie, im Handwerk und im Handel. Für diese seien die jeweiligen Verhältnisse im Betrieb oder Unternehmen, insbesondere auch deren Größe, maßgebend. Mehrarbeitsstunden der Klägerin bestreitet er.
Das Arbeitsgericht München hat der Klägerin mit Endurteil vom 12. Nov. 2010 eine Vergütungsdifferenz von EUR 437,95 sowie eine angemessene Ausbildungsvergütung von EUR 2.122,72 brutto, abzüglich EUR 1.591,13 netto für die Monate August bis November 2009 sowie einen Schadenersatzbetrag von EUR 384,48 zugesprochen und die Klage im Übrigen abgewiesen. Hinsichtlich des unstreitigen und des streitigen Sachvortrags der Parteien im Übrigen, der erstinstanzlich gestellten Anträge sowie der rechtlichen Erwägungen des Arbeitsgerichts im Einzelnen wird auf diese Entscheidung Bezug genommen.
Im Wesentlichen begründet das Arbeitsgericht seine Entscheidung, soweit hier noch von Interesse, wie folgt: Die zugesprochene Vergütungsdifferenz rechtfer...