Entscheidungsstichwort (Thema)
Masseschuld, Bonus
Leitsatz (amtlich)
Ein in einer Betriebsvereinbarung geregelter Anspruch auf Zahlung eines jährlichen „Incentive-Bonus” ist aufgrund der vorliegenden Umstände – als Bestandteil des vertraglichen Gesamtjahresgehaltes, festgelegtem anteiligen Anspruch bei unterjährigem Ein- und Austritt und seiner Behandlung durch die Arbeitsvertragsparteien – Bestandteil des laufenden Gehalts, das damit monatlich entsteht und aus diesem Grund als anteiliger Anspruch für die Zeit vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Arbeitgeberin lediglich Insolvenzforderung, keine Masseverbindlichkeit im Sinne des § 55 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 InsO ist. (Insolvenzverfahren H.)
Normenkette
InsO § 55 Abs. 1, § 38
Verfahrensgang
ArbG München (Urteil vom 16.11.2010; Aktenzeichen 36 Ca 14711/09) |
Tenor
I. Die noch rechtshängige Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 16. November 2010 – 36 Ca 14711/09 – wird zurückgewiesen.
II. Die Kosten des Berufungsverfahrens haben die Klägerin zu 5/6 und der Beklagte zu 1/6 zu tragen.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten noch über Ansprüche der Klägerin auf Zahlung eines anteiligen variablen Gehaltsbonus („Incentive-Bonus”) durch den beklagten Insolvenzverwalter über das Vermögen ihrer ehemaligen Arbeitgeberin.
Die Klägerin war bei der H. – wohl zuvor bereits bei der I. als (ehemaliger) Muttergesellschaft der H. – als, so die Angaben des Beklagten, „Senior Manager Marketing Operations” beschäftigt. Die Klägerin hatte unstreitig Anspruch auf ein Jahreszieleinkommen von zuletzt 80.360,– EUR brutto, das sich aus einem Jahresgrundgehalt von 63.360,– EUR brutto, entsprechend einem Monatsentgelt von 5.280,– EUR brutto, und einem jährlichen Bonus („Incentive-Bonus”) von 17.000,– EUR brutto bei einhundertprozentiger Erreichung jährlich festzulegender Ziele für das volle Geschäftsjahr (01.10. bis 30.09. des Folgejahres) zusammensetzte. Nachdem die H. am 23.01.2009 einen Eigenantrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen gestellt hatte, wurde mit Beschluss des Amtsgerichts E-Stadt – Insolvenzgericht – vom selben Tag zunächst die vorläufige Insolvenzverwaltung angeordnet (Kopie dieses Beschlusses, Anl. B1, Bl. 47/48 d. A.) und mit weiterem Beschluss desselben Gerichts vom 01.04.2009 (Anl. B2, Bl. 49 bis 51 d. A.) mit Wirkung vom selben Tag das (Haupt-)Insolvenzverfahren über das Vermögen der H. eröffnet und der Beklagte zum (endgültigen) Insolvenzverwalter bestellt. Dieser kündigte mit Schreiben ebenfalls vom 01.04.2009 (auszugsweise: Anl. K1, Bl. 8 d. A.) das Arbeitsverhältnis der Klägerin zum 31.07.2009 und stellte diese gleichzeitig unwiderruflich von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung frei.
Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits waren zunächst auch Ansprüche der Klägerin auf Zahlung eines zusätzlichen „Retention Payment”, das ihr mit Schreiben vom 21.10.2008 (Anl. K4, Bl. 11 d. A.) „zum 30. September 2009” in Höhe eines einmaligen Betrages von 44.350,– EUR brutto unter der Voraussetzung zugesagt worden war, dass sie ihr Arbeitsverhältnis mit der Insolvenzschuldnerin bis zu diesem Zeitpunkt nicht von sich aus gekündigt habe. Hierüber haben die Parteien im Berufungsverfahren zuletzt einen Teilvergleich geschlossen, der mit gerichtlichem Beschluss vom 14.07.2011 (Bl. 631/632 d. A.) im Wege des § 278 Abs. 6 ZPO festgestellt wurde.
Im Berufungsverfahren rechtshändig ist noch die weitere Forderung der Klägerin auf einen anteiligen Bonus („Incentive-Bonus”), für dessen Zahlung nach übereinstimmendem Vorbringen der Parteien die Bestimmungen der „Gesamtbetriebsvereinbarung zur Variablen Vergütung im übertariflichen Bereich in der I. (ÜT-Bonus) (vom 21.06.2005) in der Fassung des ersten Nachtrags vom 28.06.2006” (Anl. B21, Bl. 82 bis Bl. 90 d. A.) bzw. – inhaltlich damit im Wesentlichen übereinstimmend – die „Betriebsvereinbarung zur Variablen Vergütung im übertariflichen Bereich in der H. (ÜT-Bonus)” vom 16.11.2006 (Anl. B43, Bl. 546 bis Bl. 553 d. A.) maßgeblich sind. Hiernach haben die Arbeitnehmer, auch bei unterjährigem Ein- oder Austritt, ebenso bei Arbeitsplatzwechsel innerhalb der Insolvenzschuldnerin, einen – ggf. anteiligen – Anspruch auf den jeweiligen Bonus zeitanteilig zur Zeitdauer des Bestandes des Arbeitsverhältnisses innerhalb des Geschäftsjahres (dort Ziff. 11). Bonuszielvereinbarungen sind hiernach jeweils bis spätestens 01.12. des laufenden Geschäftsjahres abzuschließen, wobei die Feststellung des Zielerreichungsgrades der individuellen Ziele „… bis spätestens 31.12. des auf die Zielvereinbarungsperiode folgenden Geschäftsjahres zu erfolgen” hatte. Mit Schreiben der Insolvenzschuldnerin vom 20.04.2009 (Anl. K3, Bl. 10 d. A.) wurde den Arbeitnehmern unter dem Betreff: „Einkommensanpassung zum 01.04.2009” mitgeteilt, dass mit Wirkung zum 01.04.2009, u. a., auch der „Variable Anteil für übertarifliche (ÜT) und Führungskreis-Mitarbeiter” monatlich mit 1/12 als fixer...