Entscheidungsstichwort (Thema)
Stattgabe übereinstimmender Auflösungsanträge beider Arbeitsvertragsparteien. Uwirksame verhaltensbedingte Kündigung eines kaufmännischen Angestellten wegen Verletzung arbeitsvertraglicher Überwachungs- und Kontrollpflichten
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein von beiden Parteien übereinstimmend gestellter Antrag auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses bedarf keiner Begründung (mehr), da im Ergebnis dem Grunde nach ein faktisches Anerkenntnis des jeweils gegnerischen Auflösungsantrages vorliegt und die Parteien statt eines, aus welchen Gründen auch immer nicht erfolgten oder möglichen Vergleichsabschlusses im Ergebnis die Festlegung einer Abfindung im Rahmen des § 10 KSchG in das richterliche Ermessen stellen.
2. Im Fall des überstimmend geäußerten Wunsches auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses und damit dessen beidseitig gewollter endgültiger Beendigung entfällt eine inhaltliche Prüfung der fehlenden Zumutbarkeit einer Fortsetzung für den klagenden Arbeitnehmer (§ 9 Abs. 1 Satz 1 KSchG) und/oder des Vorliegens von Gründen für das Fehlen einer weiteren betriebsdienlichen Zusammenarbeit als Voraussetzung für den Auflösungsantrag der beklagten Arbeitgeberin (§ 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG); ein Festhalten der Parteien am Arbeitsverhältnis gegen ihren übereinstimmenden Willen würde nicht nur den Bestandserhaltungsgedanken des Kündigungsschutzgesetzes nahezu ins Satirische überhöhen und letztlich konterkarieren sondern die Parteien in der Folge auch zu entsprechenden Ausweichstrategien oder Umgehungsreaktionen zwingen.
Normenkette
KSchG § 1 Abs. 2 S. 1, §§ 9-10; GewO § 109; KSchG § 1 Abs. 2 S. 1 Alt. 2, § 9 Abs. 1 Sätze 1-2, Abs. 2, § 10 Abs. 1, 3; BGB § 241 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG München (Entscheidung vom 12.12.2014; Aktenzeichen 39 Ca 503/14) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Schlussurteil des Arbeitsgerichts München vom 12. Dezember 2014 - 39 Ca 503/14 -, unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen, in den Ziffern 2. und 3. geändert:
2. Das Arbeitsverhältnis wird auf die Anträge beider Parteien zum 31.03.2014 aufgelöst.
3. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin eine Abfindung gemäß der §§ 9 und 10 KSchG in Höhe von 16.800,-- € brutto zu bezahlen.
II. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten noch über die Rechtswirksamkeit einer ordentlichen Arbeitgeberkündigung der Beklagten gegenüber dem Kläger und nunmehr von beiden Parteien - von der Beklagten zuletzt ebenfalls hilfsweise - gestellte Anträge auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung sowie einen Anspruch des Klägers auf Zahlung restlichen Weihnachtsgeldes für das Jahr 2013.
Der, am 00.00.0000 geborene und für ein Kind unterhaltspflichtige, Kläger war auf der Grundlage eines schriftlichen Arbeitsvertrages (als Fragment vorgelegt unter Anlage K1, Bl. 7 bis Bl. 9 d. A.) seit 26.02.2007 bei der Beklagten, die ein Großhandelsgeschäft in der Großmarkthalle M. - mit Vertrieb von Obst und Gemüse insbesondere an die Fa. A. - betreibt, als Groß- und Außenhandelskaufmann (kaufmännischer Angestellter) mit einer Vergütung von - so das Vorbringen des Klägers - insgesamt 3.195,06 € brutto/Monat beschäftigt. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger mit Schreiben vom 10.01.2014 zum 31.03.2014. Mit der vorliegenden Klage macht dieser noch die Rechtsunwirksamkeit dieser Kündigung, verbunden mit einem Antrag auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses zum Kündigungstermin gegen Zahlung einer Abfindung - einen solchen stellt zuletzt hilfsweise auch die Beklagte -, sowie einen Anspruch auf Zahlung restlichen Weihnachtsgeldes für das Jahr 2013 - im Berufungsverfahren, im Wege der Anschlussberufung, hilfsweise weiter Ansprüche auf Weiterzahlung der Arbeitsvergütung über den März 2014 hinaus - geltend.
Das Arbeitsgericht hatte durch Teilurteil vom 25.07.2014 die Beklagte zunächst zur darüber hinaus geltend gemachten Entfernung (und "Vernichtung") einer Abmahnung der Beklagten aus der Personalakte des Klägers verurteilt und gleichzeitig deren Widerklage auf Zahlung von Schadensersatz - diese im wesentlichen gestützt auf die nämlichen Gründe, die der noch streitgegenständlichen ordentlichen Kündigung der Beklagten vom 10.01.2014 zugrunde liegen - abgewiesen. Die von der Beklagten gegen dieses Teilurteil eingelegte Berufung wurde durch Urteil der Berufungskammer vom 29.01.2015 in vollem Umfang zurückgewiesen; die Nichtzulassungsbeschwerde, die die Beklagte hiergegen - offensichtlich teilweise - eingelegt hat, ist durch das Bundesarbeitsgericht noch nicht entschieden.
Wegen des unstreitigen Sachverhalts im Übrigen und des streitigen Vorbringens sowie der Anträge der Parteien im Ersten Rechtszug wird auf den Tatbestand des hier angefochtenen Schlussurteils des Arbeitsgerichts München vom 12.12.2014, das den Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 19.12.2015 zugestellt wurde, Bezug genommen, mit dem dieses zum einen die fehle...