Entscheidungsstichwort (Thema)

Widerspruch gegen einen Betriebsübergang. fehlerhafte Information des Betriebsveräußerers. keine Verwirkung. keine unzulässige Rechtsausübung infolge Mitwirkung an der Erstellung des Informationsschreibens

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Im Fall eines Betriebsübergangs ist der Arbeitnehmer so zu informieren, dass er sich über die Person des Übernehmers und über die in § 613a Abs. 5 BGB genannten Umstände ein Bild machen kann. Er soll durch die Unterrichtung eine ausreichende Wissensgrundlage für die Ausübung oder Nichtausübung seines Widerrufsrechts erhalten. So soll insbesondere dem Arbeitnehmer auch die Möglichkeit eröffnet werden, sich weitergehend zu erkundigen und ggf. beraten zu lassen, um dann auf dieser Grundlage über einen Widerspruch gegen den Übergang seines Arbeitsverhältnisses zu entscheiden. Dabei hat sich der Inhalt der Unterrichtung nach dem Kenntnisstand des Veräußerers und des Erwerbers zum Zeitpunkt der Unterrichtung zu richten.

2. Die Entgegennahme einer Gehaltserhöhung und eines Jubiläumsgelds beim Betriebserwerber steht in keinem Zusammenhang zum Umstandsmoment im Rahmen der Verwirkung des Widerspruchsrechts gegen den Betriebsübergang.

 

Normenkette

BGB §§ 613a, 242

 

Verfahrensgang

ArbG München (Urteil vom 24.10.2007; Aktenzeichen 7 Ca 18543/06)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 20.05.2010; Aktenzeichen 8 AZR 734/08)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen dasEndurteil des Arbeitsgerichts München vom24.10.2007 – Az.: 7 Ca 18543/06 – wird zurückgewiesen.

2. Auf die Berufung des Klägers wird das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 24.10.2007 – Az.: 7 Ca 18543/06 – in Ziffer 2.) wie folgt abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger

8.872,79 EUR (i. W.: achttausendachthundertzweiundsiebzig 79/100 Euro) brutto

abzüglich

6.747,02 EUR (i. W.: sechstausendsiebenhundertsiebenundvierzig 2/100 Euro) netto

nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz aus 2.125,77 EUR (i. W.: zweitausendeinhundertfünfundzwanzig 77/100 Euro) zu bezahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 1/3, die Beklagte 2/3.

4. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses infolge eines vom Kläger erklärten Widerspruchs gegen den Übergang seines Arbeitsverhältnisses im Rahmen des Betriebsübergangs auf die Fa. B. M. GmbH & Co. OHG sowie über Vergütungsansprüche des Klägers.

Der Kläger war seit 01.07.1996 bei der Fa. S. N. I. AG und nach deren Eingliederung bei der Beklagten zuletzt als Personalleiter bis zum 30.06.2005 im Bereich I. und M. D. beschäftigt. Zum 01.07.2005 wurde der Kläger in das Geschäftsgebiet M. D. versetzt und war dort als Leiter Arbeitsrecht mit einem Jahreszielgehalt in Höhe von 00,00 EUR brutto tätig. Sein Arbeitsort war der Betrieb Mü., H.platz.

Er war Mitglied der Betriebsleitung.

Die Beklagte verkaufte mit Vertrag vom 06.06.2005 den Geschäftsbereich M. D. an die B. C. mit Sitz in T. Zu diesem Zweck wurde zwischen der Beklagten und der B. C. ein als „Master Sale and Purchase Agreement” (MSPA) bezeichneter Vertrag abgeschlossen, der sich auf weltweit verteilte Standorte bezog. Der weltweite Verkauf wurde am 30.09.2005 vollzogen. Hierzu sah der MSPA vor, die Vermögensgegenstände Land für Land im Rahmen sog. „Local Asset Transfer Agreements” im Wege der Einzelrechtsübertragung (Asset Deal) auf eigens gegründete Landesgesellschaften der B.-Gruppe zu übertragen. Der deutsche Teil des Geschäftsbereichs M. D. wurde am 30.09.2005 auf die Fa. B. M. GmbH & Co. OHG übertragen. Dieses Unternehmen wurde mit Gesellschaftsvertrag vom 30.08.2005 mit den Gesellschafterinnen Fa. B. M. M. GmbH und Fa. B. W. GmbH gegründet. Im Rahmen des Unternehmenskaufvertrages zahlte die Beklagte an die B. C. einen Betrag in Höhe von 350 Mio. EUR. Des Weiteren wurden im Rahmen des Verkaufs Patente und Markenrechte an die B. C., also die Muttergesellschaft in T., veräußert. Ein Teil der Patente wurde im Zugriff der Fa. B. M. GmbH & Co. OHG belassen.

Der Kläger war am Standort Mü. Mitglied des sog. „Carve-Out-Projektteams Personal”, das im Zuge der Ausgliederung des Geschäftsbereich M. D. gebildet worden war. Zu den Aufgaben des Carve-Out-Teams gehörte u. a. die Erstellung eines Informationsschreibens an die Mitarbeiter des Geschäftsbereichs M. D. bezüglich des geplanten Betriebsübergangs. Im Rahmen dieses Teams war der Kläger am Teilprojekt Human Resources beteiligt, wobei er Mitglied verschiedener Unterprojekte war, welche von verschiedenen Teilprojektleitern geleitet wurden, die wiederum ihrerseits verschiedenen Vorgesetzten im Rahmen des Projekts Human Resources unterstellt waren. Neben der Erstellung des Informationsschreibens wurde auch eine Gesamtbetriebsvereinbarung zur Überleitung geschlossen. Auch hierfür war das Carve-Out-Team zuständig. Der Kläger nahm an den Verhandlungen mit dem Gesamtbetriebsrat nicht teil. Bei der Erstellung des Informationsschreibens wurden zum Teil Muster a...

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