Entscheidungsstichwort (Thema)
Eingruppierung eines Klinikarztes. Unbegründete Feststellungsklage eines Oberarztes bei fehlender Verantwortung für einen Teil- oder Funktionsbereich der Klinik
Leitsatz (amtlich)
Auch unter Berücksichtigung der Besonderheiten der Anästhesiologie trägt der Kläger keine medizinische Verantwortung für einen Teil- oder Funktionsbereich der Klinik und ist deshalb nicht als Oberarzt im Sinne des § 12 Entgeltgruppe Ä3 TV-Ärzte/TdL einzugruppieren.
Normenkette
TV-Ärzte/TdL § 12; ZPO § 256 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG München (Entscheidung vom 22.07.2008; Aktenzeichen 14 Ca 8856/07) |
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 22.07.2008 - Az. 14 Ca 8856/07 - wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Die Revision wird für den Kläger zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Frage, ob der zwischenzeitlich aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschiedene Kläger tarifrechtlich nach der Entgeltgruppe Ä 3 gemäß § 12 des Tarifvertrags für Ärztinnen und Ärzte an Universitätskliniken (im Folgenden: TV-Ärzte/TdL) vom 30.10.2006 zu vergüten war und auch darüber, ob ihm der Beklagte im Laufe des Rechtsstreits eine entsprechende Vergütung zugesagt hat.
Der Kläger ist ausgebildeter Facharzt für G. und war seit 01.03.1976 beim Beklagten im F. (im Folgenden: Klinikum) beschäftigt (vgl. Arbeitsvertrag vom 14.06.1976, Bl. 439 f. d.A.).
Laut "Änderung des Arbeitsvertrages" vom 29.01.1980 umfasste seine Tätigkeit folgende Aufgaben: "Fachärztliche Versorgung von Patienten" (Bl. 8 d.A.). Mit Wirkung zum 31.05.2011 schied der Kläger altersbedingt aus dem Arbeitsverhältnis aus.
Im F. war der Kläger an der Klinik für G. tätig. Er führte seit Juni 1984 die Bezeichnung "Oberarzt" (vgl. Zeugnisse vom 16.10.1991, Bl. 76 ff. d. A., 28.02.1994, Bl. 79 d. A., und 13.04.1998, Bl. 80 ff. d.A.). Der Kläger war Mitglied des Personalrates.
Das F. verfügt über 33 Narkosesäle/Einsatzstellen. In "Tagesplänen" der Klinik für G. (vgl. etwa K21 zum Schriftsatz des Klägers vom 31.01.2008, Bl. 147 d.A.) werden Fachärzte und Assistenzärzte auf die Operationssäle, in denen an diesem Tag operiert wird, verteilt (Spalte 3 der Anlage K21). Nicht jedem Operationssaal ist ein Facharzt zugewiesen; die Zuweisung erfolgt auch an Assistenzärzte. Die eingeteilten Fachärzte übernehmen gegenüber den Assistenzärzten auch Aufsichtsfunktionen. Mehrere Operationssäle sind darüber hinaus Ärzten zugewiesen, die der Beklagte tariflich als Oberärzte einstuft (Spalte 2 der Anlage K21).
Die Regelarbeitszeit für den Kläger begann gegen 7.30 Uhr. Um diese Zeit treffen sich sämtliche G. zu einer Dienstbesprechung, welche durch den Chefarzt geleitet wird. Im Anschluss verteilen sich die G. auf die Narkosesäle/Einsatzstellen und beginnen das Tagesgeschäft im Rahmen der einzelnen OP-Pläne.
Auch der Kläger wurde während seiner Regelarbeitszeit (07.30 Uhr bis 16.00 Uhr) jeweils einem (wechselnden) Operationssaal zugewiesen (vgl. K21: Operationssaal HNO1; vgl. auch Anlage B1 zum Beklagtenschriftsatz vom 25.02.2008, Bl. 174 ff. d. A.: hiernach wurde der Kläger in der Regel "variabel" eingeteilt, d.h. nicht einem festen Operationssaal zugewiesen).
Zum Teil trat der Kläger gegenüber Privatpatienten in Vertretung des Chefarztes H. auf.
Der Kläger überprüfte zudem jahrelang Anträge auf Vergütung von Überstunden der Ärzte und Fachärzte und war auch Strahlenschutzbeauftragter.
Der Kläger wurde außerhalb seiner Regelarbeitszeit auch zu sog. FOA-Diensten (FOA als Abkürzung für Funktionsoberarzt) eingeteilt. Zu solchen Diensten werden nur Fachärzte eingeteilt. Ihre Funktion ist die Überwachung der Assistenzärzte, die für Operationssäle eingeteilt sind, in denen nach Ende der Regelarbeitszeit noch operiert wird. Daneben ist ein Arzt, den der Beklagte als Tarif-Oberarzt eingruppiert, in telefonischer Rufbereitschaft eingeteilt. Der Funktionsoberarzt trifft darüber hinaus Entscheidungen im Zusammenhang mit der Aufnahme von Notfallpatienten. Das Protokoll der Klinikumskonferenz vom 07.03.2005 regelte hierzu unter TOP 2 folgendes:
"Die Rettungsleitstelle nimmt Kontakt mit der chirurgischen Poliklinik auf. Diese leitet das Gespräch an den diensthabenden Oberarzt der Klinik für G. weiter, der ohne Rücksprache mit den betroffenen Fachbereichen über die Aufnahme entscheiden kann. Prinzipiell sollen die Patienten noch im gleichen Telefonat angenommen werden. Dem Oberarzt der Klinik für G. wird ein Belegungsrecht auf allen Intensivstationen und der Intermediate Care Station 2/2 eingeräumt."
(Bl. 84 d.A.)
Daneben gibt es noch eine Einteilung in die sog. Praemedikations - Ambulanz. Aufgabe hierbei ist die Durchführung des ärztlichen Beratungs- und Aufklärungsgesprächs mit den Patienten, die vor einer Operation stehen.
Der Kläger hat erstinstanzlich geltend gemacht, er trage nicht nur den Titel "Oberarzt", sondern übe auch die Tätigkeit eines Oberarztes aus. Das ...