Entscheidungsstichwort (Thema)
Vollzugslage für Pflegekräfte im Bezirkskrankenhaus
Leitsatz (amtlich)
Pflegekräfte in einer geschlossenen Station eines Bezirkskrankenhauses in Bayern, in der ausschließlich straffällig gewordene Personen zur Entziehung von einer Suchtmittelerkrankung auf Anordnung der Strafgerichte gem. § 64 StGB untergebracht sind, haben Anspruch auf die sog. Vollzugszulage nach § 9 Abs. 1 des Tarifvertrages über Zulagen an Angestellte vom 17.05.1982 (VKA).
Normenkette
Zulagen TV f. Angestellte vom 17.05.82 (VKA) § 9 Abs. 1; StGB § 64
Verfahrensgang
ArbG München (Urteil vom 18.06.1998; Aktenzeichen 23 Ca 12852/97) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Kläger werden die Endurteile des Arbeitsgerichts München vom 18.6.1998 – 23 Ca 12851/97 und 23 Ca 12852/97 – abgeändert:
- Der Beklagte wird verurteilt, an jeden Kläger jeweils DM 2.109,55 brutto zu zahlen.
- Es wird festgestellt, daß der Beklagte verpflichtet ist, an die Kläger auch ab 1.10.1998 die Vollzugszulage nach § 9 Abs. 1 des Tarifvertrages über Zulagen für Angestellte vom 17.5.1982 zu gewähren.
2. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits beider Rechtszüge zu tragen.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Parteien ist streitig, ob die Kläger die sogenannte Vollzugszulage über den 1.11.1996 hinaus beanspruchen können.
Der Beklagte ist Träger des Bezirkskrankenhauses …, eines psychiatrischen Krankenhauses. Dort sind die beiden Kläger auf der Station … als Pflegekräfte beschäftigt. In den schriftlichen Arbeitsverträgen der Kläger ist die Geltung des Bundesangestelltentarifvertrages (BAT) in der für den Bereich der kommunalen Arbeitgeber jeweils geltenden Fassung, der einschlägigen Sonderregelung für den BAT und der sonstigen für den Bereich des Arbeitgebers geltenden Tarifverträge in der jeweiligen Fassung vereinbart.
Bei der Station … handelt es sich um eine geschlossene Station, in der ausschließlich straffällig gewordene Personen zur Entziehung von einer Suchtmittelerkrankung auf Anordnung der Strafgerichte gemäß § 64 StGB untergebracht sind. Bis zum 31.10.1996 erhielten die Kläger die sog. Vollzugszulage nach § 9 Abs. 1 des Tarifvertrages über Zulagen an Angestellte vom 17.5.1982 (VKA) in Höhe von DM 181,72 brutto, auf welche die sog. Psychiatriezulage in Höhe von DM 90,– angerechnet wurde. Mit Schreiben vom 14.10.1996 teilte der Beklagte den Klägern mit, daß die Vollzugszulage bisher auf Grund einer rechtsirrtümlichen Anwendung des Zulagentarifvertrages gezahlt worden sei, da diese nach Ansicht des Beklagten nur den Pflegekräften in den geschlossenen Abteilungen zustehe, in denen straffällige Personen zur psychiatrischen Behandlung nach § 63 StGB von den Strafgerichten eingewiesen seien.
Die Kläger haben im November 1996 schriftlich vom Beklagten die Weiterzahlung der Vollzugszulage erfolglos geltend gemacht und schließlich am 22.8.1997 beim Arbeitsgericht München Klage auf Fortzahlung der Vollzugszulage über den 11.6.1996 hinaus erhoben. Sie haben den Standpunkt vertreten, daß sie in einer geschlossenen Station in einem psychiatrischen Krankenhaus tätig seien, die ausschließlich dem Vollzug von Maßregeln der Sicherung und Besserung diene. Auch bei den Entziehungsmaßnahmen nach § 64 StGB handele es sich um Maßnahmen der Sicherung und Besserung nach § 61 StGB. Deshalb stünde den Klägern weiterhin der Differenzbetrag zwischen der unstreitig gewährten Psychiatriezulage und der Vollzugszulage von monatlich DM 91,72 brutto zu.
Demgegenüber hat der Beklagte die Auffassung vertreten, daß die tarifliche Regelung den Zweck verfolge, die Angestellten hinsichtlich der Zulagen gleich zu behandeln mit beamteten Kräften in den psychiatrischen Krankenanstalten. Nach der Vorbemerkung Nr. 12 zu den BBesO A und B stünden diesen jedoch die Vollzugszulagen nur zu, wenn sie in psychiatrischen Krankenanstalten in geschlossenen Abteilungen tätig seien, in denen Maßregeln der Sicherung und Besserung nach § 63 StGB durchgeführt würden. Die Vorschrift sei eng auszulegen und gelte nicht für Entziehungsanstalten i. S. von § 64 StGB. Deshalb könnten die Angestellten ebenfalls keine Zulage beanspruchen.
Das Arbeitsgericht München hat mit Endurteilen vom 18.6.1998 die Klagen abgewiesen und sich der Rechtsauffassung des Beklagten angeschlossen.
Gegen die ihnen jeweils am 25.6.1998 zugestellten Urteile des Arbeitsgerichts München haben die Kläger jeweils am 20.7.1998 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis 21.9.1998 jeweils durch die am 21.9.1998 eingereichten Schriftsätze gleichen Datums begründet. Die Berufungskammer hat mit Beschluß vom 1.4.1999 die Berufungsverfahren verbunden.
Die Kläger verfolgen mit ihrer Berufung ihren Anspruch auf die Vollzugszulage über den 1.11.1996 hinaus weiter. Sie machen geltend, daß sie zweifelsfrei in einer geschlossenen Abteilung eines psychiatrischen Krankenhauses als Pflegekräfte tätig seien und daß in dieser eine Maßregel der Sicherung und Besserung i. S. von § 61 StGB durchgeführt werde....