Entscheidungsstichwort (Thema)
Auftragsnachfolge durch Neuvergabe eines Zustellauftrages an ein anderes Tochterunternehmen. Betriebsbedingte Kündigung bei vollständiger Einstellung des Zustellbetriebs
Leitsatz (amtlich)
Wenn die Zustellung von Tageszeitungen an Abonnenten eines Verlages lediglich unter Verwendung der schon bisher benutzten Hausschlüssel bei veränderten Zustellbezirken und modifizierter Ablauforganisation (keine Abholung mehr an den Verteilstellen) bei Übernahme einiger weniger, nicht durch besondere Sachkunde ausgewiesener Mitarbeiter an Stelle des früher mit der Zustellung betrauten Unternehmens durchgeführt wird, stellt sich dies nicht als Betriebsübergang dar. Die fehlende Unterbrechung der Zustellung ändert daran ebenso wenig wie die - in der Natur eines Zustellungsauftrages liegende - Ähnlichkeit der auszuübenden Tätigkeiten und die mit dem Zustellauftrag verbundene Identität von Auftraggeber und Abonnenten. Einer etwaigen Zugehörigkeit der Zustellunternehmen zum Konzern des Verlages kommt keine ausschlaggebende Bedeutung zu.
Normenkette
BGB § 613a; BGB § 613a Abs. 1 S. 1; KSchG § 1 Abs. 2 S. 1 Alt. 3
Verfahrensgang
ArbG München (Entscheidung vom 27.11.2012; Aktenzeichen 41 Ca 5881/12) |
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 27.11.2012 - 41 Ca 5881/12 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
2. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung der Beklagten zu 2) vom 28.04.2012 und darüber, ob das Arbeitsverhältnis auf die Beklagte zu 1) übergegangen ist und sie den Kläger als Zeitungszusteller weiter zu beschäftigen hat.
Der am 04.09.1959 geborene Kläger war seit 10.01.1985 bei der Beklagten zu 2) als Zeitungszusteller beschäftigt; zuletzt erhielt er ein Bruttomonatsgehalt in Höhe von 3.100,00 Euro bei einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 43,00 Stunden pro Woche.
Die Beklagte zu 2) ist ein Unternehmen, dessen einziger Unternehmensgegenstand und Betriebszweck in der Verteilung von Zeitungen an Abonnenten im Innenstadtbereich von A-Stadt bestand. Die Beklagte zu 2) beschäftigte im Januar 2012 circa 57 Arbeitnehmer und betrieb drei sogenannte "Verteilstellen", bei denen die Zusteller sich Zeitungen zur Verteilung abholten. Diese Verteilstellen befanden sich in der Sonnenstraße im H.-viertel, in der Sp.-straße in OG sowie in der Pi.-Straße in UG. Gesellschafter der Beklagten zu 2) waren die "S" und die "SFG".
Bei der Beklagten zu 2) bestand ein Betriebsrat. Der Kläger war Mitglied dieses Betriebsrats.
Einziger Auftraggeber der Beklagten zu 2) war die "SZLG". Diese kündigte den Dienstleistungsvertrag über die Zeitungszustellung mit der Beklagten zu 2) mit Schreiben vom 30.11.2011 mit Wirkung zum 29.02.2012 (vgl. Bl. 49 d. A.).
Die Gesellschafter der Beklagte zu 2) beschlossen am 11./12.01.2012, den Geschäftsbetrieb der Beklagten zu 2) vollständig einzustellen (vgl. Anlage B 1, Bl. 48 d. A.).
Der Zustellvertrag über die Zeitungszustellung wurde von der "SZLG" mit Wirkung zum 01.03.2012 neu vergeben, und zwar an die Beklagte zu 1). Sie verwendet die früher von der Beklagten zu 2) genutzten Schlüssel.
Mit Schreiben vom 19. April 2012 wurde der Betriebsrat der Beklagten zu 2) unterrichtet wie folgt (vgl. Bl. 30 ff. d. A.):
"Anhörung gemäß § 102 BetrVG zu beabsichtigten Kündigungen
Sehr geehrter Herr A., sehr geehrte Damen und Herren,
mit Schreiben vom 12.01.2012 hatten wir Sie darüber informiert, dass der einzige Auftraggeber unseres Unternehmens, die SZLG, den Dienstleistungsvertrag mit der C. ("Z") am 30.11.2011 ordentlich und fristgerecht zum Ablauf des 29.02.2012 gekündigt hat und dass die Gesellschafterversammlung daraufhin am 12.01.2012 beschlossen hat, die Geschäftstätigkeit des Unternehmens zum Ablauf des 29.02.2012 endgültig einzustellen und den Betrieb stillzulegen. Seit dem 01.03.2012 werden in den Verteilstellen der Z keine Zeitungen mehr angeliefert.
Aufgrund der vorgenannten Unternehmerentscheidung zur Stilllegung des Betriebes sind sämtliche Arbeitsplätze im Betrieb zum Ablauf des 29.02.2012 endgültig und ersatzlos weggefallen. Wir beabsichtigen daher, die Arbeitsverhältnisse sämtlicher Arbeitnehmer der Z unverzüglich, d.h. sobald die betriebsverfassungsrechtlichen sowie ggf. sonstigen öffentlich-rechtlichen Voraussetzungen vorliegen, ordentlich und fristgemäß zum nächst zulässigen Termin aus dringenden betrieblichen Gründen zu kündigen; (...). Auf die beigefügte Liste der zu kündigenden Arbeitnehmer nehmen wir Bezug. Wie Sie wissen, sind bis auf die zuletzt als Bürokraft eingesetzte Frau M T alle Arbeitnehmer als Zeitungszusteller beschäftigt. Alle übrigen Arbeitnehmer der Z, die zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Betriebsstilllegung beschäftigt waren, sind zwischenzeitlich ausgeschieden, ausgenommen Herr A A I (...), der aufgrund Aufhebungsvertrages vom 21.03.2012 erst zum 30.04.2012 ausscheiden wird.
Da die Z ihren Betrieb insgesamt einstellt und keine weiteren Betrieb...