Entscheidungsstichwort (Thema)

betriebliche Übung. Gesamtzusage. beamtenähnliche Versorgung. Betriebliche Übung. Freiwilligkeitsvorbehalt

 

Leitsatz (amtlich)

Zum Anspruch auf Vereinbarung eines sog. Versorgungsrechts (Versorgungsleistungen, Sozialversicherungsfreiheit, Beihilfeberechtigung, Schutz vor Entlassung) aus betrieblicher Übung.

– Parallelverfahren zu 5 Sa 929/10, 5 Sa 930/10, 5 Sa 931/10, 5 Sa 932/10, 9 Sa 933/10 –

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Eine Gesamtzusage ist die an alle Arbeitnehmer des Betriebs oder einen nach abstrakten Merkmalen bestimmten Teil von ihnen in allgemeiner Form gerichtete ausdrückliche Erklärung des Arbeitgebers, bestimmte Leistungen erbringen zu wollen.

2. In Abgrenzung zur betrieblichen Übung ist Voraussetzung einer Gesamtzusage, dass eine ausdrückliche Erklärung an die Belegschaft oder einen Teil von ihr erfolgt ist.

3. Auch Ansprüche auf eine betriebliche Altersversorgung können durch betriebliche Übung begründet werden.

 

Normenkette

BGB § 242

 

Verfahrensgang

ArbG München (Urteil vom 04.08.2010; Aktenzeichen 16 Ca 17123/09)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 15.05.2012; Aktenzeichen 3 AZR 511/11)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 04.08.2010 – Az. 16 Ca 17123/09 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird für die Beklagte zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob die Klägerin einen Anspruch darauf hat, dass die Beklagte ihr vertraglich das so genannte Versorgungsrecht einräumt. Durch das Versorgungsrecht hätte sie Anspruch auf Versorgungsleistungen, Sozialversicherungsfreiheit, Beihilfeberechtigung und besonderen Schutz vor einer Entlassung.

Die Klägerin war seit 01.10.1991 bei der Beklagten als Bankangestellte beschäftigt. Zuvor war die Klägerin vom 01.03.1990 bis 30.09.1991 bei der Bank für Gemeinwirtschaft tätig, was die Beklagte als Wartezeit im Hinblick auf das vorliegend streitige Versorgungsrecht anerkannte. Im Zuge einer Ausgliederung erfolgte mit Wirkung vom 01.07.2002 bei der Beklagten eine Beurlaubung der Klägerin bei gleichzeitiger Aufnahme eines zweiten Vertragsverhältnisses mit der LB Transaktionsbank GmbH (TxB). Im Jahr 2008 wurde die TxB auf die Deutsche Wertpapier-Servicebank AG (dwp Bank AG – bis zur insoweitigen Klagerücknahme Beklagte zu 2 –) verschmolzen, mit der Folge des Überganges dieses zweiten Arbeitsverhältnisses der Klägerin. Ausweislich eines Schreibens der Beklagten vom 02.01.2006 erlosch mit Ablauf des 31.12.2005 der vertraglich vereinbarte Anspruch der Klägerin auf Rückkehr in den aktiven Dienst bei der Beklagten. Gleichzeitig stellte die Beklagte in diesem Schreiben ausdrücklich klar, dass „Änderungen hinsichtlich ihrer beamtenähnlichen betrieblichen Altersversorgung … allein durch das Erlöschen des Rückkehranspruchs durch Zeitablauf” nicht eintreten.

Der Arbeitsvertrag mit der Beklagten vom 01.04.1992 enthält keine Regelung über die betriebliche Altersversorgung.

§ 9 des Arbeitsvertrages lautet wie folgt:

㤠9 Leistungen ohne Rechtsanspruch

Auf Leistungen, die nicht in diesem Vertrag oder im Tarifvertrag festgesetzt sind, besteht auch bei wiederholter Gewährung kein Rechtsanspruch.”

Die Beklagte ist eine rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts. Sie ist 1972 aus einer Fusion der Bayerischen Gemeindebank – Girozentrale – und der Bayerischen Landesbodenkreditanstalt hervorgegangen. Im Fusionsvertrag vom 06.06.1972 war zu § 8 Abs. 3 als Anlage eine so genannte „Personalvereinbarung” (PV 72) angefügt. Darin legten die fusionierenden Anstalten bestimmte Grundsätze für die Behandlung der Mitarbeiter fest.

Ziffer 3 der PV 72 lautet:

„3.1

Mitarbeiter, die nach Vollendung des 17. Lebensjahres mindestens zehn Jahre bei den zu vereinigenden Instituten, der Bayerischen Landesbank Girozentrale oder beim Sparkassenverband tätig waren, erhalten eine Versorgung nach den Richtlinien der Versorgungskasse der Bayerischen Gemeindebank (Anlage 2). In besonders gelagerten Ausnahmefällen können weitere Dienstzeiten anerkannt werden.

3.2

Mitarbeiter, die mindestens 20 Jahre im Kreditgewerbe beschäftigt waren, davon mindestens zehn Jahre bei den zu vereinigenden Instituten oder der Bayerischen Landesbank Girozentrale, können einen Rechtsanspruch auf Versorgung nach Maßgabe des beigefügten Vertragsmusters (Anlage 3) erhalten. Besonders tüchtigen und bewährten Mitarbeitern kann ein solcher Versorgungsanspruch vorzeitig gewährt werden. Die Entscheidung über die Gewährung trifft der Vorstand der Landesbank.”

In der Folgezeit erhielten Mitarbeiter nach Erfüllung der in Ziffer 3.2 PV 72 genannten Wartezeit in aller Regel von der Beklagten den Versorgungsvertrag – das im Unternehmen so genannte Versorgungsrecht – angeboten.

Bei dem Versorgungsrecht handelt es sich nicht nur um eine Altersversorgung durch Einräumung eines Rechtsanspruchs auf Ruhegeld, sondern um die Verschaffung eines beamtenähnlichen Status bereits im laufenden Arbeitsverhältnis durch verlängerte Fortzahlung der Bezüge im Krankheitsfall, Beihil...

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