Entscheidungsstichwort (Thema)
Streit über den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses nach Widerspruch gegen den Übergang des Arbeitsverhältnisses und Streit über Anspruch aus Annahmeverzug nach Schadensersatz. Betriebsübergang. Unterrichtung über den Betriebsübergang. Widerspruch gegen den Übergang des Arbeitsverhältnisses. Verwirkung des Widerspruchsrechts. Vergütungsanspruch, Annahmeverzug
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Verwirkung ist ein Sonderfall der unzulässigen Rechtsausübung. Mit der Verwirkung wird die illoyal verspätete Geltendmachung von Rechten ausgeschlossen. Sie dient dem Vertrauensschutz und verfolgt nicht den Zweck, den Schuldner stets dann von seiner Verpflichtung zu befreien, wenn dessen Gläubiger längere Zeit seine Rechte nicht geltend gemacht hat. Der Berechtigte muss vielmehr unter Umständen untätig geblieben sein, die den Eindruck erweckten, dass er sein Recht nicht mehr geltend machen wolle, so dass der Verpflichtete sich darauf einstellen durfte, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden. Hierbei müsse das Erfordernis des Vertrauensschutzes auf Seiten des Verpflichteten das Interesse des Berechtigen derart überwiegen, dass ihm die Erfüllung des Anspruchs nicht mehr zuzumuten ist.
2. Das Widerspruchsrecht nach § 613a Abs. 5 BGB kann wegen Verwirkung ausgeschlossen sein.
3. Die Verletzung der Unterrichtungspflicht nach § 613 Abs. 5 BGB, verpflichtet gem. § 280 Abs. 1 BGB zum Schadensersatz.
Normenkette
BGB § 613a Abs. 5-6, §§ 242, 615, 280
Verfahrensgang
ArbG München (Urteil vom 02.08.2007; Aktenzeichen 11 Ca 2189/07) |
Nachgehend
Tenor
I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 02.08.2007 – 11 Ca 2189/07 – in den Ziffern 1. und 2. des Tenors abgeändert abgeändert:
- Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Klägerin mit der Beklagten aufgrund des Widerspruchs vom 28.10.2006 nicht zum 01.10.2005 auf die Firma B. übergegangen ist.
- Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin EUR 58.570,26 (in Worten: achtundfünfzigtausendfünfhundertsiebzig 26/100 Euro) brutto abzüglich EUR 618,45 (in Worten: sechshundertachtzehn 45/100 Euro) brutto und abzüglich weiterer EUR 11.454,96 (in Worten: elftausendvierhundertvierundfünfzig 96/100 Euro) netto nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz aus EUR 23.416,24 (in Worten: dreiundzwanzigtausendvierhundertsechzehn 24/100 Euro) seit 23.5.2007 und aus weiteren EUR 23.080,61 (in Worten: dreiundzwanzigtausendachtzig 61/00 Euro) seit 26.07.2008 zu zahlen.
- Die Beklagte hat die Kosten des Rechtstreits zu tragen.
II. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über den Fortbestand ihres Arbeitsverhältnisses und über Zahlungsansprüche.
Die Klägerin war seit 28.08.1967 bei der Beklagten als Treasury im Geschäftsbereich C. beschäftigt.
Die Beklagte erzielte zuletzt im Geschäftsbereich C. Verluste. Mit Vertrag („Master Sale and Purchase Agreement” = MSPA) vom 06.06.2005 hat die Beklagte den Geschäftsbereich C. an die Fa. C. mit Sitz in T. übertragen, hierbei auch Schutzrechte, Patente und Markenrechte. Der MSPA sah vor, dass die Vermögensgegenstände Land für Land in sog. „Local Asset Transfer Agreements” (LATA) im Wege der Einzelübertragung („Asset Deal”) auf hierzu eigens zu gründende Landesgesellschaften übertragen werden.
In Erfüllung des MSPA hat die Beklagte am 30.09.2005 im „German LATA” die „in Deutschland gelegenen Gegenstände des Anlage- und Umlaufvermögens mit den hierauf entfallenden Forderungen und Verbindlichkeiten” (so Schriftsatz der Beklagten vom 30.04.2007) an die von der Fa. C. benannte Firma B. übertragen.
Die Beklagte hat im Zusammenhang mit der Übertragung des Geschäftsbereiches C. keinen Kaufpreis erhalten, sondern hat im Gegenteil an die C. einen dreistelligen Millionenbetrag geleistet („negativer Kaufpreis”).
Die Fa. B. mit Sitz in M., hat ihren Gegenstand in der Entwicklung, der Produktion und dem Vertrieb von Mobiltelefonen. Die Gründung erfolgte mit Gesellschaftsvertrag vom 12.09.2005, die erste Eintragung ins Handelsregister erfolgte am 16.09.2005. Persönlich haftende Gesellschafter sind die B. sowie die B. W., jeweils mit Sitz in M., mit einem Stammkapital von jeweils EUR 25.000,00. Die Obergesellschaft der B.-Gruppe ist die C.,in T. Diese wiederum ist alleinige Gesellschafterin der B. mit Sitz in den N., welche wiederum die jeweils alleinige Gesellschafterin der beiden persönlich haftenden Gesellschafterinnen der B. ist.
Bereits mit Schreiben vom 29.08.2005 hat die Beklagte der Klägerin mitgeteilt, dass der Geschäftsbereich C., in welchem er beschäftigt war, zum 01.10.2005 auf die B. übergeht. Das Schreiben hat folgenden Wortlaut:
„124400670620
Frau K.
München, 29. August 2005
Übergang Ihres Arbeitsverhältnisses
Sehr geehrte Frau K.,
wie Ihnen bereits durch verschiedene Mitarbeiterinformationen bekannt ist, werden unsere Aktivitäten des Geschäftsgebietes C.) zum 01.10.2005 in die B. (im Folgenden: B.) übertragen.
B. ist...