Entscheidungsstichwort (Thema)
Auslegung einer arbeitsvertraglichen Änderungsvereinbarung zur Begründung einer selbständigen Vergütungs- und Bonusregelung. Zulässigkeit verspäteten Sachvortrags nach Zurückweisung der Sache durch das Bundesarbeitsgericht bei mehrdeutigem Vertragsinhalt
Leitsatz (redaktionell)
1. Neuer Sachvortrag des Klägers ist nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Rechtsstreit bereits vom Bundesarbeitsgericht verhandelt und zurückverwiesen worden ist; die auf die Zurückverweisung notwendig werdende erneute Berufungsverhandlung stellt eine Einheit mit der früheren Berufungsverhandlung dar, da es mit der Aufhebung der früheren landesarbeitsgerichtlichen Entscheidung an einer Sachentscheidung des Berufungsgerichts fehlt, soweit das Bundesarbeitsgericht nicht selbst in der Sache entschieden hat.
2. Hat der Kläger neuen Sachvortrag entgegen seiner Prozessförderungspflicht (§ 282 Abs. 2 ZPO) nicht schon in erster Instanz geltend gemacht, beruht die Verspätung nicht auf einer groben Nachlässigkeit, wenn der Text des zugrundeliegenden Schreibens nicht absolut eindeutig ist und eine abweichende Auslegung durchaus denkbar erscheint; wurde das jetzige Verständnis dieses Schreibens erst durch die seit der Revisionsinstanz für den Kläger aufgetretenen Anwälte aufgeworfen und nach Zurückverweisung im Rechtsstreit weiterverfolgt, erscheint das erstmalige Vorbringen in der Berufungsinstanz nicht als ein besonders schwerwiegender Fall der Verletzung der Prozessförderungspflicht.
3. Dem Wortlaut einer Änderungsvereinbarung zum Arbeitsvertrag "Der Leistungsbonus ermittelt sich nach der Formel Zielbonus mal Leistungsfaktor, wobei ab 01.12.2002 Ihr Zielbonus 15 % beträgt" ist nicht unmittelbar und eindeutig zu entnehmen, ob damit nur eine isolierte Änderung eines Parameters zur Bonusberechnung oder die Neuregelung des gesamten Bonusanspruchs erstrebt wird; wird die Formulierung "Der Leistungsbonus" als Bezugnahme auf den bereits vereinbarten Leistungsbonus verstanden, kann die Vereinbarung dahingehend verstanden werden kann, dass der bislang bereits vertraglich vereinbarte Leistungsbonus nur modifiziert wird - andererseits kann die Vereinbarung jedoch auch so verstanden werden, dass der Leistungsbonus nunmehr (anstelle der vertraglich vereinbarten Ermittlungsmethode) nach der wiedergegebenen Formel zu errechnen ist.
4. Dienen neue Vertragsabreden dazu, einem Bankangestellten die Aufnahme einer neuen Beschäftigung in einer anderen Abteilung der Arbeitgeberin zu ermöglichen und erscheint es der Arbeitgeberin es aus diesem Grunde geboten, die zu hohe Vergütung des Arbeitnehmers, die sie sich in der anderen Abteilung nicht leisten kann und will, an das dortige Gehaltsgefüge anzupassen, indem das Jahresgehalts auf 70.000 Euro brutto herabgesetzt und der Bonus neugeregelt wird, so dass er abweichend von der im Arbeitsvertrag erfolgten Berechnungsmethode auch ohne Bindung an das wirtschaftliche Ergebnis der Bank zu einem geringeren Anspruch führt, legen diese tatsächlichen Umstände die Schlussfolgerung nahe, dass die Vertragsänderung eine vollkommen neue und gegenüber der früheren Vergütungsabrede selbstständige Vergütungs- und Bonusvereinbarung beinhaltet.
Normenkette
ArbGG § 67; BGB §§ 133, 157, 611 Abs. 1; ArbGG § 67 Abs. 3; ZPO § 282 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG München (Entscheidung vom 03.07.2012; Aktenzeichen 11 Ca 13885/11) |
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers wird das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 3. Juli 2012 - 11 Ca 13885/11 abgeändert:
II. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 32.581,28 nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus € 10.342,34 seit 1. Juli 2011 und aus € 22.238,94 seit 1. Juli 2012 zu zahlen.
III. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits zu 1/3, der Kläger zu 2/3.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten noch über variable Bezüge für die Jahre 2010 und 2011.
Der am 00.00.1965 geborene Kläger ist bei der Beklagten, einer Bank, seit 1. Apr. 2000 als außertariflicher Angestellter auf Grundlage des Arbeitsvertrages vom 1. Jan. 2001 (Anlage K 1, BI. 8 ff. d.A.) bei einer Jahresvergütung von zunächst DM 140.070.- bei einem Beschäftigungsgrad von 100 % beschäftigt. Darin ist u.a. geregelt:
“§ 4. Bezüge
(1) Der Mitarbeiter erhält ein Jahresfestgehalt in Höhe von 140.070,00 DM bei einem Beschäftigungsgrad von 100 % bzw. entsprechend anteilig bei einem vereinbarten geringeren Beschäftigungsgrad. Die Auszahlung erfolgt in 12 gleichen Monatsraten. Für die Grundsätze des Vergütungssystems für die außertariflich Beschäftigten, insbesondere für die Teilbereiche Funktionseinwertung, Funktionsstufen, Gehaltsbänder und Jahresfestgehalt, gilt im Übrigen die entsprechende Dienstvereinbarung der Y. mit dem Gesamtpersonalrat in ihrer jeweils gültigen Fassung.
(2) Außerdem kann der Mitarbeiter als freiwillige Leistung ohne Rechtsanspruch einen Bankbonus erhalten, dessen Höhe alljährlich auf Vorschlag des Vorstandes vom Verwaltungsrat beschlossen wi...