Entscheidungsstichwort (Thema)

Wirksame Altersbefristung des Arbeitsvertrages eines Chefarztes und Ärztlichen Direktor eines Krankenhauses

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Vereinbarung, nach der das Arbeitsverhältnis mit Vollendung eines bestimmten Lebensjahres enden soll, stellt eine kalendermäßige Befristung des Arbeitsvertrages dar, weil der Beendigungszeitpunkt jedenfalls hinreichend bestimmbar ist.

2. Eine auf das 65. Lebensjahr und damit auf das Erreichen der gesetzlichen Regelaltersgrenze abstellende vertragliche Altersgrenzenregelung ist insbesondere dann sachlich gerechtfertigt, wenn der Arbeitnehmer durch den Bezug einer gesetzlichen Altersrente wegen Vollendung des 65. Lebensjahres wirtschaftlich abgesichert ist.

3. Im Rahmen der insoweit erforderlichen Abwägung der Interessen der Arbeitsvertragsparteien ist einerseits zu berücksichtigen, dass der Arbeitnehmer mit einem Wunsch auf dauerhafte Fortsetzung seines Arbeitsverhältnisses über das 65. Lebensjahr hinaus grundsätzlich legitime wirtschaftliche und ideelle Anliegen verfolgt, da dies seine wirtschaftliche Existenzgrundlage sichert und ihm die Möglichkeit beruflicher Selbstverwirklichung bietet; andererseits handelt es sich um ein Fortsetzungsverlangen eines mit Erreichen der Regelaltersgrenze wirtschaftlich abgesicherten Arbeitnehmers, der bereits ein langes Berufsleben hinter sich hat und dessen Interesse an der Weiterführung seiner beruflichen Tätigkeit aller Voraussicht nach nur noch für eine begrenzte Zeit besteht (bestehen kann), wobei der Arbeitnehmer durch die Anwendung der Altersgrenzenregelungen durch seine Arbeitgeberin typischerweise früher selbst Vorteile gehabt hat, weil dadurch auch seine eigenen Einstellungs- und Aufstiegschancen verbessert worden waren, und darüber hinaus das Bedürfnis der Arbeitgeberin nach einer sachgerechten und berechenbaren Personal- und Nachwuchsplanung zu berücksichtigen ist.

4. Der arbeitsvertraglichen Altersgrenzenregelung steht das gesetzliche Verbot der Altersdiskriminierung nicht entgegen; die unmittelbare Benachteiligung des Arbeitnehmers wegen seines Alters ist nach § 10 Satz 3 Nr. 5, Satz 1 und Satz 2 AGG rechtswirksam und auch unionsrechtlich nicht zu beanstanden.

 

Normenkette

BGB § 305c Abs. 1, § 611 Abs. 1; AGG § 10 Sätze 1-2, 3 Nr. 5; SGB VI § 35; EGRL 78/52000 Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Fassung: 2000-11-27

 

Verfahrensgang

ArbG München (Entscheidung vom 20.03.2013; Aktenzeichen 7 Ca 14373/11)

 

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das Schlussurteil des Arbeitsgerichts München vom 20. März 2013 - 7 Ca 14373/11 - wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

II. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Rechtswirksamkeit einer arbeitsvertraglichen Altersbefristung.

Der am 05.01.1947 geborene Kläger ist (Fach-)Arzt für Gynäkologie und Geburtshilfe.

Er war auf der Grundlage des schriftlichen Anstellungsvertrages vom 12.12.1990 (Anl. K 1, Bl. 48 - Bl. 66 d. A.) ab 01.05.1991 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin (dieser Arbeitsvertrag ist abgeschlossen mit der "Schwesternschaft B-Stadt vom Bayerischen Roten Kreuz e. V.") als Chefarzt der I. geburtshilflich-gynäkologischen Abteilung der Frauenklinik des von der Beklagten getragenen Klinikums, auch als dessen Ärztlicher Direktor, beschäftigt, wobei er nach seinen, unbestritten gebliebenen, Angaben zuletzt eine Vergütung in Höhe von 40.500,- € brutto/Monat erhielt. Der schriftliche Arbeitsvertrag enthält die Regelung, dass dieser "ohne Kündigung mit Ablauf des Monats (endet), in welchem der Chefarzt das 65. Lebensjahr vollendet". Gespräche der Parteien über eine etwaige Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses über den 31.01.2012 - Ablauf des Monats, in dem der Kläger das 65. Lebensjahr vollendete - scheiterten, nachdem dieser ein bis (zunächst) 31.01.2014 befristetes Angebot der Beklagten auf Fortsetzung/Weiterbeschäftigung (anl. K2, Bl. 67/Bl. 68 d. A.) wegen eines seiner Ansicht nach für ihn unzumutbar veränderten Aufgabengebiets nicht annahm.

Mit dem vorliegenden Verfahren macht der Kläger im Wege der Feststellungsklage die Unwirksamkeit der arbeitsvertraglichen Befristungsregelung auf das 65. Lebensjahr, hilfsweise den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses bis zur Vollendung seines 67. Lebensjahres = 31.01.2014 geltend. Er beruft sich insbesondere auf das Fehlen eines ausreichenden Sachgrundes für die Befristungsregelung, auch eine von der Beklagten hierbei vorgenommene fehlerhafte Abwägung der beiderseitigen Interessen, sowie einen Verstoß gegen §§ 7 und 1 AGG - als nicht der Bestimmung des Art. 6 der RL 2000/78/EG entsprechend - sowie auf Letztere direkt. Dagegen bezieht sich die Beklagte im Wesentlichen auf die einschlägige Rechtsprechung insbesondere des Bundesarbeitsgerichts zur Rechtswirksamkeit entsprechender auch arbeitsvertraglicher Altersbefristungsregelungen, die im Einklang mit Art. 6 der RL 2000/78/EG stünden, zumal der Kläger seit 01.03.2012 ungekürzte Ansprüche auf Altersrente gegenüber der Bayerischen Ärztevers...

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