Entscheidungsstichwort (Thema)

Umfang der Informationspflicht des Betriebsveräußerers im Rahmen des § 613a Abs. 5 BGB. zur Frage der Verwirkung oder rechtsmissbräuchlichen Ausübung des Widerspruchsrechts

 

Leitsatz (redaktionell)

§ 613a Abs. 5 BGB erfordert eine Information des Arbeitnehmers auch über die mittelbaren Folgen eines Betriebsüberganges, wenn durch diese die Rechtspositionen des Arbeitnehmers zwar nicht unmittelbar betroffen sind, die ökonomischen Rahmenbedingungen des Betriebsüberganges jedoch zu einer so gravierenden Gefährdung der wirtschaftlichen Absicherung der Arbeitnehmer beim neuen Betriebsinhaber führen, dass diese Gefährdung als ein wesentliches Kriterium für einen möglichen Widerspruch der Arbeitnehmer gegen den Übergang der Arbeitsverhältnisse anzusehen ist. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn die Arbeitsplatzsicherheit beim Betriebserwerber maßgeblich betroffen ist.

 

Normenkette

BGB § 613a Abs. 5, § 242

 

Verfahrensgang

ArbG München (Urteil vom 25.10.2007; Aktenzeichen 26 Ca 991/07)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 20.05.2010; Aktenzeichen 8 AZR 739/08)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen dasTeilurteil des Arbeitgerichts München vom25.10.2007, Az. 26 Ca 993/07, wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird für die Beklagte zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob zwischen ihnen ein Arbeitsverhältnis besteht.

Die Klägerin war bei der Beklagten seit 01.06.1990 beschäftigt. Zuletzt war sie als Produktmanagerin im Geschäftsbereich „C. (C.)”, – also in der M-Sparte – tätig. Arbeitsort war der Betrieb München, xx.

Nachdem die M-Sparte seit Jahren hoch defizitär war, veräußerte die Beklagte im Jahre 2005 diesen Geschäftsbereich. Am 06.06.2005 kam zwischen der Beklagten und der B. mit Sitz in T. ein Rahmenvertrag zustande („Master Sale and Purchase Agreement”). Der hierin geregelte Verkauf der M-Sparte an die B.-Gruppe wurde zum Stichtag am 30.09.2005 im Wege der Einzelrechtsübertragung auf B.-Landesgesellschaften umgesetzt. Für Deutschland wurde durch Gesellschaftsvertrag vom 12.09.2005 und Eintragung in das Handelsregister am 16.09.2005 die B. GmbH & Co. oHG (im folgenden B. GmbH & Co. oHG) gegründet. Gesellschafter der B. GmbH & Co. oHG waren die B2 GmbH und die B3 GmbH, jeweils mit einem Stammkapital in Höhe von EUR 25.000,00. Alleinige Gesellschafterin dieser beiden GmbHs war die B. GmbH & Co. oHG Holding b.v. mit Sitz in den N., die ihrerseits 100-prozentige Tochter der Obergesellschaft der B.-Gruppe, der B. (T.), ist.

Der B. GmbH & Co. oHG wurde der deutsche Teil des Geschäftsbereiches C. aufgrund eines „Local Asset Transfer Agreements” übertragen. Hiernach gingen die in Deutschland gelegenen Gegenstände des Anlage- und Umlaufvermögens sowie die hierauf entfallenden Forderungen und Verbindlichkeiten auf B. GmbH & Co. oHG über. Hiermit verbunden war auch die Übernahme diverser sonstiger Verbindlichkeiten, unter anderem der Pensionszusagen für Mitarbeiter des Geschäftsbereichs C..

Der B. wurde ein sogenannter negativer Kaufpreis (der genannte Betrag von EUR × bleibt von der Beklagten unkommentiert) überwiesen. Zudem war nach dem Rahmenvertrag mit der B. vorgesehen, dass dieser sämtliche von der Beklagten gehaltenen auf die M-Sparte bezogenen Schutzrechte, Patente und Marken übertragen werden. Dies ist nur teilweise umgesetzt worden, die Schlüsselpatente wurden jedenfalls auf die B. eingetragen.

Mit Schreiben vom 29.08.2005 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass der Geschäftsbereich C. zum 01.10.2005 auf die B. GmbH & Co. oHG übergehe. Bezüglich des Wortlauts des Schreibens wird auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils Bezug genommen.

Ab 01.10.2005 erbrachte die Klägerin ihre Arbeitsleistung für die B. GmbH & Co. oHG. Mit Wirkung zum 01.06.2005 wurde das Gehalt der Klägerin erhöht. Am 21.08.2006 schloss die Klägerin mit B. GmbH & Co. oHG eine Aufhebungsvereinbarung zum 28.02.2007 (Bl. 65 f. d.A.). Es sollte eine Abfindung von EUR xx.xxxbezahlt werden; eine Freistellung der Klägerin war ab November 2006 vorgesehen.

Am 28.09.2006 stellte die B. GmbH & Co. oHG Antrag auf Insolvenzeröffnung. Mit Schreiben vom 28.09.2006 widersprach die Klägerin dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses auf die B. GmbH & Co. oHG (Bl. 51 ff. d.A.). Das Amtsgericht M. eröffnete unter dem Aktenzeichen 1503 IN 3270/06 mit Beschluss vom 01.01.2007 das Insolvenzverfahren und bestellte Herrn ppp. zum Insolvenzverwalter. Ebenfalls am 01.01.2007 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der persönlich haftenden Gesellschafterinnen der B. GmbH & Co. oHG eröffnet.

Mit ihrer am 22.01.2007 beim Arbeitsgericht München eingegangenen Klage will die Klägerin vor allem festgestellt wissen, dass das Arbeitsverhältnis nicht auf die B. GmbH & Co. oHG übergegangen ist; sie verlangt ihre Weiterbeschäftigung. Ihr Widerspruch vom 28.09.2006 habe den Übergang des Arbeitsverhältnisses gemäß § 613a BGB verhindert. Die Frist des § 613a Abs. 6 BGB habe nicht zu laufen begonnen, weil die Beklagte sie n...

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