Entscheidungsstichwort (Thema)

Widerspruch gegen den Übergang des Arbeitsverhältnisses gemäß § 613a Abs. 6 BGB. Unterrichtungspflicht bei Betriebsübergang. Verwirkung des Widerspruchsrechts. Reichweite der Unterrrichtungspflicht. Massenwiderspruch

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Für eine ordnungsgemäße Unterrichtung i.S.v. § 613a Abs. 5 BGB ist auch die wenigstens allgemeine oder schlagwortartige Angabe der dem Betriebsübergang zugrunde liegenden unternehmerischen Erwägungen erforderlich.

2. Wird vom Veräußerer an den Erwerber ein sog. „negativer Kaufpreis” gezahlt oder das Unternehmen lediglich zu Teilen auf einen Erwerber übertragen, so ist dies den betroffenen Arbeitnehmern im Rahmen des § 613a Abs. 5 BGB mitzuteilen.

3. Das Recht dem Übergang des Arbeitsverhältnisses auf den Betriebserwerber zu widersprechen kann verwirken. Dazu erforderlich ist sowohl ein Zeit- als auch ein Umstandsmoment. Die bloße Weiterarbeit allein ist nicht geeignet, das Umstandsmoment zu begründen.

4. Übt eine Vielzahl von Arbeitnehmern ihr Recht zum Widerspruch gegen den Übergang ihrer Arbeitsverhältnisse nach § 613a Abs. 6 BGB aus, stellt dies keinen unzulässigen kollektiven Massenwiderspruch dar, wenn den Widersprüchen ein schutzwürdiges Eigeninteresse der Widersprechenden zugrunde liegt.

 

Normenkette

BGB § 613a Abs. 5-6, § 242

 

Verfahrensgang

ArbG München (Urteil vom 02.08.2007; Aktenzeichen 11 Ca 1303/07)

 

Tenor

I.Auf die Berufung des Klägers wird das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 02.08.2007 – 11 Ca 1303/07 – teilweise abgeändert:

  1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers mit der Beklagten aufgrund des Widerspruchs vom 28.09.2006 nicht zum 01.10.2005 auf die Firma B. übergegangen ist.
  2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
  3. Von den Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger 1/4, die Beklagte 3/4 zu tragen.

II. Von den Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger 1/4, die Beklagte 3/4 zu tragen.

III. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über den Fortbestand ihres Arbeitsverhältnisses.

Der Kläger war seit 01.06.1987 bei der Beklagten als Software-Entwickler im Geschäftsbereich C.M.D. zu einer monatlichen Vergütung von zuletzt EUR 7.370,40 brutto beschäftigt.

Die Beklagte erzielte zuletzt im Geschäftsbereich C.M.D. Verluste. Mit Vertrag „Master Sale and Purchase Agreement” = MSPA) vom 06.06.2005 hat die Beklagte den Geschäftsbereich C.M.D. an die Fa. B.. mit Sitz in T. übertragen, hierbei auch Schutzrechte, Patente und Markenrechte. Der MSPA sah vor, dass die Vermögensgegenstände Land für Land in sog. „Local Asset Transfer Agreements” (LATA) im Wege der Einzelübertragung „Asset Deal”) auf hierzu eigens zu gründende Landesgesellschaften übertragen werden.

In Erfüllung des MSPA hat die Beklagte am 30.09.2005 im „German LATA” die „in Deutschland gelegenen Gegenstände des Anlage- und Umlaufvermögens mit den hierauf entfallenden Forderungen und Verbindlichkeiten” (so Schriftsatz der Beklagten vom 30.04.2007) an die von der Fa. B. C. benannte Firma B. übertragen.

Die Beklagte hat im Zusammenhang mit der Übertragung des Geschäftsbereiches C.M.D. keinen Kaufpreis erhalten, sondern hat im Gegenteil an die B. C. einen dreistelligen Millionenbetrag geleistet „negativer Kaufpreis”).

Die Fa. B. mit Sitz in M., hat ihren Gegenstand in der Entwicklung, der Produktion und dem Vertrieb von Mobiltelefonen. Die Gründung erfolgte mit Gesellschaftsvertrag vom 12.09.2005, die erste Eintragung ins Handelsregister erfolgte am 16.09.2005. Persönlich haftende Gesellschafter sind die B. M. sowie die B. W., jeweils mit Sitz in M., mit einem Stammkapital von jeweils EUR 25.000,00. Die Obergesellschaft der B. Gruppe ist die B. C., T.. Diese wiederum ist alleinige Gesellschafterin der B. M. Holding BV mit Sitz in den N., welche wiederum die jeweils alleinige Gesellschafterin der beiden persönlich haftenden Gesellschafterinnen der B. ist.

Bereits mit Schreiben vom 29.08.2005 hat die Beklagte dem Kläger mitgeteilt, dass der Geschäftsbereich C.M.D., in welchem er beschäftigt war, zum 01.10.2005 auf die B. übergeht. Das Schreiben hat folgenden Wortlaut:

„123500669628

Herrn G.

München, 29. August 2005

Übergang Ihres Arbeitsverhältnisses

Sehr geehrter Herr G.,

wie Ihnen bereits durch verschiedene Mitarbeiterinformationen bekannt ist, werden unsere Aktivitäten des Geschäftsgebietes C.M.D. zum 01.10.2005 in die B. (im Folgenden: B. übertragen.

B. ist ein weltweit führender Anbieter von Consumer-Electronic-Produkten, wie beispielsweise LCD-Bildschirmen, Notebook-Computern, Kameras und Scannern. Und im Handygeschäft wird B. in den nächsten Jahren zu einem führenden globalen Anbieter.

In seinem asiatischen Heimatmarkt zählt B. schon heute zu den am schnellsten wachsenden Anbietern im Handysegment. Durch den Zusammenschluss mit S. kann B. seine ehrgeizigen internationalen Expansionspläne umsetzen. S. bietet B. eine globale Organisation mit führenden Marktpositionen in West- und Osteuropa sowie im Wachstumsmarkt Lateinamerika. Zudem erhält B. durc...

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