Entscheidungsstichwort (Thema)

Widerspruch gegen den Übergang des Arbeitsverhältnisses gemäß § 613a Abs. 6 BGB

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Bei der Beurteilung, ob der Widerspruch gegen einen Betriebsübergang rechtsmissbräuchlich ist, ist davon auszugehen, dass eine Rechtsausübung dann missbräuchlich sein kann, wenn kein schutzwürdiges Eigeninteresse zugrunde liegt und wenn sie lediglich als Vorwand für die Erreichung vertragsfremder und unlauterer Zwecke dient, um so dem anderen einen Schaden zuzufügen. Übt eine Vielzahl von Arbeitnehmern das Widerspruchsrecht aus, kann sich demgemäß aus der Zweckrichtung der Widerspruchsausübung ein rechtsmissbräuchliches Handeln ergeben, soweit der Widerspruch nicht im Schwerpunkt auf die Verhinderung des Arbeitgeberwechsels zielt, sondern beispielsweise von der Motivation getragen ist, dem Betriebsübergang als solchen zu verhindern oder aber Vergünstigungen zu erzielen, auf die die Arbeitnehmer keinen Rechtsanspruch haben.

2. Die Ein-Monats-Frist des § 613a Abs. 6 S. 1 BGB beginnt nicht zu laufen, wenn die Unterrichtung gem. § 613a Abs. 5 BGB nicht ordnungsgemäß ist.

 

Normenkette

BGB § 613 Abs. 6

 

Verfahrensgang

ArbG München (Urteil vom 02.08.2007; Aktenzeichen 11 Ca 2191/07)

 

Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 02.08.2007 – 11 Ca 2191/07 – teilweise abgeändert:

  1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers mit der Beklagten aufgrund des Widerspruchs vom 28.09.2006 nicht zum 01.10.2005 auf die Firma B. übergegangen ist.
  2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
  3. Von den Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger 1/4, die Beklagte 3/4 zu tragen.

II. Von den Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger 1/4, die Beklagte 3/4 zu tragen.

III. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über den Fortbestand ihres Arbeitsverhältnisses.

Der Kläger war seit 01.10.1996 bei der Beklagten als IT-Architekt im Geschäftsbereich C.M.D. zu einer monatlichen Vergütung von zuletzt EUR 5.968,- brutto beschäftigt.

Die Beklagte erzielte zuletzt im Geschäftsbereich C.M.D. Verluste. Mit Vertrag („Master Sale and Purchase Agreement” = MSPA) vom 06.06.2005 hat die Beklagte den Geschäftsbereich C.M.D. an die Fa. B. C. mit Sitz in T. übertragen, hierbei auch Schutzrechte, Patente und Markenrechte. Der MSPA sah vor, dass die Vermögensgegenstände Land für Land in sog. „Local Asset Transfer Agreements” (LATA) im Wege der Einzelübertragung („Asset Deal”) auf hierzu eigens zu gründende Landesgesellschaften übertragen werden.

In Erfüllung des MSPA hat die Beklagte am 30.09.2005 im „German LATA” die „in Deutschland gelegenen Gegenstände des Anlage- und Umlaufvermögens mit den hierauf entfallenden Forderungen und Verbindlichkeiten” (so Schriftsatz der Beklagten vom 30.04.2007) an die von der Fa. B. C. benannte Firma B. übertragen.

Die Beklagte hat im Zusammenhang mit der Übertragung des Geschäftsbereiches C.M.D. keinen Kaufpreis erhalten, sondern hat im Gegenteil an die B. C. einen dreistelligen Millionenbetrag geleistet („negativer Kaufpreis”).

Die Fa. B. mit Sitz in M., …, hat ihren Gegenstand in der Entwicklung, der Produktion und dem Vertrieb von Mobiltelefonen. Die Gründung erfolgte mit Gesellschaftsvertrag vom 12.09.2005, die erste Eintragung ins Handelsregister erfolgte am 16.09.2005. Persönlich haftende Gesellschafter sind die B. M. sowie die B. W. GmbH, jeweils mit Sitz in M., …, mit einem Stammkapital von jeweils EUR 25.000,00.

Die Obergesellschaft der B.-Gruppe ist die B. C., T.. Diese wiederum ist alleinige Gesellschafterin der B. M.Holding BV mit Sitz in den N., welche wiederum die jeweils alleinige Gesellschafterin der beiden persönlich haftenden Gesellschafterinnen der B. ist.

Bereits mit Schreiben vom 29.08.2005 hat die Beklagte dem Kläger mitgeteilt, dass der Geschäftsbereich C.M.D., in welchem er beschäftigt war, zum 01.10.2005 auf die B. Mobile übergeht. Das Schreiben hat folgenden Wortlaut:

„1244 00673433

Herrn

S.

M., 29. August 2005

Übergang Ihres Arbeitsverhältnisses

Sehr geehrter Herr Sturm,

wie Ihnen bereits durch verschiedene Mitarbeiterinformationen bekannt ist, werden unsere Aktivitäten des Geschäftsgebietes C.M.D. (Mobile Devices) zum 01.10.2005 in die B. (im Folgenden: B.) übertragen.

B. ist ein weltweit führender Anbieter von Consumer-Electronic-Produkten, wie beispielsweise LCD-Bildschirmen, Notebook-Computern, Kameras und Scannern. Und im Handygeschäft wird B. M.in den nächsten Jahren zu einem führenden globalen Anbieter.

In seinem asiatischen Heimatmarkt zählt B. schon heute zu den am schnellsten wachsenden Anbietern im Handysegment. Durch den Zusammenschluss mit S. kann B. seine ehrgeizigen internationalen Expansionspläne umsetzen. S. bietet B. eine globale Organisation mit führenden Marktpositionen in West- und Osteuropa sowie im Wachstumsmarkt Lateinamerika. Zudem erhält B. durch den Kauf einen starken, weltweit bekannten Markennamen, Mobiltelefontechnologie und Softwarekompetenzen sowie globalen Zugang zu der bre...

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