Entscheidungsstichwort (Thema)
Wirksame Differenzierungsklausel zugunsten von Gewerkschaftsmitgliedern in Transfer- und Sozialtarifvertrag. Unbegründete Zahlungsklage eines nichtorganisierten Arbeitnehmers auf erhöhte Entgelt- und Abfindungszahlungen
Leitsatz (amtlich)
Regelungen in einem Tarifsozialplan, die Arbeitnehmern in einem gewissen Umfang verbesserte Leistungen (Berechnung des BeE-Monatsentgelts auf Basis von 80% - statt 70% - des Bruttomonatsgehalts, weitere Abfindung von € 10.000,--, Höchstbetrag der Abfindung von € 120.000,-- statt € 110.000,--) gewähren, die an einem Stichtag vor Bekanntgabe des Verhandlungsergebnisses Mitglieder der tarifschließenden Gewerkschaft waren, verstoßen als sog. einfache Differenzierungsklauseln nicht gegen Art. 9 Abs. 3 GG und auch nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG.
Normenkette
GG Art. 9 Abs. 3, Art. 3 Abs. 1; BetrVG § 75; BGB §§ 242, 611 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG München (Entscheidung vom 20.02.2013; Aktenzeichen 8 Ca 8477/12) |
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 20.02.2013 - 8 Ca 8477/12 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
2. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Höhe der dem Kläger zustehenden Abfindung und monatlichen Zahlungen im Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten zu 1) und der Begründung eines Vermittlungs- und Qualifizierungsverhältnisses mit der Beklagten zu 2), einer zu 100% von der Beklagten zu 1) finanzierten Transfergesellschaft.
Der Kläger war bei der Beklagten zu 1) zu einer monatlichen Bruttovergütung von zuletzt € 4.959,91.- beschäftigt. Er war und ist nicht Mitglied einer Gewerkschaft.
Zwischen den Arbeitsvertragsparteien und der Beklagten zu 2) kam es im April 2012 zum Abschluss eines dreiseitigen Vertrags, hinsichtlich dessen auf Anlage K6 zur Klage vom 20.07.2012 (Bl.32 ff d. A.) Bezug genommen wird. Durch diesen Vertrag wurde das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des 30.04.2012 beendet (Abschnitt A Ziffer 1) und zum 01.05.2012 für zwei Jahre ein Vermittlungs- und Qualifizierungsverhältnis zur Beklagten zu 2) begründet (Abschnitt B Ziffer 1). Abschnitt A Ziffer 2 regelt unter der Überschrift "Abfindungszahlung" unter Ziffer 2.1., dass
"die Höhe der Abfindung (...) gem. § 7 Abs. I des Transfer- und Sozialtarifvertrags abhängig von der Dauer der Betriebszugehörigkeit"
sein sollte, sowie:
"Der Höchstbetrag für die Abfindung beträgt gem. § 7 Abs. II Transfer- und Sozialtarifvertrag € 110.000.-. (...)
Arbeitnehmer, die unter den Geltungsbereich des Ergänzungstransfer- und Sozialtarifvertrags fallen, erhalten gem. § 3 des Ergänzungstransfer- und Sozialtarifvertrags als weiteren Bestandteil der Abfindung zusätzlich € 10.000.-, der Höchstbetrag für die Abfindung beträgt € 120,000.-."
Die Abfindung sollte mit dem Ausscheiden aus der Transfergesellschaft fällig sein, wobei eine abweichende Vereinbarung über die Fälligkeit schriftlich möglich sein sollte. Im Fall einer Anschlussbeschäftigung mit der Beklagten zu 1) oder einem von ihr beherrschten oder Tochterunternehmen sollte die Abfindung - gegebenenfalls teilweise - an die Beklagte zu 2) zurückzuzahlen sein (Abschnitt A Ziffer 3 Abs. 1).
Während der Dauer des Vertrags mit der Beklagten zu 2) sollte der Kläger nach Ziffer 4 des Abschnitts B
"gemäß § 5 Abs. 3 des Transfer- und Sozialtarifvertrags (...) - unter Anrechnung von Zahlungen der Agentur für Arbeit - bis zu ihrem/seinem Ausscheiden monatlich 70% ihres/seines BruttoMonatsEinkommens"
erhalten.
"Das BruttoMonatsEinkommen ist das 13,5-fache des bisherigen BruttoMonatsEinkommens dividiert durch zwölf.
Der/die Arbeitnehmer/-in, die unter den Geltungsbereich des Ergänzungstransfer- und Sozialtarifvertrag fallen, erhalten gem. § 2 des Ergänzungstransfer- und Sozialtarifvertrags ab Eintritt in die NSN TG - unter Anrechnung von Zahlungen der Agentur für Arbeit - monatlich 80% ihres/seines BruttoMonatsEinkommens."
In Abschnitt C Ziffer 3.1. war festgehalten, dass bei der Beklagten zu 2) keine tarifvertraglichen Regelungen gelten würden. In Ziffer 4. schließlich wurden - soweit rechtlich möglich - sämtliche Ansprüche und Rechte der Parteien aus oder im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis sowie dessen Beendigung als abgegolten und erledigt erklärt mit Ausnahme derjenigen, die sich aus dem dreiseitigen Vertrag ergäben.
Vor Abschluss dieses Vertrags hatten am 04.04.2012 die Beklagte zu 1) und die für sie zuständige IG Metall einen Transfer- und Sozialtarifvertrag geschlossen, hinsichtlich dessen auf Anlage K4 zur Klage vom 20.07.2012 (Bl. 22 ff d. A.) verwiesen wird. In ihm wurde für alle Beschäftigten des Betriebs der Beklagten zu 1) in A-Stadt, soweit sie die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Transferkurzarbeitergeld erfüllten, die Errichtung einer Transfergesellschaft unter Überwachung der Gewerkschaft (§ 4), die Modalitäten des Wechsels der Mitarbeiter, namentlich der Abschluss eines dreiseitigen Vertrags zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses und zur B...