Entscheidungsstichwort (Thema)

Anspruch des Betriebsratsmitglieds auf bezahlte Arbeitsfreistellung zur Teilnahme an Schulungs- und Bildungsveranstaltung gem. § 37 Abs. 7 BetrVG kurz vor Beendigung der Amtszeit

 

Normenkette

BetrVG § 37 Abs. 7

 

Verfahrensgang

ArbG Kempten (Urteil vom 08.12.1994; Aktenzeichen 2 Ca 1800/94 Kfb)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 28.08.1996; Aktenzeichen 7 AZR 840/95)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des Arbeitsgerichts Kempten vom 8. Dezember 1994 – 2 Ca 1880/94 Kf – abgeändert.

2. Die Klage wird abgewiesen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen trägt die Klägerin.

4. Die Revision wird für die Klägerin zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, das Arbeitsentgelt an die Klägerin für die Zeit der Teilnahme an einer Schulungsveranstaltung gemäß § 37 Abs. 7 BetrVG in der Zeit vom 19. mit 21. April 1994 fortzubezahlen.

Die Klägerin ist bei der Beklagten beschäftigt und seit mehreren Wahlperioden Mitglied des bei der Beklagten gebildeten Betriebsrats. Die Klägerin ist zumindest seit mehreren Jahren stellvertretende Betriebsratsvorsitzende und darüber hinaus Mitglied der betrieblichen Tarifkommission.

Die Beklagte stellt Molkereiprodukte her und beschäftigt etwa 650 Arbeitnehmer.

In der Zeit vom 19. mit 24. April 1994 fand ein von der obersten Arbeitsbehörde als geeignet im Sinne des § 37 Abs. 7 BetrVG anerkanntes Seminar zu Fragen der Eingruppierung mit dem Thema „Was nichts kostet, ist nichts wert …?” (vgl. zum Themenplan Bl. 2/3 d.A.) statt.

Die Klägerin, deren Amtszeit am 17. Mai 1994 endete, die ihren Freistellungsanspruch nach § 37 Abs. 7 BetrVG zu diesem Zeitpunkt noch nicht ausgeschöpft und die sich erneut als Kandidatin für den Betriebsrat beworben hatte, äußerte den Wunsch, an diesem Seminar teilnehmen zu wollen. Diesem Begehren entsprach der Betriebsrat und teilte dies der Beklagten mit Schreiben vom 7. März 1994 mit (Bl. 6 d.A.).

Die Beklagte widersprach ihrerseits mit Schreiben vom 31. März 1994 an den Betriebsrat einer Teilnahme der Klägerin mit dem Hinweis, daß der Ablauf der Amtsperiode der Klägerin kurz bevorstehe.

Die Klägerin nahm an dem vorgenannten Seminar teil. Die Beklagte lehnte die Fortzahlung der Arbeitsvergütung für die Zeit der Teilnahme in unstrittiger Höhe von DM 500,71 brutto ab.

Diesen Betrag macht die Klägerin mit der vorliegenden Klage geltend.

Die Klägerin ist der Ansicht, daß ein Anspruch auf bezahlte Freistellung gemäß § 37 Abs. 7 BetrVG immer dann gegeben sei, wenn die im Gesetz genannten Voraussetzungen vorlägen, was in ihrem Falle unzweifelhaft sei. Darüber hinaus seien Erwägungen zur Nützlichkeit oder gar Erforderlichkeit des vermittelten Wissens nicht anzustellen.

Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 500,71 nebst 4 % Zinsen seit dem 1. Mai 1994 zu bezahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie beruft sich auf den Ablauf der Amtszeit der Klägerin und die Entscheidungen des BAG vom 9. September 1992 (7 AZR 492/91) und vom 6. Juli 1989 (7 ABR 26/89). Die Beklagte macht geltend, die vermittelten Kenntnisse müßten einen Bezug zur Betriebsratstätigkeit haben. Stehe das Ende der Amtszeit unmittelbar bevor, müsse ein solcher Bezug für die noch verbleibende Zeit konkret dargelegt werden.

Die Beklagte beruft sich darauf, daß die Klägerin über ausreichende Kenntnisse auf dem Gebiet der Eingruppierungsproblematik verfüge. Sie sei im Jahre 1989 maßgeblich auf seiten des Betriebsrats in die Eingruppierungen von etwa 650 Arbeitnehmern nach dem neuen Entgelttarifvertrag für das Molkerei- und Käsereigewerbe eingebunden gewesen. Diese Eingruppierungen seien aber mit dem Jahre 1992 abgeschlossen gewesen. Für die Dauer der restlichen Amtszeit des Betriebsrats hätten derartige Fragen nicht mehr angestanden.

Wegen des Vorbringens der Parteien wird ergänzend auf deren schriftsätzliche Ausführungen Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat mit Endurteil vom 8. Dezember 1994 dem Klagebegehren entsprochen. Auf die tatsächlichen und rechtlichen Ausführungen des Arbeitsgerichts wird verwiesen.

Das Urteil wurde der Beklagten am 31. März 1995 zugestellt. Mit ihrer am 28. April 1995 eingelegten und am 29. Mai (Montag) 1995 begründeten Berufung verfolgt die Beklagte unter Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiter, während die Klägerin unter Berufung auf die ihrer Ansicht nach zutreffende Entscheidung des Arbeitsgerichts um Zurückweisung der Berufung bittet.

Wegen des Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf deren schriftsätzliche Ausführungen Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

I.

Die Berufung ist nach Zulassung durch das Arbeitsgericht statthaft. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 64, 66 ArbGG; 518, 519 ZPO).

II.

In der Sache erweist sich die Berufung auch als begründet. Sie führt zur Abänderung des arbeitsgerichtlichen Urteils und zur Abwei...

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