Entscheidungsstichwort (Thema)
Tarifauslegung
Leitsatz (amtlich)
Die Entscheidung befasst sich mit der Auslegung der tarifvertraglichen Vorschrift des § 6 Abs. 1 Satz 1 b) bb) TV – L. Dabei geht es um die Frage, ob Reha-Kliniken zum Kreis der in dieser Vorschrift genannten „sonstigen Krankenhäuser” zu zählen sind.
Normenkette
TV - L § 6 Abs. 1 S. 1 b) bb)
Verfahrensgang
ArbG Rosenheim (Teilurteil vom 15.04.2009; Aktenzeichen 3 Ca 806/08) |
Tenor
1. Die Berufung des Beklagten gegen das Teilurteil des Arbeitsgerichts Rosenheim vom 15. April 2009, Az.: 3 Ca 806/08 wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.
2. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten im Wesentlichen über die Auslegung des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst, Bereich Länder (TV-L) hinsichtlich des zeitlichen Umfangs der Vollzeittätigkeit des Klägers.
Der Kläger ist seit 01.11.1997 bei dem Beklagten in Vollzeit als Arbeiter in der R.-K. P. L. in B. R. beschäftigt. Sein monatliches Entgelt beträgt EUR 2.166,49 brutto.
Der Beklagte verlangt von dem Kläger eine Arbeitszeit von 40,1 Stunden pro Woche, die der Kläger auch ableistete.
Auf das Arbeitsverhältnis finden die Vorschriften des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst, Bereich Länder (TV-L) vom 12.10.2006 in der jeweils aktuellen Fassung Anwendung.
Die vorliegend maßgebliche Norm lautet:
„§ 6 Regelmäßige Arbeitszeit
(1) Die durchschnittliche regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit ausschließlich der Pausen
a) …
b) beträgt im Tarifgebiet West 38,5 Stunden für die nachfolgend aufgeführten Beschäftigten:
aa) …
bb) Beschäftigte an Universitätskliniken, Landeskrankenhäusern, sonstigen Krankenhäusern und psychiatrischen Einrichtungen, mit Ausnahme der Ärztinnen und Ärzte nach Absatz 1 Buchstabe d),
cc) …”
Mit seiner beim Arbeitsgericht Rosenheim am 28. Oktober 2008 eingegangenen Klage vom 27. Oktober 2008 hat der Kläger die gerichtliche Feststellung, dass seine tarifliche regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit 38,5 Stunden beträgt, sowie die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von 2.496,47 EUR brutto sowie von 156,51 EUR Zinsen begehrt.
Zur Begründung hat er vorgetragen, für ihn betrage die maßgebliche regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit 38,5 Stunden, weil die R.-K. unter den Begriff „sonstige Krankenhäuser” zu subsumieren sei. Tatsächlich arbeite er 40,1 Stunden pro Woche statt der aus seiner Sicht gemäß Tarifvertrag festgelegten 38,5 Stunden. Damit habe er Anspruch auf die zusätzliche Bezahlung von 1,6 Stunden pro Woche.
Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt:
- Es wird festgestellt, dass die tarifliche regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit des Klägers 38,5 Stunden pro Woche beträgt.
- Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 2.469,47 brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 01.10.2008 zu zahlen.
- Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 156,51 Zinsen zu zahlen.
Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt und erwidert, für den Kläger gelte die allgemeine Regelung des § 6 Abs. 1 Satz 1 TV-L. Die R.-K. falle nicht unter den Ausnahmetatbestand des § 6 Abs. 1 Satz 1 b) bb) TV-L. Die R.-K. P. L. in B. R. sei kein „sonstiges Krankenhaus” im Sinne der Tarifvorschrift. Die Reduzierung der Arbeitszeit auf 38,5 Stunden sei für Beschäftigte vereinbart worden, die den typischen besonderen Belastungen des Betriebs in einem Krankenhaus ausgesetzt seien. Dies seien die Mitarbeiter einer R.-K. gerade nicht. In der früheren Anlage 2a des BAT seien gerade die Anstalten und Heime ausdrücklich genannt worden. Daraus ergebe sich, dass die Tarifvertragsparteien Einrichtungen wie die streitgegenständliche gerade nicht in den Anwendungsbereich des § 6 Abs. 1 Satz 1 b) bb) TV-L hätten integrieren wollen. Zudem werde im allgemeinen Sprachgebrauch das Wort Klinik nicht als Synonym für den Begriff Krankenhaus gebraucht. Der Kläger sei darüber hinaus in einer Kurklinik beschäftigt.
Das Arbeitsgericht Rosenheim hat der Klage in Ziffer 1. mit Teilurteil vom 15. April 2009, das dem Beklagten am 29. April 2009 zugestellt wurde, stattgegeben.
Zur Begründung hat es ausgeführt, die Regelung in § 6 Abs. 1 Satz 1 b) bb) TV-L gelte auch für die Klinik, in der der Kläger beschäftigt sei. Die Regelung sei so auszulegen, dass die R.-K. unter den Begriff „sonstige Krankenhäuser” falle. Die Auslegung eines Tarifvertrags erfolge nach den für Gesetze geltenden Regeln. Ausgangspunkt sei der Tarifwortlaut.
Dabei sei der wirkliche Wille der TV-Parteien zu erforschen. Insbesondere sei der von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck zu ermitteln, sofern er in der Norm seinen Niederschlag gefunden habe. Weiterhin sei auf den tariflichen Gesamtzusammenhang abzustellen. Bei verbleibenden Zweifeln seien die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags sowie die praktische Übung erheblich. Im vorliegenden Fall sei der Tarifwortlaut eindeutig: Ein Krankenhaus sei eine Einrichtung, in der durch ärztliche und pflegerische Hilfeleistung die Krankheiten, Leiden oder körperlichen Schäden der Patienten festges...