Entscheidungsstichwort (Thema)
Tarifauslegung
Leitsatz (amtlich)
Die Entscheidung befasst sich mit der Auslegung der tarifvertraglichen Vorschrift des § 6 Abs. 1 Satz 1 b) bb) TV-L. Dabei geht es um die Frage, ob Reha-Kliniken zum Kreis der in dieser Vorschrift genannten „sonstigen Krankenhäuser” zu zählen sind.
Normenkette
TV-L § 6 Abs. 1 Sätze 1b, 1 bb
Verfahrensgang
ArbG Rosenheim (Teilurteil vom 15.04.2009; Aktenzeichen 3 Ca 870/08) |
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung des Beklagten gegen das Teilurteil des Arbeitsgerichts Rosenheim vom 15. April 2009, Az.: 3 Ca 870/08 wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.
2. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten im Wesentlichen über die Auslegung des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst, Bereich Länder (TV-L) hinsichtlich des zeitlichen Umfangs der Vollzeittätigkeit der Klägerin.
Die Klägerin ist seit 12.11.1984 bei dem Beklagten in Vollzeit als A. in der R.-K. P. L. in B. R. beschäftigt. Ihr monatliches Entgelt beträgt EUR 2.743,20 brutto.
Der Beklagte verlangt von der Klägerin eine Arbeitszeit von 40,1 Stunden pro Woche, die die Klägerin auch ableistete.
Auf das Arbeitsverhältnis finden die Vorschriften des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst, Bereich Länder (TV-L) vom 12.10.2006 in der jeweils aktuellen Fassung Anwendung.
Die vorliegend maßgebliche Norm lautet:
„§ 6 Regelmäßige Arbeitszeit
(1) Die durchschnittliche regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit ausschließlich der Pausen
a) …
b) beträgt im Tarifgebiet West 38,5 Stunden für die nachfolgend aufgeführten Beschäftigten:
aa) ….
bb) Beschäftigte an Universitätskliniken, Landeskrankenhäusern, sonstigen Krankenhäusern und psychiatrischen Einrichtungen, mit Ausnahme der Ärztinnen und Ärzte nach Absatz 1 Buchstabe d),
cc) …”
Mit ihrer beim Arbeitsgericht Rosenheim am 24. November 2008 eingegangenen Klage vom 17. November 2008 hat die Klägerin die gerichtliche Feststellung, dass ihre tarifliche regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit 38,5 Stunden beträgt, sowie die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von 3.052,61 EUR brutto sowie von Zinsen in Höhe von 200,10 EUR begehrt.
Zur Begründung hat sie vorgetragen, für sie betrage die maßgebliche regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit 38,5 Stunden, weil die R.-K. unter den Begriff „sonstige Krankenhäuser” zu subsumieren sei. Tatsächlich arbeite sie 40,1 Stunden pro Woche statt der aus ihrer Sicht gemäß Tarifvertrag festgelegten 38,5 Stunden. Damit habe sie Anspruch auf die zusätzliche Bezahlung von 1,6 Stunden pro Woche.
Klägerin hat erstinstanzlich beantragt:
- Es wird festgestellt, dass die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit der Klägerin 38,5 Stunden / Woche beträgt.
- Der Beklagte wird verpflichtet, an die Klägerin EUR 3.052,61 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 01.10.2008 zu zahlen.
- Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin Zinsen in Höhe von EUR 200,10 zu zahlen.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und erwidert, für die Klägerin gelte die allgemeine Regelung des § 6 Abs. 1 Satz 1 TV-L. Die R.-K. falle nicht unter den Ausnahmetatbestand des § 6 Abs. 1 Satz 1 b) bb) TV-L. Die R.-K. P. L. in B. R. sei kein „sonstiges Krankenhaus” im Sinne der Tarifvorschrift. Die Reduzierung der Arbeitszeit auf 38,5 Stunden sei für Beschäftigte vereinbart worden, die den typischen besonderen Belastungen des Betriebs in einem Krankenhaus ausgesetzt seien. Dies seien die Mitarbeiter einer R.-K. gerade nicht. In der früheren Anlage 2a des BAT seien gerade die Anstalten und Heime ausdrücklich genannt worden. Daraus ergebe sich, dass die Tarifvertragsparteien Einrichtungen wie die streitgegenständliche gerade nicht in den Anwendungsbereich des § 6 Abs. 1 Satz 1 b) bb) TV-L hätten integrieren wollen. Zudem werde im allgemeinen Sprachgebrauch das Wort Klinik nicht als Synonym für den Begriff Krankenhaus gebraucht. Die Klägerin sei darüber hinaus in einer Kurklinik beschäftigt.
Das Arbeitsgericht Rosenheim hat der Klage in Ziffer 1. mit Teilurteil vom 15. April 2009, das dem Beklagten am 23. April 2009 zugestellt wurde, stattgegeben.
Zur Begründung hat das Arbeitsgericht ausgeführt, die Regelung in § 6 Abs. 1 Satz 1 b) bb) TV-L gelte auch für die Klinik, in der die Klägerin beschäftigt sei. Die Regelung sei so auszulegen, dass die R.-K. unter den Begriff „sonstige Krankenhäuser” falle. Die Auslegung eines Tarifvertrags erfolge nach den für Gesetze geltenden Regeln. Ausgangspunkt sei der Tarifwortlaut. Dabei sei der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien zu erforschen. Insbesondere sei der von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck zu ermitteln, sofern er in der Norm seinen Niederschlag gefunden habe. Weiterhin sei auf den tariflichen Gesamtzusammenhang abzustellen. Bei verbleibenden Zweifeln seien die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags sowie die praktische Übung erheblich. Im vorliegenden Fall sei der Tarifwortlaut eindeutig: Ein Krankenhaus sei eine Einrichtung, in der durch...