Leitsatz (amtlich)

Unwirksamkeit einer Arbeitgeberkündigung wegen fehlerhaften Anhörung des Personalrats

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Nach Art. 77 Abs. 4 BayPersVG ist eine Kündigung unwirksam, wenn der Personalrat nicht beteiligt worden ist. Ein Fall der „Nichtbeteiligung” liegt auch dann vor, wenn die Anhörung des Personalrats nicht ordnungsgemäß war. Nach Art. 69 Abs. 2 S. 1 BayPersVG ist der Personalrat vor einer Kündigung zu hören. Nach Art. 69 Abs. 2 S. 2 BayPersVG sind hierbei die Gründe, auf die sich die beabsichtigte Kündigung stützen soll, vollständig anzugeben.

2. Nach Sinn und Zweck des Anhörungsverfahrens ist eine bewusst und gewollt unrichtige oder unvollständige Mitteilung der für den Kündigungsentschluss des Arbeitgebers maßgebenden Kündigungsgründe wie eine Nichtinformation des Personalrats zu behandeln. Sie kann nicht nur in der Aufbereitung der mitgeteilten Tatsachen, sondern auch in der Weglassung gegen die Kündigung sprechender, den Arbeitnehmer entlastender Informationen bestehen und führt zur Unwirksamkeit der Kündigung entsprechend Art. 77 Abs. 4 BayPersVG, wenn die bewusst irreführend dargestellten bzw. weggelassenen Tatsachen nicht nur eine unzutreffende Ergänzung oder Konkretisierung des mitgeteilten Sachverhalts bewirken.

 

Normenkette

BayPVG Art. 77 Abs. 4; BetrVG § 102

 

Verfahrensgang

ArbG München (Urteil vom 09.02.2006; Aktenzeichen 35 Ca 19635/04)

 

Tenor

1. Die Berufung des Beklagten gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 9.2.2006, Az.: 35 Ca 19635/04 wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Rechtswirksamkeit einer Kündigung sowie einen Weiterbeschäftigungsanspruch des Klägers.

Der Auseinandersetzung liegt im Wesentlichen folgender Sachverhalt zu Grunde:

Der am 00.00.1966 geborene Kläger war gemäß Arbeitsvertrag vom 30.12.1996 (Bl. 5 d.A.) als Verwaltungsangestellter zuletzt in der Funktion eines Leiters des medizinischen Lagers des bis 30.5.2006 vom Freistaat Bayern (bisheriger Beklagter) betriebenen K. G. beschäftigt. Er bezog eine durchschnittliche Monatsvergütung von 2.202,95 EUR brutto.

Mit Artikel 1 Abs. 1 Ziff. 2 des Gesetzes über die Universitätsklinika des Freistaates Bayern (Bayerisches Universitätsklinikagesetz – BayUniKlinG) vom 23. Mai 2006 hat der bisherige Beklagte mit Wirkung zum 1. Juni 2006 das K. – nunmehrige Beklagte – als rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts des Freistaates Bayern errichtet.

Gemäß Artikel 1 Abs. 2 Satz 1 BayUniKlinG ist die Beklagte in die Rechte und Pflichten des K. G. als Staatsbetrieb eingetreten. Damit sind gemäß Art. 1 Abs. 2 Satz 2 BayUniKlinG im Weg der Gesamtrechtsnachfolge die Rechte und Pflichten des Freistaat Bayern und die Zuständigkeiten, die bislang das K. für den Freistaat Bayern wahrgenommen hat, auf das K. übergegangen

Nach Gesprächen des Klägers mit seinen Vorgesetzten am 04.10. und 18.10.2004 über Unstimmigkeiten im Lagerbestand und einem Angebot an den Kläger, sich in die Innenstadt-Dienststelle versetzen zu lassen, wurde der anwaltschaftliche Vertreter des Klägers mit Schreiben des Rechtsvorgängers der Beklagten vom 03.11.2004 (Bl. 233 d.A.) dazu angehört, dass der Beklagte den begründeten Verdacht habe, der Kläger habe ihm obliegende Pflichten aus dem Arbeitsvertrag in grober Weise verletzt. Insbesondere wurde dem Kläger vorgehalten, er habe ohne Kennzeichnung in erheblichem Umfang private Ferngespräche geführt, es zugelassen, dass mit Verbrauchsgegenständen des von ihm verwalteten Lagers Missbrauch zu Ungunsten des Arbeitgebers getrieben worden sei und außerdem eine Überstundenabrechnung entgegen den tatsächlich geleisteten Stunden vorgenommen.

Nachdem die anwaltschaftlichen Vertreter des Klägers hierauf mit Schreiben vom 03.11.2004 (Bl. 234/236 d.A.) Stellung nahmen, wurde der beim K. G. gebildete Personalrat mit Schreiben vom 10.11.2004 (Bl. 166/167 d.A.) zu einer „außerordentlichen Kündigung gemäß § 54 BAT zum 19.11.2004, vorsorglich zusätzlich ordentlichen Kündigung gemäß § 53 BAT zum 31.03.2005” angehört. Mit Schreiben vom 15.11.2004 (Bl. 170/172 d.A.) erhob der Personalrat hiergegen Einwendungen.

Mit Schreiben vom 17.11.2004 (Bl. 173/174 d.A.) erklärte der Rechtsvorgänger der Beklagten die außerordentliche Kündigung zum 19.11.2004, hilfsweise die ordentliche Kündigung zum 31.03.2005.

Am 18.11.2004 wurde das Kündigungsschreiben mit einem Begleitschreiben vom 17.11.2004 (Bl. 174 d.A.) durch eine Angestellte der Personalabteilung an die anwaltlichen Vertreter des Klägers übergeben. Von dort wurde die Annahme des Schreibens mit dem Hinweis einer fehlenden Emfpangsbevollmächtigung zurückgewiesen.

Mit Schreiben vom 22.11.2004 (Bl. 178/179 d.A.), das dem Kläger am 23.11.2004 zuging, erklärte der Rechtsvorgänger der Beklagten eine außerordentliche Kündigung zum 26.11.2004, vorsorglich eine ordentliche Kündigung zum 31.03.2005. Zugleich teilte er mit Schreiben vom 22.11.2004 (Bl. 180 d.A.) u.a. mit:

„Die mit unserem Schreiben vom 19.1...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge