Leitsatz (amtlich)

Einzelfallentscheidung: außerordentliche Kündigung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Droht ein Arbeitnehmer nach Ablehnung seines Urlaubswunsches dem Arbeitgeber damit, dass er dann zur fraglichen Zeit krank sein werde, so stellt dieses Verhalten als solches einen an sich für eine außerordentliche Kündigung geeigneten wichtigen Grund dar.

2. In einem Fall angedrohter Erkrankung kann eine Abmahnung nach den Umständen des Einzelfalls entbehrlich sein.

 

Normenkette

BGB § 626; BAT § 54

 

Verfahrensgang

ArbG München (Urteil vom 04.04.2006; Aktenzeichen 30 Ca 9034/05)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 12.03.2009; Aktenzeichen 2 AZR 251/07)

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen dasEndurteil des Arbeitsgerichts München vom4.4.2006, Az.: 30 Ca 9034/05 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

2. Die Revision wird zugelassen

 

Tatbestand

Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz über die Rechtswirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung vom 7. Juni 2005.

Der Auseinandersetzung liegt im Wesentlichen folgender Sachverhalt zu Grunde:

Der am 0.00.1955 geborene Kläger ist seit dem 1. September 1974 bei den Beklagten zuletzt als Sachgebietsleiter Rechnungswesen zu einem Bruttomonatsentgelt in Höhe von 5.201,51 EUR beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet kraft einzelvertraglicher Inbezugnahme der Bundesangestelltentarifvertrag (BAT) Anwendung.

Der Kläger beantragte für den 27. Mai 2005 Urlaub. Dieser wurde am 22.5.2005 von seinem Vorgesetzten, dem Zeugen B., abgelehnt, weil Abschlussarbeiten anstanden, die nach Ansicht der Beklagten keine Verzögerungen duldeten. Der Kläger legte am 25. Mai 2005 um 13:00 Uhr der zuständigen Gleitzeitbeauftragten eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bis einschließlich 3.6.2005 vor und verließ um 13:01 Uhr den Betrieb. Am 27. Mai 2005 ist der Kläger nicht zur Arbeit erschienen.

Mit Schreiben vom 1. Juni 2005, das dem Kläger am 2. Juni 2005 zugegangen ist, wurde dem Kläger außerordentlich und fristlos gekündigt. Mit Schreiben vom 6. Juni 2005 hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers diese Kündigung mit der Begründung zurückgewiesen, dass hier keine schriftliche Vollmacht im Original beigelegen habe.

Mit Schreiben vom 7. Juni 2005, das dem Kläger am 8. Juni 2005 zugegangen ist, kündigten die Beklagten erneut außerordentlich und fristlos.

Im Kündigungsschreiben führten die Beklagten u. a. folgendes aus:

„…

Der Kündigung liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Am 24.05.2005 stellten sie einen Urlaubsantrag für Freitag, den 27.05.2005. Angesichts der angespannten Arbeitssituation wurde der Urlaubsantrag am 25.05.2005 von Ihrem Vorgesetzten abgelehnt. In einem Gespräch, das um 10.15 Uhr stattfand, wurden Ihnen die Gründe der Ablehnung des Urlaubsantrages erläutert.

Daraufhin teilten Sie mit, dass Ihre Frau schon die Koffer für eine gemeinsame Reise packen würde. Nachdem Ihnen noch einmal erläutert wurde, dass Sie als Ansprechpartner wegen der noch nicht abgeschlossenen Jahresabschlüsse unabkömmlich wären, teilten Sie daraufhin Ihrem Vorgesetzten mit, dass Sie am kommenden Freitag (27.05.2005) wegen Krankheit nicht zur Arbeit kommen würden und Ihr Vorgesetzter sich noch wundern würde, wenn Sie dann 4 Tage in psychologischer Behandlung wären und noch länger ausfallen.

Danach erkundigten Sie noch sich bei G. und B., ob Ihre Anwesenheit an diesem Freitag notwendig wäre.

Um ca. 13.00 Uhr legten Sie bei der zuständigen Gleitzeitbeauftragten ein ärztliches Attest vor, das bis einschließlich 03.06.2005 Arbeitsunfähigkeit bescheinigt. Um 13.01 Uhr haben sie das Haus verlassen.

…”

Im zeitlichen Vorfeld der Kündigungen war der Personalrat mit Schreiben vom 31.5.2005 zur Kündigungsabsicht angehört worden (Blatt 68 und 69 d.A.). Dieser hatte gegen die geplante Kündigung keine Bedenken angemeldet (Blatt 70 d.A.). Mit Schreiben vom 7.6.2005 wurde der Personalrat erneut angehört (Bl. 71 f. d.A.). Mit handschriftlichem Vermerk auf dem Schreiben des Personalrats vom 1. Juni 2005 teilte der Personalrat am 7.6.2005 mit, dass dieser Beschluss auch nach neuen Erkenntnissen der Personalvertretung Bestand behalte.

Für die Beklagten gilt das Gesetz über das öffentliche Versorgungswesen (VersoG). Artikel 6 Absatz 2 Satz 1 VersoG lautet wie folgt:

Die Versorgungskammer führt die Geschäfte der Versorgung im organisatorischen, tatsächlichen und personellen Verwaltungsverbund und vertritt sie gerichtlich und außergerichtlich.

Art. 6 Abs. 5 Satz 1 VersoG hat folgenden Wortlaut:

Die Beamten der Versorgungskammer sind Staatsbeamte. Die Angestellten und Arbeiter sind Arbeitnehmer der Versorgungsanstalten.

Mit seiner beim Arbeitsgericht München am 21.6.2005 eingegangenen Klage vom 20.6.2005 hat der Kläger die gerichtliche Feststellung begehrt, dass sein Arbeitsverhältnis weder durch die Kündigung vom 1. Juni 2005 noch durch die Kündigung vom 7.6.2005 aufgelöst worden ist.

Zur Begründung hat er ausgeführt, die Kündigung vom 1.6.2005 sei bereits gemäß § 174 BGB unwirksam, weil eine Originalvollmacht nicht vorgelegen habe und die Kündigung desw...

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