Entscheidungsstichwort (Thema)
Wirksame Differenzierungsklausel zugunsten von Gewerkschaftsmitgliedern in Transfer- und Sozialtarifvertrag. Unbegründete Zahlungsklage eines nichtorganisierten Arbeitnehmers auf erhöhte Entgelt- und Abfindungszahlungen
Leitsatz (redaktionell)
1. Als Maßstab für die Rechtswirksamkeit von Differenzierungsklauseln gilt die negative Koalitionsfreiheit insbesondere der nicht organisierten Außenseiter, deren Recht, sich nicht zu Koalitionen zusammenzuschließen, bestehenden Koalitionen fernzubleiben oder bei früherem Eintritt wieder austreten zu dürfen; diese Rechte werden durch eine einfache Differenzierungsklausel, die als einziges zusätzliches Tatbestandsmerkmal für das Entstehen eines Anspruchs die Mitgliedschaft in der tarifschließenden Gewerkschaft bestimmt, nicht beeinträchtigt, weil sich die Normsetzungsmacht der Tarifvertragsparteien aufgrund verfassungsrechtlicher und gesetzlicher Vorschriften ausschließlich auf ihre Mitglieder beschränkt und die normative Wirkung einer Tarifregelung auf Außenseiter grundsätzlich ausgeschlossen ist.
2. Eine einfache Differenzierungsklausel schränkt die Handlungs- und insbesondere Vertragsfreiheit der Arbeitgeberin nicht ein, da es ihr unbenommen bleibt, ihre vertraglichen Beziehungen zu nicht oder anders organisierten Beschäftigten frei zu gestalten und durchzuführen; ebenso wenig kann durch eine solche Tarifnorm der Rechtskreis der nicht oder anders organisierten Beschäftigten wirksam betroffen werden, da die Wirkung einer einfachen Differenzierungsklausel auf das Arbeitsverhältnis der nicht organisierten Beschäftigten nicht auf der normativen Wirkung des Tarifvertrages sondern auf der privatautonom gestalteten Arbeitsvertragsbeziehung beruht.
3. Der Abschluss eines Tarifvertrages samt seiner hierin definierten zeitlichen Anwendbarkeit allein auf Beschäftigte, die bereits seit gewisser Zeit (ab einem in der Vergangenheit liegenden Stichtag) Gewerkschaftsmitglieder sind, schließt einen hierdurch ausgelösten (auslösbaren) oder einen dadurch beabsichtigten "Druck" aus; denn eine fehlende Gewerkschaftsmitgliedschaft zu einem in der Vergangenheit liegenden Stichtag ist ein eindeutig feststehender Umstand, der nicht heilbar und deshalb auch nicht druckerzeugend ist.
Normenkette
TVG § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 9 Abs. 3; BetrVG §§ 75, 75 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG München (Entscheidung vom 23.04.2013; Aktenzeichen 31 Ca 10224/12) |
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 23.04.2013 - 31 Ca 10224/12 - wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
II. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über Ansprüche der Klagepartei als ehemaligen Arbeitnehmers der Beklagten zu 1 und jetzigen Arbeitnehmers der Beklagten zu 2 als Transfergesellschaft auf Zahlung einer höheren Abfindung und höheres Transferentgelt - auch dessen zutreffende Berechnung - im Zusammenhang mit den Regelungen von Sozialtarifverträgen.
Der - am 31.07.1960 geborene und nach seinen, unbestritten gebliebenen, Angaben verheiratete und für zwei minderjährige Kinder unterhaltspflichtige - Kläger war seit 27.12.1991 bei der Beklagten zu 1 bzw. deren Rechtsvorgängerinnen beschäftigt. Nach seinen weiteren Ausführungen sei er seit 01.07.2008 als Abteilungsleiter Network Solutions Vertrieb West South Europe Leitender Angestellter, alsdann auf der Grundlage einer "Vertragsumstellung" vom 19.10.2010 (Anl. K1, Bl. 27/29 d. A.) als Network Evolution Manager und zuletzt, seit 01.01.2012, als Customer Solutions Manager Schweiz nunmehr mit einem monatlichen Zielgehalt von 10.262,32 € brutto (8.551,94 € brutto/Monat als Fixgehalt zzgl. eines variablen Anteils von 1.710,38 € brutto/Monat) bei der Beklagten zu 1 tätig gewesen.
Im Zusammenhang mit einer grundlegenden betrieblichen bzw. Unternehmensumstrukturierung schlossen die Firma C. GmbH & Co. KG - die hiesige Beklagte zu 1 - einerseits und die IG Metall, Bezirksleitung Bayern, andererseits unter dem Datum des 04.04.2012 einen "Transfer- und Sozialtarifvertrag" (etwa: Anl. K4, Bl. 37 - Bl. 44 d. A.), durch den u.a. der Wechsel von von der Entlassung bedrohten Beschäftigten dieses Unternehmens in die "Transfergesellschaft der Firma F. AG" - bzw. die Firma E. als hiesige Beklagte zu 2 - als betriebsorganisatorisch eigenständige Einheit (beE) gemäß § 216 b SGB III mittels dreiseitigen Vertrages geregelt wurde und umfangreich auf den Inhalt einer Kooperationsvereinbarung mit der IG Metall hinsichtlich der Beauftragung der Transfergesellschaft und der für den Wechsel in diese vorgesehenen dreiseitigen Verträge, auch auf Altersteilzeitverträge Bezug genommen ist. Weiter sind in diesem Transfer- und Sozialtarifvertrag vom 04.04.2012 Ansprüche der auf der Grundlage von dreiseitigen Verträgen in die Transfergesellschaft - hiesige Beklagte zu 2 - wechselnden Arbeitnehmer auf Zahlung eines beE-Entgelts von 70 % ihres bisherige...